Disco-Schufa

In Osnabrück haben sich jetzt Polizei und Discobetreiber zu einer Disco-Schufa zusammengetan. Die Tanztempel unterrichten sich gegenseitig über die Namen gewalttätiger Gäste oder solcher, die sie dafür halten. Ein in einer Diskothek ausgesprochenes Hausverbot soll zunächst für weitere 17 Etablissements gelten. Die Polizei ist auch mit im Boot. Sie will den Betroffenen an Freitagen, Samstagen und vor Feiertagen Aufenthaltsverbote für die Osnabrücker Gastronomieviertel erteilen.

Was sich im Bericht der Osnabrücker Zeitung so fabelhaft anhört, ist juristisch möglicherweise auf dünnem Fundament gebaut.

Das automatisch übertragene Hausverbot ist schon zivilrechtlich unzulässig. Die Discothek X kann sich nicht darauf berufen, dass jemand in der Discothek Y “aufgefallen” ist und ihn deshalb vorsorglich aussperren. Hausverbote sind nach der Rechtsprechung nämlich nur wirksam zwischen den jeweiligen Vertragspartnern.

Es gibt auch datenschutzrechtliche Probleme. Die Weitergabe der Hausverbote ist eine Datenübermittlung, die nach dem Bundesdatenschutzgesetz nur “zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten oder zur Abwehr für die öffentliche Sicherheit” zulässig ist”.

Das berechtigte Interesse (für die Zukunft) sehe ich schon nicht. Ob und unter welchen Umständen jemand angeblich gewalttätig geworden ist, sagt nicht unbedingt etwas darüber aus, dass er es auch künftig tun wird. Auch Türsteher sind zum Beispiel oft keine Friedenslämmer, auch wenn natürlich immer die bösen Gäste angefangen haben. Die Quote unberechtigt ausgesprochener Hausverbote ist mit Sicherheit beträchtlich. Das bestätigen auch gerne Strafrichter, denn Prozesse um Disco-Schlägereien enden meist in einem Fiasko. Spätestens mit Vernehmung des 51. Zeugen ist nämlich klar, dass die Wahrheit nie ans Licht kommen wird.

Auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit könnte man nur annehmen, wenn Fakten eine glasklare Wiederholungsgefahr belegen. Dann wäre das Kriterium aber nicht das Hausverbot von Szenewirt Oliver, sondern die rechtskräftige Verurteilung durch ein Gericht. Hierüber dürften die Ermittlungsbehörden andersrum den Diskotheken aber interesssanterweise gar keine Auskunft geben, da die Strafprozessordnung für freihändige Informationen an die lokale Gastronomie keine Rechtsgrundlage kennt.

Das “berechtigte Interesse” könnte man dann ja auch bei Kneipen, Imbissbuden und Restaurants sehen. Oder bei Kinos und Tankstellen Tankstellen. Eine branchenübergreifende Hausverbots-Schufa, die ja dann der nächste Schritt wäre, könnte schnell zu Stigmatisierung, Ausgrenzung und Diskriminierung führen. Es spricht also viel dafür, auch in einem Diskotheken-Verbund kein berechtigtes Interesse zu erkennen.

Aber selbst wenn wir das berechtigte Interesse einfach bejahen, müsste nach dem Gesetz noch feststehen, dass kein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen gegen die Weitergabe seiner Daten spricht. Diese Regelung ist mit ein Grund dafür, warum wir bei Banken eine Schufa-Klausel unterschreiben müssen. Die Weitergabe negativer Daten über uns widerspricht fast immer unserem Interesse – deshalb benötigen solche Auskunfteien praktisch immer unser Einverständnis für die Datenweitergabe.

Die “Qualität” eines Hausverbots ist gegenüber Tatbeständen bei privaten Bankgeschäften (rechtskräftiger Titel, Insolvenanmeldung) regelmäßig höchst nebulös, seine Rechtfertigung fast immer fraglich. Schon von daher wird man kaum dahin kommen, ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen zu verneinen.

Eine merkwürdige Rolle spielt auch die Polizei. Sie will Aufenthaltsverbote aussprechen, die es in sich haben. Die Osnabrücker Zeitung:

Ab sofort bekommen Disco-Schläger zeitlich befristete Aufenthaltsverbote für sechs Zonen im Stadtgebiet, in denen sich die 18 Lokale befinden.

In den Nächten vor Samstag, Sonntag oder einem Feiertag (20 bis 8 Uhr) dürfen sich die polizeilich registrierten Gewalttäter nicht in diesen Zonen blicken lassen. Tun sie es doch, ist eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs fällig. Im Wiederholungsfall könne die Polizei einen notorischen Schläger auch in Gewahrsam nehmen oder ein Zwangsgeld verhängen.

Sonderlich verhältnismäßig klingt das nicht. Die Polizei wird außerdem gut daran tun, die Aufenthaltsverbote nur aufgrund eigener Erkenntnisse zu verhängen und nicht aufgrund standardmäßig gemeldeter Hausverbote in Diskotheken. Ansonsten dürften die Platzverweise vor dem Verwaltungsgericht schneller purzeln, als es den Initiatoren lieb sein kann.

Die Diskotheken, aber auch die Polizei sind gesetzlich verpflichtet, Betroffenen Auskunft über gespeicherte Daten, ihre Herkunft und den Verwendungszweck zu geben. Es wird sicher interessant sein, ob und wie sorgfältig die Anfragen von Osnabrückern, die keinen Eintrag in der Disco-Schufa wünschen, beantwortet werden.