Wenn man der Polizei technische Möglichkeiten gibt, werden sie genutzt. Ob das auch rechtlich erlaubt ist, scheint häufig nachrangig – wie ein aktuelles Beispiel aus Dresden zeigt. Für die Antinazidemo am 19. Februar hat die Polizei eine großflächige Funkzellenauswertung durchgeführt, um Bewegungsprofile zu erstellen. Die Standort- und Kommunikationsdaten der Handys tausender Demonstranten wurden nach einem Bericht der taz lückenlos erfasst. Gleiches gilt aber auch für die Daten von Dresdner Bürgern, die gar nicht demonstrieren waren.
Herausgekommen ist die Überwachung, weil die Polizei offenbar der Versuchung nicht widerstehen konnte, den angehäuften Datenschatz rechtswidrig zu nutzen. Offiziell sollen Gewalthandlungen gegen Polizeibeamte Anlass für die Funkzellenauswertung gewesen sein. Jedoch tauchten Handydaten nach und nach auch in Ermittlungsakten auf, in denen es um ganz andere, jedenfalls nicht mit Gewalt verbundene Vorwürfe ging – etwa kleinere Verstöße gegen das Versammlungsgesetz.
Grundsätzlich darf eine Funkzellenauswertung nur durch den Richter erlaubt werden. Allein in Eilfällen kann auch ein Staatsanwalt die Anordnung treffen. Beachtet werden müssen nach dem Gesetz einige wichtige Dinge. Die Maßnahme muss zielgerichtet sein, sich also auf die Ermittlung von konkreten Verantwortlichen für eine bestimmte Straftat beziehen. Es darf keine anderen, weniger einschneidenden Möglichkeiten geben, die Sache aufzuklären. Und die Erhebung der Daten muss in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen.
Selbst wenn man unterstellt, dass Gewalt gegen Polizeibeamte die Auswertung rechtfertigte, durften die Daten nur für die Ermittlungen wegen dieser Taten verwendet werden. Stattdessen scheinen sie aber in beliebige andere, kleinere Verfahren eingeflossen zu sein. So berichtet die taz, die Verbindungs- und Standortdaten des Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele tauchten in einer Emittlungsakte auf – obwohl sich das Verfahren noch nicht mal gegen ihn richtet.
Die Demonstration war von einem Riesenaufgebot Beamter überwacht. Schon von daher wird man nicht ernstlich annehmen können, kleinere Delikte könnten nur durch Funkzellendaten geklärt werden. Letztlich fehlt es aber so eklatant an der Verhältnismäßigkeit, dass selbst die Staatsanwaltschaft Dresden die Daten nicht mehr sehen möchte. Die Behörde hat laut taz der Polizei verboten, die Handydaten weiter in Drittverfahren einfließen zu lassen.
Unschön an der ganzen Sache ist, dass es bei der Dresdner Polizei offenbar keinerlei Sensibilität für die Brisanz der Maßnahme gab. Das lässt nur wenige Rückschlüsse zu. Keiner davon ist erfreulich.
Entweder war der angebliche Anlass für die Funkzellenauswertung nur vorgeschoben und man plante von vornherein, die Bewegungs- und Kommunikationsprofile für alle Verfahren rund um die Demo zu nutzen. Dann wären ein Staatsanwalt oder gar ein Richter angelogen worden.
Oder man konnte später einfach der Versuchung nicht widerstehen, den Datenschatz zu heben. Das wäre eine krasse Verkennung der Rechtslage, wobei sich auch hier wieder die Frage stellt: Wurde hier bewusst auf dem Rechtsstaat rumgetrampelt – oder sind die Verantwortlichen einfach so doof?
Was für besonders viel Unbehagen sorgen sollte: Niemand kann sich hier zurücklehnen nach dem Motto, wer ins Raster gerät, ist doch am am Ende selbst schuld. Irgendwas wird schon dran gewesen sein. Hierfür sind Funkzellenauswertungen zu gleichmacherisch. Die Daten jedes Bürgers werden gnadenlos erfasst und überprüft, bloß weil er sich im räumlichen Bereich der Funkzelle befunden hat.
Der eine oder andere Dresdner wird sich noch gut daran erinnern, wann im Ort zuletzt flächendeckend bespitzelt wurde. Es ist also völlig korrekt, wenn die Betroffenen ein gerichtliches Nachspiel ankündigen.