Nimmt man es genau, wird der Angeklagte im Strafprozess zweimal vernommen. Einmal zur Person. Und einmal zur Sache. Bei der Vernehmung zur Sache, das heißt zum Tatvorwurf, ist eines klar: Der Angeklagte hat ein umfassendes Schweigerecht und muss nicht mal Piep sagen. Bei der Vernehmung zur Person sieht es etwas anders aus, und über Details durfte ich nun mit einem Richter diskutieren.
Mein Mandant hat sich geweigert, etwas zur Sache zu sagen. Dazu habe ich ihm geraten, und wir sind bislang damit gut gefahren. Angaben zur Person machte mein Mandant jedoch, wozu er auch gesetzlich verpflichtet ist.
Auf die Frage nach dem Familienstand sagte er: “nach deutschem Recht geschieden”. Das hat das Gericht akzeptiert. Nur kam jetzt der Vorsitzende Richter an einem weiteren Verhandlungstag betont beiläufig darauf zurück und wollte wissen, ob mein Mandant vielleicht doch verheiratet ist. Wenn auch womöglich “nur” nach ausländischem Recht. In der Ermittlungsakte befinden sich einige Dokumente, die darauf hindeuten. Allerdings nur vage; Belege gibt es nicht.
Die Frage des Gerichts hatte eine offensichtliche Zielrichtung. Mein Mandant wäre, wenn überhaupt, wahrscheinlich mit einer Frau verheiratet, die er als mögliche Scheingeschäftsführerin für Firmen eingesetzt haben soll. Eine Ehe mit dieser Frau käme den Strafverfolgern entgegen. Sie hätten damit persönliche Nähe belegt. Das wäre jedenfalls ein Indiz für die Vermutung, es handele sich um eine Strohfrau.
Ich habe für meinen Mandanten eine Antwort auf die Frage verweigert. Was den Richter dazu brachte, energisch auf den schon oben verlinkten § 111 Ordnungswidrigkeitengesetz zu pochen. Danach kann jemandem ein Bußgeld auferlegt werden, wenn er einer zuständigen Stelle seine Personalien verweigert. Das Gesetz zählt hierzu ausdrücklich auch den Familienstand.
Mein Standpunkt war ein anderer: § 111 Ordnungswidrigkeitengesetz dient zur Identitätsfeststellung. Das Gericht hatte und hat aber ersichtlich keine Zweifel daran, dass die “richtige” Person vor ihm sitzt. Was man schon daran sieht, dass die Nachfrage zu einer (ausländischen) Ehe lange nach Abschluss der Vernehmung zur Person gestellt wurde. Und interessanterweise gerade dann, als es um die Rolle der Geschäftsführerin ging.
Mit der Frage Strohfrau oder nicht steht und fällt aber der Tatvorwurf in unserem Verfahren. Eine Antwort meines Mandanten wäre also ausschließlich, jedenfalls aber zum überwiegenden Teil “zur Sache” erfolgt. In diesem Bereich gilt aber der eherne Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss und deshalb schweigen darf. Von diesem Recht wollten wir Gebrauch machen.
Ich dachte eigentlich, das Gericht droht jetzt mit der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Aber womöglich war dem Richter klar, dass mein Mandant das Bußgeld (bis zu 1.000 Euro) notfalls auch wegsteckt. Ohnehin hätte ich für das Bußgeldverfahren mit einem Freispruch gerechnet.
Vielleicht auch deshalb beließ es der Richter dabei zu verkünden, das Gericht gehe mangels Antwort nun davon aus, mein Mandant sei verheiratet.
Aus dem Schweigen eines Angeklagten positiv auf seinen Familienstand zu schließen, finde ich extrem mutig. Zumindest, wenn man nicht die letzte Instanz ist. Das Kernproblem ist aber ohnehin damit nicht gelöst. Ich meine die Frage, mit wem mein Mandant denn nun verheiratet ist. Selbst wenn eine Auskunftspflicht besteht, muss man nichts zur Person des Ehegatten sagen.
Der Betroffene kann es nämlich immer bei einer der vier folgenden Angaben belassen: ledig, verheiratet, geschieden, verwitwet.
Wir hätten uns also munter weiter im Kreise drehen können.