Bremen hat gewählt, aber auf das endgültige Ergebnis müssen die Bürger warten. Frühestens am Mittwoch soll ein vorläufiges amtliches Endergebnis vorliegen. Schuld ist nach offiziellen Angaben das geänderte Wahlrecht, das komplizierte Stimmzettel hervorgebracht hat. Möglicherweise liegt es aber aber auch an einer zweifelhaften, für mich in Deutschland völlig neuen Auswertungsmethode der Stimmzettel. Ausgezählt wird in Bremen nämlich nicht mehr im Wahllokal, sondern an einem zentralen Ort. Ob das der Demokratie förderlich ist, darf bezweifelt werden.
Der Bremer Landeswahlleiter beschreibt die Änderungen:
Die Wahlurnen werden nach Schließung der Wahllokale (18:00 Uhr) mit Lastwagen zu einem zentralen Ort in der Stadt Bremen bzw. in der Stadt Bremerhaven gebracht, wo die Auszählungen erfolgen sollen.
Das klingt erst mal harmlos. Doch dann fällt es einem vielleicht auf. Kennt man die Praxis “Erst Transportieren, dann Auszählen” nicht aus Bananenrepubliken und Diktaturen? Dort ist die zentrale Auszählung deswegen so beliebt, weil der Transport der Urnen vom Bürger gar nicht, aber auch von bestellten Wahlvorständen nur eingeschränkt überwacht werden kann. Auf dem (nächtlichen) Weg vom Wahllokal zur zentralen Auszählungsstelle kann, dafür braucht es nicht übermäßiger Phantasie, so einiges passieren.
Ich sage nicht, dass die Bremer Wahlen manipuliert wurden. Aber eine Stadtrundfahrt ausgefüllter, aber ungezählter Wahlzettel schafft eine unnötige Lücke, die ausgenützt werden kann. Gelegenheit schafft Diebe – und irgendwann natürlich auch Wahlfälscher.
Genau deshalb gilt die unmittelbare Stimmauszählung im Wahllokal nicht nur als gute Idee, sondern zählt auch zu den anerkannten Grundsätzen für eine transparente Wahl. Denn eines kommt hinzu: Nur bei direkter Auszählung vor Ort behält neben dem Wahlvorstand eine zweite wichtige Kontrollinstanz das Geschehen im Blick. Es ist der wahlberechtigte Bürger selbst.
Jeder Stimmberechtigte hat bei Wahlen in Deutschland das Recht, der Stimmauszählung beizuwohnen. Das ist sicherlich nicht vielen bekannt, aber ich kenne einige Leute, die immer kurz vor Schließung des Wahllokals ihre Stimme abgeben, um dem Wahlvorstand und seinen Helfern dann bei der Auszählung über die Schulter zu schauen. Wer das macht, ist kein Pedant oder Verschwörungstheoretiker, sondern legitimer Wahlbeobachter. Bei den Vereinten Nationen kann man sich um so eine Stelle sogar bewerben, wenn man mit der meist wohl eher kühlen Atmosphäre in jenen Gastländern klarkommt, die etwas zu verbergen haben.
Der Transport der Wahlurnen an einen “zentralen Ort” öffnet somit nicht nur eine Möglichkeit zur Manipulation. Er nimmt interessierten Bürgern auch die Möglichkeit, an Ort und Stelle von ihrem Recht auf Wahlbeobachtung Gebrauch zu machen, von dem wir alle profitieren. Oder anders gesagt: Wer kann sich in Bremen nun schon drei Tage Urlaub nehmen, um den Stimmzählern am “zentralen Auszählungsort” auf die Finger zu sehen?
Hoffentlich hat das Bremer Konzept außerhalb der Landesgrenze keine Zukunft. Unsicherheit nährt zwangsläufig Zweifel. Der Schaden für die Demokratie kann somit größer sein als der Nutzen einer bequemen Auszählung.