Muss der Stiefvater als Zeuge aussagen, wenn sein Stiefsohn Beschuldigter ist? Wie fast immer gibt das Gesetz eine Antwort auf diese Frage nur um die Ecke. In § 52 Strafprozessordnung steht jedenfalls auf dem ersten Blick nichts von Stiefeltern und Stiefkindern drin:
Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt
1. der Verlobte des Beschuldigten oder die Person, mit der der Beschuldigte ein Versprechen eingegangen ist, eine Lebenspartnerschaft zu begründen;
2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3. wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.
In einem Fall, den ich erst in der Berufung übernommen habe, haben es die Steuerfahndung und das Amtsgericht dann auch gleich falsch gemacht. Der Stiefvater des Beschuldigten wurde vernommen und zwar mit der klaren Ansage, dass er kein Zeugnisverweigerungsrecht hat. Dementsprechend wurde er auch nur über sein Recht belehrt, auf Fragen zu schweigen, wenn er sich damit möglicherweise selbst belasten könnte. Weil er direkt nichts mit der Sache zu tun hatte, sagte er munter aus.
Erst der letzte Richter am Landgericht hat es, von sich aus, richtig gemacht und den Stiefvater über sein Zeugnisverweigerungsrecht aufgeklärt. Das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt nämlich in § 1590:
Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden Verwandtschaft.
Stiefeltern und Kinder sind also miteinander verschwägert. Damit greift aus dem oben zitierten Paragrafen der Strafprozessordnung Ziff. 3 ein. Der Stiefvater durfte komplett schweigen.
In meinem Fall hat das durchaus Folgen. Nachdem er nun erstmals richtig belehrt wurde und nichts sagen wollte, dürfen die früheren Aussagen des Stiefvaters nicht mehr berücksichtigt werden. Das mag jetzt keine gravierenden Folgen haben. Trotzdem ist der Fall ein schönes Beispiel dafür, dass auch Amtspersonen mitunter nicht mal die Basics auf die Reihe kriegen.