“Ich bin heute erst einmal hier, um zu sagen: Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten.” Bundeskanzlerin Angela Merkel
Ich nehme Frau Merkel ihre Freude uneingeschränkt ab. Schon ihr Außenminister Guido Westerwelle hatte sich heute morgen geradezu euphorisch über den amerikanischen Fahndungserfolg gezeigt.
SPD-Chef Sigmar Gabriel suchte seinerseits zumindest nach einem originellen Ansatz. Er beglückwünschte deshalb nicht nur die USA, sondern forderte kurzerhand die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung. Liegt ja auch nahe, gerade nach der Eliminierung eines Terrorführers, der in seinem Haus weder Telefon noch Internet hatte.
Allerdings gehört es ja wohl auch noch heute zu den Kardinaltugenden eines guten Politikers, nicht dem eigenen Fundament das Wasser abzugraben. Dazu könnte es aus rein taktischen und langfristigen Gründen mitunter erforderlich sein, nicht dem Instinkt nachzugeben, sondern zumindest den Anschein des Anstandes zu wahren. Heute wäre so eine Gelegenheit gewesen.
Ihr diesbezüglich sicher vorhandenes Talent ließ die Bundeskanzlerin, die ja für uns alle spricht, bei ihrer Pressekonferenz aber im Stich. Gleich mehrfacher Jubel über die gezielte Tötung eines Menschen ist nach den Wertmaßstäben unserer Verfassung nämlich völlig deplatziert – und gefährlich überdies.
Selbst wenn der Betreffende ein noch so großer Verbrecher ist, wie es bin Laden wohl war, ist ein Kommando “Retrieve & Kill” nicht mit unseren Grundrechten in Einklang zu bringen. Vom großen C im Namen der Kanzlerinnenpartei will ich gar nicht reden.
Wenn Frau Merkel also unverhohlene Freude über die gezielte Tötung eines Menschen äußert, relativiert sie ohne Not verfassungsrechtliche Eckpositionen wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Heute tut sie das für Terroristen und Massenmörder. Morgen macht sie es vielleicht für Serienkiller, übermorgen für Sexualstraftäter. Andere tun es dann irgendwann auch für weit harmlosere Zeitgenossen. Eine passende Schublade lässt sich auch für dich und mich finden, wenn die Dämme mal gebrochen sind.
Die Kanzlerin hat ihre Äußerung übrigens auf die Frage gemacht, ob sie eine gezielte Tötung gut findet und ob unsere Sicherheitskräfte so was auch dürfen sollten. Statt diese Steilvorlage zu nutzen und sich zum Rechtsstaat zu bekennen, flüchtet sich Angela Merkel in pure und platte Begeisterung für die amerikanische Taktik.
Was hätte gegen den Hinweis gesprochen, Deutschland habe Verständnis für die raueren Sitten anderer Länder, aber für deutsche Sicherheitskräfte werde es immer vorrangig sein, das Grundrecht auf Leben jedes Einzelnen zu achten, so dass eine absichtliche Tötung auch des schlimmsten Kriminellen eigentlich nur bei Notwehr oder Nothilfe in Frage kommt? Wir wissen, was dagegen sprach. Frau Merkel hätte sich dann als besonnene Politikerin präsentiert, aber damit das Risiko auf sich nehmen müssen, irgendwie als Weichei da zu stehen.
Und wie hätte Bild wohl darauf reagiert?
Nachtrag: Thomas Darnstädt analysiert auf Spiegel online die Rechtslage