Staatsanwälte entdecken mitunter ihre fürsorglichen Seiten. So ist es ein beliebtes Spiel, zum Glück aber nur bei einer deutlichen Minderheit der Staatsanwälte, Verteidigern eine Besuchserlaubnis für Untersuchungsgefangene zu versagen. Mit der Begründung, der Beschuldigte habe doch schon einen (Pflicht-)Verteidiger und es sei nicht ersichtlich, dass er den Besuch des Anwalts wünscht.
Mit etwas Hartnäckigkeit und der Bereitschaft, mal ein, zwei Etagen höher zu telefonieren, kriegt man als Anwalt den Sprechschein meistens schon. Immerhin ahnen wohl auch die eifrigsten Freunde dieses zeitaufwendigen und nervenzehrenden Spektakels, dass es für einen Rechtsstaat am Ende oft recht merkwürdig aussieht, wenn ausgerechnet der Staatsanwalt bestimmt, welche Verteidiger vorgelassen werden.
Sehr interessant fand ich jetzt die Argumentation eines echten Hardliners. Der setzte sogar ein hochoffzielles Schreiben auf, mit dem er einem Anwalt den Besuch bei einem möglichen Mandanten verweigerte. Hierbei griff er zunächst zur Standardbegründung, wonach der Beschuldigte nicht um einem Besuch gebeten habe.
Meist gibt es eben diese Bitte übrigens schon. Nur findet sie wegen Telefon- und Internetverbots in der Haft sowie endloser Brieflaufzeiten, bedingt durch richterliche Postzensur, vielleicht nicht so schnell “offizielles” Gehör, wie das in so eiligen Verfahren wünschenswert wäre.
Der Staatsanwalt verwies auch darauf, beim Beschuldigten sei einen Tag zuvor ein Nokia-Handy nebst Ladegerät in der Zelle gefunden worden. Die Auswertung der Ruflisten habe ergeben, dass der Beschuldigte mit dem Anwalt, der ihn gern besuchen würde, telefoniert hat. Punkt.
Mir fehlt da jetzt ein wenig die logische Stringenz. Einschieben sollte ich, dass dem Kollegen wohl kaum ein Vorwurf zu machen ist – auch wenn das Schreiben des Staatsanwalts sehr danach klingt.
Jeder Verteidiger bekommt Anrufe von Beschuldigten aus der Untersuchungshaft. Selbst dann, wenn er noch nicht mandatiert ist. Auch in Gefängnissen arbeiten nämlich Menschen, die einen Blick für die Realitäten bewahrt haben. Vollzugsbeamte, aber insbesondere Sozialarbeiter, Psychologen und Seelsorger gestatten es immer mal wieder, dass ein Inhaftierter ihren Anschluss oder ihr Handy nutzt. Auch, um Kontakt mit einem Anwalt aufzunehmen.
Der Verteidiger musste also gar nicht wissen, dass ihn sein potenzieller Mandant über ein illegales Handy aus der Zelle anruft. Die bloße Tatsache des Anrufs belegt aber doch letztlich eher, dass der Beschuldigte Interesse daran hatte, dem Anwalt ein Mandat zu erteilen. Vielleicht hätte der Staatsanwalt da einen Tick weiter denken sollen.
Sein Vorgesetzter hat genau das übrigens gemacht. Der Anwalt beschwerte sich eine Etage höher und bekam die Besuchserlaubnis direkt vom Abteilungsleiter.