Polizeiprotokolle sind immer mit Vorsicht zu genießen. Das liegt zum einen daran, dass Beamte gern Normalsprech in Bürokratendeutsch konvertieren. Überdies besteht schon mal die Neigung, weniger das Gesagte festzuhalten, sondern das, was der Vernehmungsbeamte gern hören möchte. Was mit der ausgeprägten Abneigung vieler Befragter, sich das Protokoll noch mal richtig durchzulesen, zu verhängnsivollen Resultaten führen kann.
Kommunikationsprobleme treten jedoch nicht nur im Verhältnis Polizist – Bürger auf, sondern auch dienstintern. Mit einem schönen Beispiel durfte sich heute das Amtsgericht Düsseldorf beschäftigen. Es ging um einen Vorfall, der sich an Altweiber 2010 in der Düsseldorfer Altstadt zugetragen haben soll.
An diesem Tag schoben sich die Narren dicht an dicht durchs Kneipenviertel. Es heißt, die Stimmung sei aggressiv gewesen. Am Rande eines Polizeieinsatzes soll es dann zu einem Vorfall gekommen sein. Diesen hielt ein unbeteiligter Beamter später in einer “Lagemeldung” fest:
Der Beamte POK H. wurde durch einen Störer mindestens drei Mal in das Gesäß getreten. Als sich der Beamte umdrehte, sah er die Person auf sich zulaufen und zu einem Tritt ausholen. Diesen Angriff konnte der Beamte abwehren. Dem Beamten gelang es, an den Personalausweis der betreffenden Person zu kommen.
Der Polizist, der die Tritte abbekommen hatte, schrieb keinen eigenen Bericht. Er stellte auch keinen Strafantrag. Das hätte die zuständige Staatsanwältin stutzig machen können. Hat es aber nicht. Statt den Beamten selbst noch mal befragen zu lassen, klagte sie den vermeintlichen Übeltäter direkt wegen Körperverletzung an. Schönster Satz der Anklageschrift: “Die Zufügung der Schmerzen hatte der Angeschuldigte beabsichtigt.” Den fehlenden Strafantrag ersetzte die Staatsanwältin, indem sie das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahte.
Mit dem Inhalt der Lagemeldung, die zu der Anklage führte, hatte das, was der Polizist heute selbst vor Gericht erklärte, wenig zu tun. “Ja”, sagte er, “ich bin von hinten getreten worden.” Wer das war, habe er aber wegen des Rummels nicht gesehen. Er sei mit jemandem vor sich beschäftigt gewesen. Als er sich umdrehte, sei der Angeklagte irgendwie auf ihn zugekommen. Vielleicht sei er auch geschoben oder geschubst worden. Der Angeklagte habe aber nicht zu einem Tritt ausgeholt, wie das in der Lagemeldung steht. Dementsprechend habe er ihn auch nicht abwehren müssen, wovon ebenfalls in dem Dokument die Rede ist.
Das Fazit des Polizisten: “Der Angeklagte kann mich getreten haben. Es kann aber ebenso jeder andere von den 30, 40 Leuten gewesen sein, die direkt hinter mir waren. Ich habe es definitiv nicht gesehen.”
Deshalb, wunderte sich der Polizist, sei ihm nicht klar, wie es zu einer Gerichtsverhandlung kommen könne. Weder die Richterin noch ich hatten jedoch sonderliches Interesse, das Offensichtliche zu hinterfragen. Der Beamte am Schreibtisch, dem die Lagemeldung aus der Feder geflossen war, hatte entweder nicht hingehört oder die Sache mächtig aufgebauscht. Vielleicht auch beides.
Den unvermeidlichen Freispruch auf Kosten des Steuerzahlers trug am Ende selbst die Staatsanwaltschaft mit.