Es klingt nach einem vorgezogenen Aprilscherz, scheint aber wahr zu sein: Hartz-IV-Empfänger dürfen momentan kein Lotto spielen. Das Landgericht Köln hat es “Westlotto” untersagt, Spielscheine oder Rubbellose an Empfänger von Sozialleistungen abzugeben. Ein Gerichtssprecher soll die einstweilige Verfügung gegenüber der Westdeutschen Zeitung bestätigt haben.
Geklagt hat ein Glücksspielanbieter aus Malta. Seine juristische Stütze findet der Vorstoß offenbar im ewigen Streit um das Glücksspielmonopol und die von den Gerichten geforderte Spielsuchtprävention. Gerade die öffentlichen Lottoveranstalter rechtfertigen ihre Quasi-Monopol mit den hohen Suchtgefahren des Glücksspiels. In diesem Rahmen ist es den Klägern wohl gelungen, das Landgericht Köln davon zu überzeugen, dass nur Lotto spielen darf, wer über Sozialhilfeniveau verdient. Die Richter untersagten Westlotto nämlich, Spiel- oder Wettscheine oder Rubbellose an Personen zu verkaufen, die “Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen stehen, insbesondere Hartz-IV-Empfänger sind”. So zitiert die Westdeutsche Zeitung aus dem Gerichtsbeschluss.
Bei Westlotto sei man über die Entscheidung schockiert, meldet die Zeitung. Ein Firmensprecher wird mit den Worten zitiert, man wolle die Entscheidung selbstverständlich respektieren, aber alle Rechtsmittel ausschöpfen.
Wie die Lottoveranstalter die Vorgaben praktisch umsetzen wollen, wird (noch) nicht erklärt. Immerhin wird ja kein Hartz-IV-Empfänger freiwillig seinen Bewilligungsbescheid vorlegen – um dann kein Los verkauft zu erhalten. An sich ist nur der umgekehrte Weg denkbar: Potenzielle Lottospieler müssen durch Vorlage geeigneter Belege nachweisen, dass sie über ein Einkommen verfügen, bei dem die Kosten für einen Spielschein noch “im Verhältnis” stehen.
Fragt sich nur, wie viel Prozent der Lottospieler zu einem Finanzstriptease bereit sind. Aber auch Hartz-IV-Empfänger werden sich die Teilnahme überlegen. Sie müssen ja damit rechnen, dass ihnen ein möglicher Gewinn wegen Verstoßes gegen das Glücksspielrecht gar nicht ausgezahlt wird.
Auf Seiten der Betroffenen regt sich bereits Widerstand. Das Erwerbslosen Forum Deutschland rügt offene Diskriminierung und spricht von Kastendenken. Eine ganze Bevölkerungsgruppe werde instrumentalisiert, um den Streit über privates und öffentliches Glücksspiel in Deutschland auszutragen. Die Hartz-IV-Lobby ruft Betroffene auf, sich in einem Forum als Lottospieler zu outen und so gegen die “absurde und skurrile Entscheidung” zu protestieren.
Nachtrag: Nach einem Bericht der Welt bezieht sich die einstweilige Verfügung auf Sportwetten (Oddset). Nachtrag zum Nachtrag: Die einstweilige Verfügung soll sich doch auf öffentliches Glücksspiel insgesamt beziehen. Dazu gehört auch Lotto (dpa-Bericht).