Eine Justizvollzugsanstalt darf einem männlichen Gefangenen das Tragen von Damenbekleidung nicht ohne weiteres verbieten. Allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen oder die bloße Sorge vor Übergriffen anderer Gefangener rechtfertigen solche Maßnahmen nicht. Dies hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle entschieden.
Ein Gefangener in einer niedersächsischen Justizvollzugsanstalt hatte bei der Anstaltsleitung die Erlaubnis dafür beantragt, Damenober- und -unterbekleidung erwerben und diese nach Einschluss tragen zu dürfen. Er begründete dies damit, seit längerer Zeit transsexuell zu sein und eine so genannte Alltagserprobung als Frau durchführen zu wollen.
Die Anstaltsleitung lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die erstrebte Alltagserprobung könne innerhalb einer Haftanstalt nicht sozialverträglich vorgenommen werden. Außerdem sei der Schutz des Gefangenen vor möglichen Übergriffen anderer Gefangener wichtiger einzuschätzen als seine sexuelle Orientierungslosigkeit. Selbst das Tragen der Damenbekleidung erst nach Einschluss berge die Gefahr, dass die Sachen von anderen Mitgefangenen entdeckt würden.
Nachdem die Vorinstanz noch anders entschieden hatte, gab das Oberlandesgericht Celle dem Gefangenen recht. Die Alltagserprobung in der Haftanstalt könne schon deshalb nicht sozialunverträglich sein, weil der Gefangen die Damenbekleidung nach Einschluss in seiner Zelle und damit ohne Kontakt zu anderen tragen wolle.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das spezielle geschlechtliche Diskriminierungsverbot berechtigen nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich auch einen Mann zum Tragen von Damenbekleidung. Ein Verbot könne daher nicht aus allgemeinen Zweckmäßigkeitserwägungen ergehen, sondern müsse vielmehr zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalt erforderlich sein.
Die Möglichkeit, dass der Gefangene im Falle des Entdeckens entsprechender Kleidungsstücke sexuellen und gewalttätigen Angriffen anderer Gefangener ausgesetzt sein könnte, könne zwar grundsätzlich zu einem Verbot führen. Jedoch müsse die Anstaltsleitung vorrangig gegen jene vorgehen, die den Gefangen bedrohen. Es sei der falsche Weg, gegen einen Bedrohten vorzugehen, der nur die ihm zustehenden Rechte ausübt. Erst, wenn die Möglichkeiten der Einwirkung auf die Mitgefangenen ausgeschöpft seien, dürfe das Tragen der Damenbekleidung im Einzelfall abgelehnt werden.
OLG Celle, Beschluss vom 9. Februar 2011, Aktenzeichen 1 Ws 29/11 (StrVollz)