Der Einsatzbefehl für die Polizei kam an einem Sonntagmorgen im Hochsommer, es war gegen fünf Uhr:
In der vor Ort befindlichen Parkanlage soll ein Pärchen den Geschlechtsverkehr vollziehen. Der Mitteiler soll das Paar angesprochen haben, allerdings ließen sich die beiden nicht stören.
Bei Eintreffen konnten tatsächlich die beiden Beschuldigten angetroffen werden. Als die beiden erkannten, dass die Polizei eingetroffen war, unterbrachen sie den Akt. Weder der Mitteiler noch sonstige Zeugen waren nach den vollzogenen Maßnahmen noch vor Ort.
Die erwähnte vollzogene Maßnahme ist übrigens nicht das Geturtel im Gras, sondern ein von der Polizei sogleich ausgesprochener Platzverweis. Dabei ließen es die Beamten jedoch nicht bewenden. Sie schrieben eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und setzten so ein Ermittlungsverfahren in Gang.
Der zuständige Staatsanwalt und ich diskutierten später über die Auslegung des Paragrafen. Strafbar macht man sich bei Sex in der Öffentlichkeit nämlich nur, wenn man „absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt“. Man muss also damit rechnen oder es zumindest in Kauf nehmen, beobachtet (oder vielleicht auch nur gehört) zu werden. Außerdem bedarf es eines Außenstehenden, der sich über die Darbietung ärgert. Wobei der Ärger schon etwas heftiger sein muss.
Schon über den Vorsatz der Mandanten hätte sich streiten lassen. Immerhin lagen sie nicht auf einer Wiese, sondern unter einem Baum. Die Stelle war vom Fußweg auch nicht ohne weiteres einsehbar, denn dazwischen stehen Büsche. In aller Frühe am Sonntagmorgen kann man sich da durchaus alleine fühlen. Zumal die von der Polizei gewählte Bezeichnung „Park“ euphemistisch ist. Es handelt sich um einen breiten, begehbaren Grünstreifen zwischen Wohngebiet und Schnellstraße.
Aber all diese Fragen müssen nicht geklärt werden. Der einzige Zeuge, der wohl gerade seinen Hund Gassi führte, wurde nämlich später noch mal vernommen und gab einige Details zu Protokoll. So will er die Polizei nur gerufen haben, weil er es entfernt für möglich hielt, dass es sich nicht um einvernehmlichen Sex handelte.
Der Anblick sei für ihn auch nicht erbaulich gewesen. Aber:
Einen sittlichen Schaden habe ich dadurch nicht erlitten.
Letztlich waren wir uns also einig, dass es wohl am „Ärgernis“ im Sinne des Gesetzes fehlt. (Und auch darin, dass sich alle Seiten die Hauptverhandlung in Anwesenheit der Boulevardpresse ersparen sollten.)
Verfahren eingestellt. Ich muss jetzt noch eine Rechnung schreiben. Deren Endbetrag liegt deutlich über dem, was ein schönes Hotelzimmer gekostet hätte.