Der Schein trügt. Nur auf den ersten Blick hat das Landgericht Münster die Langsamkeit in einem heiklen Verfahren entdeckt. Die 8. Große Strafkammer hatte zwar schon vor eineinhalb Jahren die schwerwiegende Anklage der Staatsanwaltschaft zugelassen und sich seitdem mit einem Verhandlungstermin schwer getan. Jetzt aber wird der Chefin des Duisburger Herzzentrums und ihrem Freund doch noch der Prozess gemacht – vier Jahre nach den ersten Ermittlungen.
„Die Vorladungen werden jetzt zugestellt“, bestätigte Behördensprecherin Karin Waldeyer-Gellmann auf Anfrage. Die Verhandlung beginne Mitte Mai. 10 von 13 Anklagepunkten der Staatsanwaltschaft sind gegen Sabine D. zugelassen worden, die elf Vorwürfe gegen ihren Lebensgefährten im vollen Umfang.
Die Medizinerin soll während ihrer Zeit an der Universitätsklinik Münster gemeinsam mit ihrem Freund anonyme Schreiben verschickt haben, in denen sie dem Klinikum vermeintliche Fehler vorwarfen. Die Briefe gingen an die Generalstaatsanwaltschaft Hamm, an Angehörige Verstorbener und Journalisten. Ziel soll es gewesen sein, dem Leiter der Herz-Thorax-Chirurgie in Münster zu schaden.
Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer erläutert seine Sicht: „Frau D. hat versucht, den Leiter der Herz-Thorax-Chirurgie zu diskreditieren, damit dieser vorzeitig aus dem Dienst entfernt wird. Sie wollte früher als geplant Leiterin der Herzabteilung werden.“
Wegen siebenfacher Verletzung von Privatgeheimnissen muss sich D. cerantworten. Laut Anklage hat sie Informationen von Patienten weitergegeben. Außerdem wird sie der falschen Verdächtigung, der versuchten Nötigung, der Verleumdung und eines Verstoßes gegen das Datenschutzgesetzt beschuldigt.
Gegen ihren Lebenspartner, einen Unternehmensberater, besteht der „hinreichende Verdacht“, in neun Fällen personenbezogene Daten unbefugt verbreitet zu haben. Überdies wird ihm Verleumdung, Nötigung und falsche Verdächtigung vorgeworfen.
Bei der Höhe der denkbaren Strafhöhe wäre normalerweise das Amtsgericht zuständig. Das Landgericht Münster hatte sich aber dem Standpunkt der Staatsanwaltschaft angeschlossen. Die hat dem Verfahren (mit einem großen Umfang und wahrscheinlich 34 Zeugen samt vielen Sachverständigen) eine „besondere Bedeutung“ unterstellt. Ein entsprechend langer Prozess wird erwartet.
Der kommt nun auch auf das Duisburger Herzzentrum zu, wo D. derzeit arbeitet. Die Chefärztin wird auf der Anklagebank sitzen und nicht operieren können. Geschäftsführer Otto Eggeling ist überrascht („Wir wissen vom Prozess nichts“), hält aber an Sabine D. fest: „Wir wollen keine Vorverurteilung. Wir sind mit Frau D. sehr, sehr zufrieden.“
Das Gegenteil ist aus der Universität Münster zu hören. Von dort kommen auf D. und ihren Partner zivilrechtliche Forderungen zu. Die Uniklinik behauptet , durch die Rufmordkampagne sei ihr ein Millionenschaden entstanden.
Die Klage auf 1,5 Millionen Euro Schadensersatz wurde zunächst vom Arbeitsgericht Münster abgelehnt. „Wir sind in die Berufung gegangen“, sagt Kliniksprecherin Simone Hoffmann. Mit den Forderungen beschäftigt sich momentan das Landesarbeitsgericht Hamm. (pbd)