Von Ostern bis Oktober

In Berlin und den Ländern wird derzeit hitzig an der Winterrreifenpflicht gemerkelt. Noch im kommenden Monat soll die Straßenverkehrsordnung geändert werden. Viele Bürger nähern sich ob der Hektik und Ungewissheit dem Verwirrtheitsstadium diverser Politiker an. Sie wissen selbst nicht mehr ein und aus und montieren ihre Winterreifen von „Ostern bis Oktober“:

Nun ja, man kann ja nie wissen.

Immerhin wird, wenige Tage vor dem möglichen Inkrafttreten, woanders immerhin schon ein Entwurf der neuen Regelung kolportiert:

Bei Schneeglätte, Schneematsch, Reifglätte oder Glatteis darf ein Kraftfahrzeug nur mit Reifen gefahren werden, deren Laufflächenprofil, Laufflächenmischung oder Aufbau für die genannten winterlichen Wetterverhältnisse ausgelegt sind (Winterreifen).

Wenn der Text stimmt, ändert sich erst mal gar nicht viel. Denn entgegen zahlreicher Presseberichten wird damit keine generelle Winterreifenpflicht eingeführt. Vielmehr müssen solche Reifen nur „bei Schneeglätte“ und sonstigen Unbilden aufgezogen sein. Mit anderen Worten: Winterreifen-Verweigerer dürfen auch künftig im Winter Auto fahren – ein Bußgeld riskieren sie nur bei Winterwetter. Wer also bereit ist, sein Auto bei diesem Wetter stehen zu lassen, muss nicht auf Winterreifen umsteigen.

Ob die neue Regelung so viel weniger schwammig ist als die alte, darf man bezweifeln. Schon die Beschreibung der „winterlichen Wetterverhältnisse“ wird Verkehrsjuristen genug Ansatzpunkte für erbitterte Auslegungsdebatten vor Gericht bieten. Auch die Frage, was ein Reifen können muss, um ein „Winterreifen“ zu sein, wird angesichts der aufgeführten Kriterien nicht ganz einfach zu beantworten sein.

(Danke an Jochen H. für den Zeitungsausschnitt)

Wenn kostenlos kostet

Im Jahr 1996 habe ich fürs Büro ein Tagesgeldkonto bei der Comdirect eröffnet. Im Laufe der Jahre hat sich auch bei unseren Bankverbindungen einiges geändert; jedenfalls haben wir das Tagesgeldkonto auf Null gestellt und etliche Jahre nicht genutzt. Im Rahmen einer kleinen Aufräumaktion habe ich es letzte Woche gekündigt.

Das sollte eigentlich kein großer Akt sein. Immerhin war das Konto „kostenlos“. In den Eröffnungsunterlagen, die ich noch habe, ist mehrfach „kostenlose Kontoführung“ zugesagt. So war es viele Jahre auch. Kontoführungsgebühren: null. Portokosten: null. Umso erstaunter war ich, als mir die Comdirect jetzt mitteilte, das Konto könne zwar gelöscht werden – aber erst nach Ausgleich eines Saldos von 6,96 €.

Ein Blick in die Auszüge ergab tatsächlich das besagte Minus. Für jeden „Finanzreport“ stellte die Bank seit geraumer Zeit zunächst 0,55 € Porto, später 1,50 € „Versandpauschale“ in Rechnung. Doch nicht nur das. Für den Saldo berechnet die Comdirect außerdem noch 14,4 % Überziehungszinsen. Im letzten Abrechnungszeitraum waren das stolze 16 Cent.

Kostenlos scheint in der Bankenwelt eine relative Aussage zu sein. Ich habe der Bank mal einen höflichen Widerspruch zukommen lassen. Mit der Bitte doch mal mitzuteilen, wie und wann sich unser Vertrag rechtswirksam geändert hat und kostenpflichtig geworden ist. Und mit dem Hinweis, dass der Rechnungsabschluss eine gesetzliche Pflicht ist und ja eigentlich der Grundsatz gilt, dass Banken für die Erledigung eigener Aufgaben den Kunden nicht bluten lassen dürfen.

Ansonsten hoffe ich natürlich auf Kulanz.

Nachtrag: Die Bank verzichtet aus Kulanz auf die Gebühren.

Resistent

Der gegnerische Anwalt hatte sich eigentlich klar ausgedrückt:

Wir haben unserer Mandantin geraten, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben.

Von seiner Mandantin kam dann auch ein Schreiben. Darin verpflichtete sie sich, eine bestimmte Rechtsverletzung in Zukunft sein zu lassen. Die „geforderte“ Unterlassungserklärung war das allerdings nicht. Die Dame hatte das Vertragsstrafeversprechen durchgestrichen. Ohne diese Zusage ist die Erklärung aber juristisch kaum was wert.

Der offene Widerspruch zwischen der Ankündigung des Anwalts und dem, was seine Mandantin umsetzte, ließ mich das Telefon bemühen. Der Anwalt bestätigte das, was ich schon vermutet hatte. Seine Mandantin hat nicht etwa was falsch verstanden. Sie ist, wie man so schön sagt, beratungsresistent.

Hoffentlich ist sie auch flüssig. Ganz billig wird der Prozess nämlich nicht.

Geisterfahrer des Lebens

Die Nebenklägerin im Prozess gegen Jörg Kachelmann ist heute mit einem kleinen Schauspiel aufgefallen. Bei der Fahrt zum Gericht hielt sie ein Buch vors Gesicht und damit in die Objektive der versammelten Presse. Titel: „Der Soziopath von nebenan. Die Skrupellosen: ihre Lügen, Taktiken und Tricks.“

Die Aussage der amerikanischen Autorin Martha Stout: Mindestens einer von 25 Mitmenschen hat kein Gewissen und keine Gefühle gegenüber Mitmenschen. Ihm fehlt die Fähigkeit, Scham, Schuld oder Reue zu empfinden. Oft verbergen diese Soziopathen ihre Regungslosigkeit hinter einer Maske der Freundlichkeit und Verbindlichkeit.

Es lohnt sich, die Rezensionen bei Amazon zu lesen:

Dieses Buch kann eine Erklärungshilfe für die oft verständnislos zurückgebliebenen Opfer gewissenloser Menschen sein.

Es gibt „böse“ Menschen!

Sie sind die schaurigen Geisterfahrer des Lebens, die sich wundern, weshalb Ihnen alle entgegenkommen und noch frechgrinsend den Finger zeigen. Welch verstörender Gedanke. Umso mehr, als diese Persönlichkeitsstörung als unheilbar gilt und fast nie festgestellt wird, da der Otto-Normal-Soziopath (aus Funk und Fernsehen auch als Psychopath bekannt) nur selten serienkillend mit der Kettensäge durch die Nachbarschaft zieht. Viele bleiben strafrechtlich unauffällig…

Bei Amazon.com gibt es noch 291 weitere Besprechungen. Kostprobe:

After feeling the pain inflicted by a sociopath, this book gives cold comfort that to be human is to be naive in the eyes of a sociopath. Our humanity is our weakness and their ability to imitate humans is their strength. If you are the trusting sort it will be used against you and you will be duped and deceived again and again.

Das Signal war also überlegt und sehr gut inszeniert. Immerhin ist die Absenderin ja auch Journalistin. Der (innerliche) Katzenjammer dürfte sich aber schnell einstellen, wenn der Kick abgeklungen ist, den so ein inszeniertes Signal auslöst. Die Nebenklägerin dokumentiert nämlich ihren eigenen überbordenden Hass auf den Ex-Freund. Außerdem zeigt sie, dass sie sich zu einer Mission berufen fühlt: Aufklärung über die wirklich „bösen“ Menschen unter uns.

Ob die Botschaft ein paar Prozent Glaubwürdigkeit wert war, die der Frau mit dem heutigen Auftritt abhanden gekommen sind? Immerhin wird die Inszenierung ihrerseits in Fachbüchern fortleben. Als Musterbeispiel für Aggravation. Damit hätten wir womöglich schon zwei Geisterfahrer.

Nachschlag

Eine erfreuliche Nachricht für alle, die schon bei der aktuell laufenden Buchverlosung mitgemacht haben. Autor Tim Oliver Feicke legt wegen der großen Resonanz (bisher über 700 Teilnehmer) noch mal fünf Bücher seines Werks „Komme nicht zum Termin, bin in Südsee: Aktenperlen aus der Justiz“ drauf.

Wir verlosen also nicht fünf, sondern insgesamt zehn der druckfrischen Bände. Damit es zeitlich nicht zu knapp wird, verlängert sich der Teilnahmeschluss auf Donnerstag, 28. Oktober.

Für die Teilnahme genügt auch ein Kommentar zu diesem Beitrag. Die zehn Bücher werden unter allen Teilnehmern verlost, egal in welchem Beitrag sie gepostet haben. Bitte die gültige E-Mail-Adresse nicht vergessen.

Legales Windows 7

Computerhersteller Lenovo verkauft mit neuen Computern nicht irgendein Windows 7. Sondern „legales Windows 7“:

Das lässt den Kunden natürlich ruhig schlafen. Ob damit aber auch eine Aussage über das Windows 7 verbunden ist, welches die Konkurrenz ohne Zusatz unter die Leute bringt? Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist ja wettbewerbsrechtlich nicht ganz ungefährlich…

(Danke an Jonas Breyer für den den Screenshot)

Teilen Sie uns mit…

Als Bürger hat man ja so seine Rechte. Als Zeuge muss man etwa nichts sagen oder schreiben, wenn das Ordnungsamt einen „Anhörungsbogen“ schickt. Anders sieht es nur aus, wenn einen der Richter vorlädt – was dann doch eher selten passiert. Von der üblichen Drohung mit dem Fahrtenbuch kann man auch halten, was man will. Nach meiner Erfahrung beißen bellende Hunde meistens nicht.

Unabhängig davon, dass man auch als „Zeuge“ mit dem Ordnungsamt sowieso nicht kommunizieren muss, gibt es im für jedermann noch besondere Rechte. Das Zeugnisverweigerungsrecht zum Beispiel, wenn man nahe Verwandte belasten müsste. Oder die Möglichkeit, nichts zu sagen, wenn man sich selbst in die Pfanne hauen könnte. Das ist jener Paragraf, den auch das Landgericht Mannheim im Fall Kachelmann lieber unter den Tisch gekehrt hätte.

Über diese Rechte ist der Bürger natürlich zu belehren. Auch die Stadt Emden, Fachdienst Öffentliche Sicherheit und Straßenverkehr, tut dies selbstverständlich. Allerdings in ziemlich holpriger Art und Weise:

Wohl dem, der wie ich ein Aufbaustudium Bürokratendeutsch absolviert hat. Besonders gefällt mir allerdings dieser Satz:

Teilen Sie uns daher … auch die Personalien der verantwortlichen Fahrzeugführerin / des verantwortlichen Fahrzeugführers mit, selbst wenn Sie von Ihrem Zeugnis- / Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen.

Leser Maik R. hat mir dieses Kleinod nicht zur zugesandt, sondern es auch treffend kommentiert:

Ich bin zwar juristischer Laie, aber das klingt für mich widersinnig. Entweder ich verweigere die Angaben oder nicht.

Allmachtsfantasien

Ist es bei Straßenverkehrsdelikten erforderlich, dass ein Richter die Blutprobe anordnet? Darüber wird gerade heftig diskutiert. Fakt ist aber: Noch steht der Richtervorbehalt im Gesetz. Staatsanwalt oder Polizei dürfen die Blutprobe nur bei „Gefahr im Verzuge“ anordnen.

Wann ist Gefahr im Verzuge gegeben? Dazu sind in letzter Zeit viele Urteile ergangen. Sie weichen im Ergebnis durchaus voneinander ab. Einige Punkte sind jedoch klar. Gefahr im Verzug liegt nie vor, wenn die Blutprobe zu einer Tageszeit angeordnet wird, zu der man einen Ermittlungsrichter problemlos erreichen kann.

Das scheint Mitarbeitern einer Polizeibehörde in Nordrhein-Westfalen schlichtweg nicht bekannt zu sein. Dummerweise aber auch nicht dem zuständigen Staatsanwalt. Diese durchaus bemerkenswerte Kombination an Unwissenheit und/oder Unlust führte zu einer Vergewaltigung der Strafprozessordnung, wie selbst ich sie schon lange nicht mehr erlebt habe.

Es war ein normaler Donnerstag. Um 13.38 Uhr geriet mein Mandant in Verdacht, alkoholisiert Auto gefahren zu sein. Eine Zeugin hatte ihn angezeigt. Zwei Streifenwagen sausten los, trafen meinen Mandanten in seiner Wohnung an. Nach einiger Diskussion musste mein Mandant mit zur Wache. Dort riefen die Polizeibeamten den zuständigen Staatsanwalt an. Nach dem Gespräch vermerken sie, der Staatsanwalt habe die Blutprobe angeordnet.

Da kein Polizeiarzt aufzutreiben war, wurde mein Mandant ins Krankenhaus gebracht. Dort verweigerte er die Blutprobe mit dem Hinweis, die Polizei dürfe die Blutprobe nicht anordnen. Der Polizeibeamte erklärte ihm hierauf, er müsse die Blutprobe dulden, denn, so heißt es in der Strafanzeige, der Staatsanwalt habe die Blutprobe angeordnet.

Mein Mandant weigerte sich weiter. Statt mal darüber nachzudenken, warum er das tut, forderten die Beamten Verstärkung an. Sie „fixierten“ meinen Mandanten mit Gewalt auf einer stählernen Liege. Der Krankenhausarzt entnahm die Blutprobe.

Mit einem Richter hat niemand gesprochen – obwohl mein Mandant die Polizisten ja nun weiß Gott drauf gestoßen hat. Es gab noch nicht mal den Versuch, einen Richter zu erreichen. Obwohl der Ort zum Einzugsbereich eines der größten Amtsgerichte in Nordrhein-Westfalen gehört. An diesem Gericht sind jeden Werktag mindestens zwei Ermittlungsrichter im Einsatz. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Dass Polizeibeamte sich nicht um die Rechtslage scheren, muss einen nicht wundern. Zu eingefahren scheint noch die jahrzehntelange, dann aber vom Bundesverfassungsgericht gestoppte Praxis, bei jeder vermeintlichen Alkoholfahrt „Gefahr im Verzuge“ zu bejahen. Dass sich da so mancher Beamte angestammte Kompetenzen nicht nehmen lassen will, mag ein natürlicher Reflex sein. Zumal er gleichzeitig auf Arbeitsvermeidung gerichtet ist.

Aber schon hier balanciert die Polizei auf dem Drahtseil. Es gibt Urteile, die ein komplettes Beweisverwertungsverbot jedenfalls annehmen, wenn der Richtervorbehalt nicht in – aus Unwissen gespeistem – gutem Glauben ausgehebelt wird. Sondern „willkürlich“.

Diese Willkür liegt im vorliegenden Fall allerdings weniger bei der Polizei. Unbegreiflich ist an sich eher die Attitüde des Staatsanwalts, der die Blutprobe mal so einfach anordnet, statt pflichtgemäß den Richter zu fragen. Unkenntnis wird man einer Person in dieser Stellung ja wohl kaum unterstellen können. Obwohl das fast noch der schmeichelhafteste Erklärungsansatz wäre. Neben einer Scheißegal-Haltung gegenüber dem Gesetz. Oder Allmachtsfantasien.

Brisant wird die Sache dadurch, dass meinem Mandanten ja nicht nur die Alkoholfahrt zur Last gelegt wird. Die Polizei hat es sich natürlich nicht nehmen lassen, ihn auch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte anzuzeigen. Der Widerstand ist aber dann nicht strafbar, wenn die Handlungen der Polizeibeamten selbst rechtswidrig waren.

Darüber werden wir jetzt mal ganz intensiv diskutieren.

„Aktenperlen“ zu gewinnen

Die Erschienen zu 2) und 3) befinden sich seit der Eheschließung der Erschienen zu 1) und 4) im Jahre 1994 in deren Haushalt und werden seitdem wie gemeinsame Kinder gehalten.

In der Familiensache werden wir beantragen, zu erkennen, was rechtens ist.

Tim Feicke sitzt als Richter an der Quelle juristischer Stilblüten. Was lag also näher, als diese „Aktenperlen“ zu sammeln und als Buch herauszugeben? Überdies ist Tim Feicke Karikaturist. Seine Zeichnungen über den täglichen Wahnsinn in der Justiz erscheinen in der Deutschen Richterzeitung, im „Notar“ und der RENOpraxis – und nun auch erstmals in der druckfrischen Stilblütensammlung „Komme nicht zum Termin, bin in Südsee“.

Für die Leser des law blog hat der Autor fünf zehn Exemplare des Buches spendiert. Die Bände verlosen wir unter allen Teilnehmern. Wer mitmachen möchte, hinterlässt bitte bis Donnerstag, 28. Oktober 2010, zu diesem Beitrag einen Kommentar mit gültiger E-Mail-Adresse. Die Gewinner werden über die angegebene E-Mail-Adresse benachrichtigt.

Alle, die kein Glück haben, können das Buch auch für 7,80 € kaufen.

Hier geht’s zur Seite von Tim Feicke.

Ggf. polizeilich vorführen

Die Polizei lädt eine Zeugin zur Vernehmung vor. Die Zeugin kommt nicht. Der zuständige Polizeibeamte schreibt einen Vermerk. Dann schickt er die Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft, „zur weiteren Veranlassung“.

Jemand mit einer sehr krakeligen Unterschrift findet es bei der Staatsanwaltschaft weniger gut, dass die Zeugin nicht kommt. Offenbar erwartet er sich wichtige Angaben von ihr. Unter der Überschrift „Vfg.“ (Verfügung) wird die Akte postwendend an die Polizei zurückbeordert. Verbunden mit folgender Anweisung:

… die Zeugin ggf. polizeilich vorzuführen und dort zur Sache zu vernehmen.

Das dürfte den zuständigen Polizeibeamten verdutzt haben. Er schreibt einen Vermerk, wonach er mit dem „Herrn Dezernenten bei der StA“ telefoniert hat. Mit folgendem Ergebnis:

Die Verfügung ist nach Rücksprache als gegenstandslos zu betrachten.

Ich nehme an, der Polizist hat höflich gefragt, auf welcher Grundlage er die Zeugin einsacken und „dort“, d.h. auf dem Kriminalkommissariat, zur Sache vernehmen soll. Wo es eine gesetzliche Pflicht für Zeugen, mit der Polizei sprechen oder gar auf der Wache zu erscheinen, doch gar nicht gibt.

Der Staatsanwalt würde wahrscheinlich sagen, jeder hat mal einen schlechten Tag. Oder er wollte die Polizei halt mal testen. Spaß muss schließlich sein.

Schwarzsurfen in offenem WLAN nicht strafbar

Das „Schwarzsurfen“ in unverschlüsselt betriebenen fremden WLAN-Funknetzwerken ist nicht strafbar. Dies hat das Landgericht Wuppertal in einem Beschluss festgestellt.

Anlass für die Entscheidung war eine sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wuppertal gegen einen Nichteröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 03.08.2010. Die Staatsanwaltschaft hatte vor dem Amtsgericht die Eröffnung
der Hauptverhandlung gegen einen Angeschuldigten beantragt, dem sie vorwarf, mit seinem Laptop einen Ort in Wuppertal aufgesucht zu haben, an dem er sich in ein offenes und über einen WLAN-Router unverschlüsselt betriebenes fremdes Funknetzwerk
eingewählt haben soll.

Das Amtsgericht hatte eine Strafbarkeit dieses Verhaltens verneint. Die 5. große Strafkammer des Landgerichts hat diese rechtliche Bewertung nun bestätigt. Eine Strafbarkeit gemäß §§ 89 Satz 1, 148 Abs. 1 Nr. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) hält die Kammer nicht für gegeben, da der Einwählende nicht zwischen anderen Kommunikationspartnern vertraulich ausgetauschte Nachrichten wahrnehme, die § 89
Satz 1 TKG unterfielen, sondern der Einwählende selbst Teilnehmer eines Kommunikationsvorgangs werde.

Das Verhalten erfülle auch nicht den Tatbestand des unbefugten Abrufens oder Sich-
Verschaffens personenbezogener Daten gemäß §§ 43 Abs. 2 Nr. 3, 44 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Weder bei dem Einwählen in das unverschlüsselt betriebene Funknetzwerk noch der anschließend hierüber erfolgenden Nutzung des Internetzugangs würden personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG
abgerufen.

Auch Straftatbestände des Strafgesetzbuchs hält die Kammer nicht für erfüllt. Eine Strafbarkeit wegen eines Ausspähens von Daten gemäß § 202a StGB, wegen eines Abfangens von Daten gemäß § 202b StGB, wegen eines versuchten Computerbetruges gemäß §§ 263a Abs. 1 und 2, 263 Abs. 2, 22 StGB sowie wegen eines Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a StGB sei nicht gegeben.

Landgericht Wuppertal, Beschluss vom 19. Oktober 2010, 25 Qs 177/10

Anständige Arbeit für Kölner Richter

Zwischen der Ambahnindustrie und dem Landgericht Köln gibt es eine innige Beziehung. Die Abmahnanwälte stellen fast alle Anträge an das Landgericht Köln, wenn sie einen Provider zur Offenlegung verpflichten wollen, zu welchem Anschluss eine des Filesharings verdächtige IP-Adresse gehört. Das Landgericht Köln hat sich diese Spitzenstellung dadurch verdient, dass es Anträge ohne Erbarmen durchwinkt. Die zu hunderten, ja womöglich tausenden ergehenden Beschlüsse gleichen sich in der Begründung bis aufs Komma. Die zuständigen Richter dürften anständige Fallzahlen haben – und damit einen sehr bequemen Job.

Bei anderen Gerichten haben es die Abmahner auch versucht. Doch dort hält man sich aber etwas genauer ans Gesetz. Zulässig ist der Auskunftsbeschluss nämlich nur, wenn eine gewerbliche Urheberrechtsverletzung dargelegt wird. Nach den Kölner Richtern ist das regelmäßig schon der Fall, wenn das fragliche Lied oder der fragliche Film noch irgendwo im Handel angeboten wird. Andere Landgerichte haben die Abmahnindustrie abblitzen lassen, wenn diese die Gewerblichkeit nicht belegen konnten. Wie praktisch, dass der „fliegende Gerichtsstand“ für Internetdelikte das Landgericht Köln auch für Rechteinhaber zuständig macht, die in Hamburg, Berlin oder Leipzig sitzen.

Anschlussinhaber, die durch solche Beschlüsse „enttarnt“ wurden und Abmahnschreiben erhielten, nahmen das nicht immer kampflos hin. Aber nach Meinung des Landgerichts Köln hatten sie noch nicht einmal ein Beschwerderecht dagegen, dass ihr Provider zur Auskunft gegenüber der Musik- und Filmindustrie verpflichtet wird. Das Landgericht Köln versäumte es auch nie, auf dieses angeblich fehlende Beschwerderecht in seinen Beschlüssen hinzuweisen.

Ganz so einfach dürfte die Sache künftig nicht mehr sein. Das Oberlandesgericht Köln hat nämlich jetzt ein Beschwerderecht des Anschlussinhabers bejaht. Dieser könne sich sehr wohl mit dem Argument wehren, es liege jedenfalls keine „gewerbliche“ Urheberrechtsverletzung vor. Beschwerde eingelegt hatte ein Anschlussinhaber, der Titel aus einem bereits vor anderthalb Jahren erschienenen Album in eine Tauschbörse eingestellt haben soll. Hier, so das Oberlandesgericht, müsse die Musikindustrie besondere Umstände darlegen, die ein gewerbliches Ausmaß belegen. Das sei im entschiedenen Fall nicht ausreichend geschehen.

Gut möglich, dass sich mancher Zivilrichter in Köln demnächst wieder mit anspruchsvolleren Fällen beschäftigen muss. Zunächst aber wird wohl der Bundesgerichtshof das letzte Wort sprechen. Dort können sich jetzt nämlich noch die Rechteinhaber beschweren.

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 05.10.2010, 6 W 82/10)