Der treuherzige Chef

Der Kunde wollte mit der EC-Karte zahlen. Kein Problem für meinen Mandanten. Er gab den Vorgang erst in die Kasse ein, druckte den Bon über knapp 500 Euro. Dann zog er die Karte durchs Lesegerät. Das Lesegerät funktionierte leider nicht.

Bargeld hatte der Kunde nicht genug dabei. Den Einkauf wollte er natürlich trotzdem mitnehmen. Wiederum kein Problem für meinen Mandanten. Er war damit einverstanden, dass der Kunde den Kaufpreis in den nächsten Tagen überweist. Der Kunde sagte das zu. Er schrieb sich auch die Kontonummer des Geschäfts auf.

Einer Mitarbeiterin, die im Nebenraum saß, kam die Großzügigkeit ihres Chefs gleich spanisch vor. Sie notierte die Autonummer des Kunden, als dieser vom Parkplatz fuhr. Mit ihrem Gefühl lag sie richtig. Das Geld kam nämlich nicht. Auf die dritte Mahnung reagierte der Kunde. Die Forderung könne er ja nun gar nicht nachvollziehen, siehe Anlage.

Tja, dem Schreiben war tatsächlich was beigefügt. Eine Kopie des Kassenzettels. Mein Mandant nimmt an, dass er den Bon auf den Tresen gelegt hat, als er die EC-Karte durchs Lesegerät zog. Und dass der Kunde sich den Bon schon mal eingesteckt hat.

Nun ja, der Kunde hat eine Art halber Quittung. Wir die Zeugenaussage der Mitarbeiterin.

Ich werde bei Gelegenheit verraten, wer gewinnt.

Pony bleibt untätowiert

Was sich Menschen (freiwillig) antun, kann bei Tieren verboten grausam sein. Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Münster einem Tierhalter untersagt, seinem Pony eine Rolling-Stones-Zunge auf den Körper zu tätowieren. Die Entscheidung erging im Eilverfahren; der Besitzer hatte schon den rechten hinteren Oberschenkel des Tieres rasiert und die Motivvorlage aufgemalt.

Die Tätowierung eines warmblütigen Wirbeltieres verstößt nach Auffassung der Richter gegen das Tierschutzgesetz. Dieses verbiete es grundsätzlich, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen zuzufügen.

Auch wenn Tätowierungen am Menschen im Regelfall ohne Betäubung erfolgten, bedeute dies nicht, dass der mit derartigen Eingriffen in die Haut verbundene Schmerz bei einem Tier zu vernachlässigen sei. Bei der Frage nach der Vergleichbarkeit müssten sowohl die physiologischen Eigenschaften des Tieres wie auch seine Angst und seine Unfähigkeit, den Sinn des Schmerzes einzusehen und dessen zeitliche Dimensionen abzuschätzen, bedacht werden.

Im Gegensatz zu einem Tier könnten sich Menschen auf die mit einer Tätowierung verbundenen Schmerzen einstellen. Anders als ein Tier könnten sie die Prozedur jederzeit unter- oder gar abbrechen. Das Tier sei jedoch dem Willen des Tätowierers unterworfen.

Das erklärte Motiv des Antragstellers, „sein Pferd individuell verschönern“ zu lassen, sei kein vernünftiger Grund im Sinne des Gesetzes. Die Tätowierung diene hier nicht einer Kennzeichnung des Ponys, sondern allein einem individuellen und wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers. Der Ponybesitzer wollte nämlich mit einem „Tattooservice für Tiere“ Geld verdienen. Dieses Interesse sei auch nicht grundrechtlich geschützt.

Verwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 4. Oktober 2010, Aktenzeichen 1 L 481/10

Anwälte machen nicht nur Fehler

Gerichte fahren mitunter eine Arbeitsvermeidungsstrategie. Für diesen Erfolg wird auch gern mal das Prozessrecht entsprechend der eigenen Interessenlage strapaziert. Die Grenze des Erträglichen hat dabei das Oberlandesgericht Braunschweig überschritten. Dafür müssen sich die Richter vom Bundesgerichtshof mit deutlichen Worten rüffeln lassen.

Ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts hatte das Rechtsmittel eines Anwalts für eine Firma als unzulässig verworfen, weil der Jurist in der Ich-Form geschrieben hatte. Anlass hierfür war der Umstand, dass der Anwalt selbst ebenfalls an dem Verfahren beteiligt war; er hatte aus formalen Gründen Kosten aufgebrummt erhalten. Aus der Formulierung „lege ich Einspruch ein“ lasen die Richter, der Anwalt wolle nur für sich das Rechtsmittel erheben, nicht aber für die von ihm vertretene Firma.

Dazu der Bundesgerichtshof:

Die Auslegung von Prozesshandlungen … orientiert sich an dem Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht, wobei nicht unter allen Umständen am buchstäblichen Sinn der Wortwahl einer Partei festzuhalten ist.

Dem trage das Gericht nicht nur keine Rechnung, sondern es unterstelle dem Anwalt sogar Fehler, die bei vernünftiger Betrachtung gar nicht vorlägen.

Die Braunschweiger Juristen hatten sich nämlich nicht nur an der Ich-Form hochgezogen, sondern mussten dem Anwalt auch noch unterstellen, er habe das Rechtsmittel, das er angeblich nur für sich einlegen wollte, sogar falsch bezeichnet. Der Einspruch passte nämlich nur für die Firma; der Anwalt selbst hätte Beschwerde einlegen müssen.

Dazu der Bundesgerichtshof:

Das in diesem Zusammenhang geäußerte Argument des Berufungsge-
richts, auch Rechtsanwälten könnten bei der Formulierung von Rechtsmit-
teln/Rechtsbehelfen Fehler unterlaufen, macht die Ausnahme zur Regel.

Da Anwälte (manchmal) auch was richtig machen, muss der Fall neu verhandelt werden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Oktober 2010 – VI ZR 257/08

So schützt man sich

In der Dezemberausgabe der PCgo gibt eine Juristin aus der Schweiz Tipps, wie man sich vor Cyberkriminellen schützt:

1. Nutzen Sie für jedes Netzwerk, jeden ebay-Account und für Online-Banking ein Extra-Passwort.

2. Passwörter niemals aufschreiben.

Wirklich sehr lebensah. Zumindest für Gedächtniskünstler.

Knast für Charlotte

Öffentliches Ereignis – Strafanzeige. Dieser Reflex ist bei Juristen mittlerweile sehr ausgeprägt. Vor allem bei jenen, die sich nach 15 Minuten medialer Aufmerksamkeit sehnen, welche auch die bräsigste Anzeige erhält. Kurz gesagt: Die von Pressemitteilungen flankierte Anschwärzerei ist im Regelfall was für Leute, die sich für nichts zu taperig sind.

So moribund kann aber dann doch keiner sein, dachte ich vor einigen Tagen. Das war, als das Angebot von Charlotte Roche an den Bundespräsidenten durch die Presse ging. Charlotte Roche ließ verlauten, sie steige mit Billigung ihres Ehegatten mit dem ersten Mann des Staates in die Kiste, wenn dieser das geänderte Atomgesetz nicht unterschreibt.

Kurz kam mir der Gedanke, das könnte ja strafrechtlich problematisch sein. Wenn man den Herrn Wulff als „Amtsträger“ ansieht, wäre Vorteilsgewährung möglich. Oder sogar das noch bösere Delikt namens Bestechung. Das muss auch nicht an der Natur des Angebots scheitern. Sex gegen Amtshandlung ist nämlich nichts Neues. Die Gerichte hatten deshalb schon oft genug Anlass zur Feststellung, dass auch Dienste erotischer Art ein „Vorteil“ im Sinne des Strafgesetzes sein können.

Nach 0,99 Sekunden kam ich jedoch zum Schluss, es gibt vielleicht Pappnasen unter den Juristen. Aber so belämmert kann doch niemand sein, dem PR-Stunt aus dem Hause Roche auch nur einen Hauch von Ernsthaftigkeit unterzuschieben. Was ja, wie jedes Erstsemester weiß, für eine Straftat ziemlich unverzichtbar ist.

Ich habe die Rechnung ohne Passau gemacht. Dort gibt es Assessor Dr. Till Zimmermann. Zimmermann forscht an einem Strafrechtslehrstuhl der Universität und hat jetzt tatsächlich Strafanzeige gegen Charlotte Roche erstattet. Die Presse zitiert ihn mit der Begründung, er wolle mal sehen, wie die Verfolgungsbehörden mit Bestechung aus dem Volk umgehen.

Ich habe die dunkle Ahnung, dass Dr. Till Zimmermann eher rausfinden wird, wie Staatsanwälte mit bescheuerten Strafanzeigen umgehen können, wenn sie mal richtig sauer sind. Indem sie nämlich von der Möglichkeit Gebrauch machen, dem Anzeigenerstatter vom Gericht die Kosten des ohnehin absehbar kurzen Verfahrens aufs Auge zu drücken.

Aber was sind ein paar Euro Kosten gegen eine Erwähnung in der Lokalpresse und das ewige Andenken bei Google?

Diskussionen an der Gefängnispforte

Der Personalausweis als Pfand – so was soll bisher üblich gewesen sein. Zum Beispiel bei Autovermietern, in Sportstudios, Hotels und an Firmentoren. Ich kenne das nur beim Besuch von Gefängnissen oder forensischen Kliniken. Dort muss man den Personalausweis stets an der Pforte abgeben und kriegt ihn wieder, wenn der Besuch zu Ende ist.

Besser sollte ich wohl sagen: man musste. Denn mit einer Änderung des Personalausweisgesetzes, das seit Anfang des Monats gilt, dürfte diese Praxis jetzt vorbei sein. § 1 regelt nämlich folgendes:

Vom Ausweisinhaber darf nicht verlangt werden, den Personalausweis zu hinterlegen oder in sonstiger Weise den Gewahrsam aufzugeben.

Zu diesem Verbot hat den Gesetzgeber offensichtlich der Umstand motiviert, dass der neue Ausweis viel mehr kann als Personendaten speichern. Er soll ja zum umfassenden Tool für Identitätsmanagement werden. Klar, dass man diesen „Schlüssel“ ungern in fremden Händen sehen möchte.

Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen altem und neuen Ausweis. Demnach gilt das Herausgabeverbot auch für alte Dokumente. Die Vorschriften sehen auch nur wenige Ausnahmen vor, bei denen der Bürger doch seinen Personalausweis aus der Hand geben muss. Behörden, die zur Identitätsfeststellung berechtigt sind sind, muss man seinen Personalausweis geben. Außerdem, wenn er amtlich sichergestellt oder eingezogen wird.

Im Knast, so scheint mir, ist keine der Ausnahmen erfüllt. Die Identitätsfeststellung ist ja an Ort und Stelle möglich und damit abgeschlossen. Die Einbehaltung des Ausweises dient ganz anderen Zwecken – nämlich der Absicherung, dass kein anderer als der Besucher auf dessen „Ticket“ (meist eine Metallmarke mit Nummer) das Gebäude verlässt.

Wird interessant sein, wann die neue Rechtslage in den Anstaltsleitungen ankommt – und wie viel später man sie auch tatsächlich an der Pforte akzeptiert. Ich tippe auf ein paar Jahre und viele unerfreuliche Diskussionen. Ebenso wird es bei Firmen sein.

Eins hat sich im Personalausweisgesetz übrigens nicht geändert. Man ist nach wie vor nur verpflichtet, einen Personalausweis oder Reisepass zu besitzen. Dem genügt man auch, wenn der Personalausweis zu Hause in der Schublade liegt. Es gibt nach wie vor keine Pflicht, den Personalausweis dabei zu haben, auch wenn einem jeder zweite Polizist gern was anderes erzählt.

Ebenfalls zum Thema

Gewichtige Einschreiben

Die ersten Monate unserer Selbstständigkeit haben wir eigenhändig Telefondienst gemacht, Akten angelegt, gedruckt, kuvertiert – und die Kanzlei geputzt. Auch wenn das gut 15 Jahre zurückliegt, habe ich in der Zeit viel gelernt.

Zum Beispiel kenne ich mich mit dem Portosystem der Post aus. Drei DIN-A-4-Blätter in einem normalen Fensterbriefumschlag wiegen immer maximal 20 Gramm. Sie gehen noch als Standardbrief durch, der heute 0,55 € kostet. Vier Blätter in einem Fensterumschlag wiegen dagegen über 20 Gramm. Dieser Brief kostet heute 0,90 €.

Mit dieser Kenntnis war ich deshalb auch nur zunächst verwundert, als mir meine Kollegin von einem interessanten Erlebnis mit der Post erzählte. Sie musste in den letzten Tagen mehrmals etliche Einschreiben / Rückschein schicken, die sie abends selbst in die Filiale gebracht hat. Alle Sendungen steckten in einem Fensterumschlag und bestanden aus drei Blättern.

Das macht nach dem Tarifsystem der Post folgenden Preis:

Porto 0,55 Euro
Einschreiben 2,05 Euro
Rückschein 1,80 Euro

Gesamt 4,40 Euro

4,40 Euro hat die Kollegin in den meisten Fällen auch gezahlt. An zwei Tagen sollte jedes Einschreiben/Rückschein aber 4,75 Euro kosten. Auch das hat meine Kollegin bezahlt. Ein wenig komisch kam ihr die Tarifpolitik der Post aber schon vor.

Dabei liegt die Erklärung auf der Hand. Der Postmitarbeiter, der für höhere Umsätze sorgte, hat den Brief erst gewogen, nachdem er den Rückschein auf den Umschlag geklebt hat. Da dürften dann geringfügig mehr als 20 Gramm rausgekommen sein – was die Beförderungsleistung für den Brief um 35 Cent auf 0,90 Euro erhöhte.

Wenn es einem um den Cent geht, kann man am Postschalter sicher schöne Diskussionen führen. Vor allem stelle ich es mir interessant vor, wenn der Mitarbeiter den Rückschein erst mal wieder vom Umschlag knibbeln muss, um die Sendung korrekt zu wiegen…

„Bitte rufen Sie uns an!“

Post verpasst? Womöglich wichtige? Dieser Eindruck entsteht, wenn im Briefkasten eine Benachrichtigungskarte mit der Aufforderung „Bitte rufen Sie uns an!“ liegt. Wenn dann die Karte einer der Post oder eines anderen Dienstleister täuschend ähnelt, steigt fast immer die Neugier, aber auch die Sorge des Empfängers. Dass er dabei auf eine Werbung hereingefallen ist, wird meistens zu spät bemerkt.

So einen Bluff hat jetzt das Oberlandesgericht Hamm verboten (Aktenzeichen I-4 U 66/10). Wenn der werbliche Charakter einer Benachrichtigungskarte nicht offensichtlich sei, werde der Empfänger irregeführt. Er werde letztlich genötigt, die angegebene Telefonnummer anzurufen, weil er sich in Gefahr sehen könnte, eine vielleicht wichtige Sendung zu verpassen.

Im entschiedenen Fall steckte hinter der Karte nicht nur die angebliche Zustellung eines Infopakets mit Werbung, sondern am Telefon wurde auch nachgefragt, ob Interesse an Immobiliengeschäften und einem Beratungsgespräch besteht. (pbd)

Zunächst möchten wir darauf hinweisen

Bevor Medienanwälte aufs Thema kommen, merken sie gern was in eigener Sache an. Das liest sich dann so:

Zunächst möchten wir darauf hinweisen, dass dieser Schriftsatz urheberrechtlich geschützt ist und uns alleine die Rechte an der Nutzung, Bearbeitung und Verbreitung zustehen. Wir untersagen hiermit ausdrücklich jegliche Bearbeitung, Kommentierung, Veränderungen und insbesondere jede Veröffentlichung. Auch die Nennung des Namens unserer Kanzlei untersagen wir ausdrücklich. Sollten Sie gegen diese Untersagung verstoßen, verletzen Sie u.a. unsere Persönlichkeitsrechte.

Viele Pressekanzleien kommen ohne diesen oder ähnliche Textbausteine gar nicht mehr aus. Freilich ist die Rechtslage nicht ganz so einfach, wie sie dargestellt wird. Es gibt Gerichtsurteile in jede Richtung. Allerdings kristalliert sich folgende Linie heraus:

Einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung darf man veröffentlichen, wenn das Gericht die Verfügung erlassen, sich aber zur Begründung auf den Anwaltsschriftsatz bezieht. Der Schriftsatz wird damit zum Teil einer gerichtlichen Entscheidung, für die es grundsätzlich kein Urheberrecht gibt.

Bei anderen Schriftsätzen kommt es, wie so oft, auf den Einzelfall an. Gerichte untersagen keineswegs pauschal die Veröffentlichung von Anwaltsschreiben. Vielmehr wird meist zwischen dem (öffentlichen) Interesse an der Veröffentlichung und dem Eingriff in die Rechte des Anwalts abgewogen. Wobei die Persönlichkeitsrechte des Anwalts keineswegs sehr hoch gehängt werden – er äußert sich ja beruflich und nicht als Privatperson. Es läuft regelmäßig auf eine Einzelfallentscheidung hinaus. Es kann also nichts schaden, wenn man sich die wechselseitigen Interessen mal nebeneinander auf einen Zettel schreibt. Nicht anders „wiegt“ am Ende auch das Gericht.

Forsche Ansagen wie die obige müssen also nicht unbedingt abschrecken. Die Zeit und das Geld für eine weitere juristische Auseinandersetzung sollte man aber mitbringen. Manche Kanzleien sind auch in eigener Sache extrem klagefreudig.

Selbst wenn man sich zur Publikation entschließt, kann es nicht schaden, zumindest den Namen und die Kontaktdaten des Anwalts zu schwärzen. Um den Anwalt geht es ja meist ohnehin nur am Rande…

Deaktivierungsgebühr reloaded

Abzocke bei Ablauf des Mobilfunkvertrages: Wer nach Ende seines Handyvertrags die SIM-Karte nicht retour schickt, muss bei sieben von 25 Anbietern zahlen. Bis zu 29,65 Euro werden berechnet, hat die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ermittelt. Die Begründungen für die Klauseln im Kleingedruckten erscheinen skurril.

Während es zehn Unternehmen ihren Kunden überlassen, was sie mit den ausrangierten SIM-Karten anstellen, fordern acht in ihren Geschäftsbedingungen, mehr oder weniger nachdrücklich, die Rückgabe. Weitere sieben Unternehmen bekräftigen diese Aufforderung noch mit einem deftigen Kartenpfand und bitten ihre Kunden damit tatsächlich zur Kasse.

Das bedeutet: Wer seine SIM-Karte nicht zurückgibt, zahlt bei Talkline 9,97 Euro, bei sechs Partner- und Tochterunternehmen der Drillisch AG sogar 29,65 Euro.

Raffiniert dabei: Die Beträge werden meist mit einer der beiden letzten Rechnungen eingezogen. Nur wer den Pfand-Posten entdeckt und die SIM-Karte retour schickt, bekommt das Geld erstattet. Mal bleibt den Kunden dafür eine Frist von 14 Tagen (Talkline), mal verfällt das Pfand nach drei Wochen (Drillisch-Gruppe).

Peter Eggers von der Drillisch AG begründet die Praxis mit dem Datenschutz: „Da sich auf der SIM-Karte kundenunabhängige Daten Dritter befinden, ist ein Rückforderung sinnvoll.“ Es sei auch im Interesse der Kunden, die Karten „fachgerecht unbrauchbar“ zu machen. Eigenhändig mit einer Schere die Daten zu zerstören, trauen die Drillisch-Firmen ihren Kunden offenbar nicht zu: im Gegensatz zu den meisten Konkurrenten.

Zur Verwunderung führt das bei zahlreichen Diskutanten in Internetforen. Sie vermuten, dass Talkline und die Drillisch-Gruppe schlicht eine zusätzliche Einnahmequelle erschlossen haben. Quasi ein Ersatz für die von verschiedenen Gerichten gekippte „Deaktivierungsgebühr“ für SIM-Karten.

Für diese These spricht auch ein Kuriosum: Wer eine Basic-Karte beim Drillisch-Ableger Simply geordert hat, entgeht dem Kartenpfand, wer sich für Easy entschieden hat, zahlt erst einmal 29,65 Euro.

Wiederum eine andere Begründung des Pfands führt Talkline ins Feld. Das gehe auf eine Verpflichtung zurück, „das Eigentum an den SIM-Karten für den jeweiligen Netzbetreiber zu bewahren“. Den Netzbetreibern O2 und Vodafone ist diese Verpflichtung allerdings „nicht bekannt“. Folglich werden deren eigene Kunden nicht mit Rückforderungen behelligt.

Damit nicht genug. Die Provider Base, Blau und Medion (Aldi-Talk) bemühen gar ihre „Verantwortung gegenüber der Umwelt“ sowie die ökologischen Aspekte ihrer Produkte, um eine Rückgabe zu begründen. Der „Elektroschrott“ werde von ihnen umweltgerecht entsorgt. Wer seine Karte dennoch selbst bei der Sammelstelle abgibt, soll allerdings – trotz der teils rigiden Klauseln – nicht bestraft werden und auch nichts zahlen müssen, versichern Pressesprecher aller drei Unternehmen.

Mittlerweile scheinen einige Firmen selbst nicht mehr zu wissen, warum sie was tun. Das belegt ein Blick in den Freenet-Verbund: Dort erhebt Talkline ein SIM-Kartenpfand, Klarmobil fordert von Vertragskunden – ohne Strafandrohung – die Rückgabe und Debitel-Mobilcom wiederum verzichtet aufs Retour-Schicken.

Knast für verschlüsselte Daten

Ich gehe heute mal fremd – mit einem Gastbeitrag für das ZDF-Blog „Hyperland“. Dort beantworte ich die Fragen, ob Verschlüsselung privater Daten „böse“ ist, wem man seine Passwörter verraten muss und welche Möglichkeiten die Polizei hat, verschlüsselte Datenträger lesbar zu machen.

Zum Artikel.

DSL: Wer sich bindet, trägt das Umzugsrisiko

Wer an einen Ort umzieht, an dem es noch kein DSL gibt, kann seinen bisherigen DSL-Vertrag nicht vorzeitig kündigen. Das hat der Bundesgerichtshof heute entschieden.

Der Kläger hatte einen DSL-Vertrag mit zweijähriger Laufzeit geschlossen. Im November 2007 zog er in eine Gemeinde, in der noch kein DSL verfügbar ist. Sein Provider konnte ihm deshalb keinen Anschluss freischalten. Nachdem der Kläger dies erfuhr, kündigte er den Vertrag mit sofortiger Wirkung. Der DSL-Anbieter wollte weiter die monatliche Grundgebühr.

Laut Bundesgerichtshof hatte der Kläger hatte keinen wichtigen Grund zur Kündigung. Ein solcher Grund besteht grundsätzlich nicht, wenn er aus Vorgängen hergeleitet wird, die dem Einfluss des anderen Vertragspartners entzogen sind und der Interessensphäre des Kündigenden entstammen. Der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung abschließt, trägt grundsätzlich das Risiko, diese aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können.

Dementsprechend stellt ein Umzug, etwa aus beruflichen oder familiären Gründen, prinzipiell keinen wichtigen Grund für eine Kündigung dar. Hinzu trat im Streitfall, dass die vergleichsweise lange Laufzeit des DSL-Anschlussvertrags die wirtschaftliche „Gegenleistung“ des Klägers für einen niedrigen monatlichen Grundpreis war und auch ein Vertragsschluss mit kürzerer Laufzeit oder monatlicher Kündbarkeit zu höheren Kosten möglich gewesen wäre. Zudem amortisierten sich die Investitionen des Unternehmens, das dem Kunden insbesondere die notwendige technische Ausrüstung (Router, WLAN-Stick) zur Verfügung stellte, erst innerhalb des zweiten Vertragsjahrs.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. November 2010 – III ZR 57/10