Loveparade: Von unbekannt zu bekannt

Zum ersten Mal nach der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten vor knapp vier Monaten in Duisburg prüft die Staatsanwaltschaft einen konkreten Anfangsverdacht wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körpverletzung „gegen bestimmte Personen“. Das berichtete gestern Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) dem Rechtsausschuss des Landtages.

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat bislang 1.336 Zeugen vernommen. Darunter sind 672 Besucher, 479 Polizeibeamte und Feuerwehrleute, 146 Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes des Veranstalters und 39 städtische Bedienstete. Bei der Staatsanwaltschaft liegen bislang 406 Strafanzeigen vor.

Konkrete Namen von Beschuldigten oder Zeugen nannte der Minister dem Rechtsausschuss aber nicht und berief sich dabei auf das staatliche Geheimhaltungsinteresse, das dem Informationsanspruch des Parlaments entgegenstehe. CDU-Rechtsexperte Peter Biesenbach vermutet hinter der Weigerung ein Interesse der Landesregierung, „Informationen unter Verschluss zu halten“.

Dem schloss sich Horst Engel von der FDP an. Die Abgeordnete Monika Düker (Grüne) hielt dagegen, das Parlament sei „keine parallele Ermittlungsbehörde“ zu Kripo und Staatsanwaltschaft. (pbd)

Kalender, Kalender, Kalender

Vorweihnachtszeit ist traditionell Verlosungszeit im law blog. Wie jedes Jahr gibt es für die Leser fünf Exemplare des druckfrischen Anwaltskalenders 2011 des Karikaturisten wulkan zu gewinnen. Der Kalender enthält 12 Juristenmotive im DIN-A-3-Format, alles in klassischem schwarz-weiß.

Wie immer machen wir es einfach. Wer einen der Juristenkalender 2011 gewinnen will, schreibt bitte bis zum 28. November 2010 einen Kommentar zu diesem Beitrag. Bitte eine gültige E-Mail-Adresse hinterlassen. Die Gewinner werden ausschließlich über diese E-Mail-Adresse kontaktiert. Die E-Mail-Adressen geben wir nicht weiter und verwenden sie auch nicht für andere Zwecke. Unter allen Teilnehmern entscheidet das Los.

Der Kalender wird noch vor Weihnachten frei Haus an die vom Gewinner gewünschte Adresse verschickt. Er eignet sich deshalb auch als Weihnachtsgeschenk. Wer sich nicht auf sein Glück verlassen will, kann natürlich auch bei wulkan einen Kalender ordern. Der Frühbestellerpreis liegt bis zum 1. Dezember bei 19,95 Euro zzgl. 5,80 Euro Versandkostenpauschale.

Bestellungen sind möglich unter wulkan@arcor.de oder telefonisch unter 0172-200 35 70.

Das übereilte Geständnis

Der Anwalt des wegen des Doppelmordes von Bodenfelde verhafteten 26-Jährigen hat der Nachrichtenagentur dpa gesagt, der Verdächtige werde die Tat wohl am Freitag gestehen – um sein Gewissen zu erleichtern. Das ist natürlich ein sehr menschliches und damit verständliches Motiv. Ich hoffe allerdings, der Verteidiger hat dem Beschuldigten trotzdem von einem schnellen Geständnis abgeraten und richtet sich jetzt nur nach dem unabänderlichen Willen seines Mandanten. Denn aus Sicht eines Beschuldigten ist ein sofortiges Geständnis nur selten sinnvoll. Dieser Fall gehört mit Sicherheit nicht dazu.

Was bringt es meinem Mandanten? Diese Frage stelle ich, wenn Polizeibeamte auf ein schnelles Geständnis drängen. Meist sorgt das für verblüffte Gesichter. „Auch noch Ansprüche stellen?“ erwiderte mal ein Kommissar. Ich sagte ihm, dass wir keine Ansprüche stellen, sondern Rechte wahrnehmen. Ein Recht ist dazu da, Vorteile zu wahren oder zu verschaffen. Die Frage nach dem Nutzen des schnellen Geständnisses ist sicher unbequem und wird mitunter sogar als anmaßend empfunden, aber sie ist aus Sicht des Beschuldigten legitim. Ein Verhör, womöglich noch verbunden mit einer Festnahme und der Aussicht auf Untersuchungshaft, ist nämlich nun wirklich eine der letzten Situationen, in denen man übertrieben selbstlos sein sollte.

Leider hält sich die Zahl der reizvollen Antworten auf die Frage sehr in Grenzen. „Arbeitsersparnis für die Polizei“, wurde mir mal gesagt. Hat mich nicht überzeugt. „Das Gericht wird das später positiv würdigen.“ Klingt schon besser, hat aber einen Haken. Die Strafmilderung, weil ein Angeklagter die Karten sofort auf den Tisch gelegt hat, fällt meist karg aus. Manchmal findet sie auch nur in Form eines Lippenbekenntnisses statt. Denn bei der Gerichtsverhandlung liegt das Geständnis meist schon lange zurück. Seine Wirkung ist verpufft, es ist nicht mehr als ein vielleicht schon angegilbtes Protokoll. Eine Verfahrenstatsache, neben so vielen anderen.

Richtig wirksam ist ein Geständnis in der Regel nur dann, wenn es auch jemand anderem nützt. Nämlich dem Gericht. Hier und nirgends anders zieht das Argument der Arbeitsersparnis. Durch ein Geständnis des Angeklagten kann das Gericht schneller urteilen, denn die Beweisaufnahme entfällt ganz oder zumindest teilweise. So eine Beweisaufnahme kann lang sein. Und quälend. Zermürbende Verfahren zu verhindern, ist ja auch der Hintergedanke des Deals, der nun sogar ins Gesetz geschrieben wurde. Die „Verständigung“ erlaubt Strafrabatte aus dem schnöden Gesichtspunkt der Prozessökonomie. Sie ist aus den Gerichtssälen nicht mehr wegzudenken und wahrscheinlich eine der Gründe, warum die Strafjustiz noch nicht vollends kollabiert ist.

Den vom Beschuldigten erstrebten Rabatt können weder die Polizei noch ein Staatsanwalt gewähren. Dazu fehlt ihnen schlicht die Kompetenz. Wenn sie in einer Vernehmung dem Beschuldigten etwas anderes erzählen und konkrete Rechtsfolgen, etwa Bewährung, verbindlich zusagen, dann sagen sie nicht die Wahrheit. Um so böser dann das Erwachen des Betroffenen, wenn das Gericht später von einem zugesagten Bonus nichts weiß, nichts wissen will und sich auch niemand daran erinnern kann, dass so was überhaupt Thema war. „Wenn es nicht im Protokoll steht, haben wir das auch nicht gesagt…“

Es gibt eigentlich nur eine Situation, die für ein schnelles Geständnis sprechen kann. Das ist drohende Untersuchungshaft. Hier reden wir dann aber schon über schwerere Delikte. Die Aussicht, erst mal in den Knast zu gehen, ist für viele Beschuldigte so erschreckend, dass sie lieber dem Haftrichter, dem sie spätestens am Tag nach ihrer Festnahme vorgeführt werden müssen, den Tatvorwurf beichten. Im Gegenzug ergeht halt kein Haftbefehl. Oder er wird zumindest außer Vollzug gesetzt, so dass der Beschuldigte wieder nach Hause kann.

Das Ganze ist also eine Art zeitlich vorgezogener Deal. Auf dem Geständnis vor dem Haftrichter hängt man später fest, deshalb muss man sich auch das gut überlegen. Vielleicht wäre die Tat ohne das Geständnis später doch nicht oder nur in milderer Gestalt zu beweisen. Das hätte vielleicht Bewährung ermöglicht – wenn da nicht die eigene Aussage wäre. So wie sie damals die schnelle Freiheit brachte, bringt sie später den knallharten Vollzug. Nicht umsonst heißt es „Untersuchungshaft schafft Rechtskraft“.

Bei der Polizei lohnt sich ein Geständnis also praktisch nie. Zumal zu diesem frühen Zeitpunkt meist keine Akteneinsicht gewährt worden ist. Weder der Beschuldigte noch der (hoffentlich vorhandene) Verteidiger wissen also, welche Beweise die Ermittler tatsächlich haben. Ich habe schon genug Akten auf den Tisch bekommen, die außer dem sofortigen Geständnis kein anderes brauchbares Beweismittel enthielten. Dem damals noch auf sich allein gestellten Mandanten wurde dagegen erzählt, die Sache sei doch klar, es gebe genug Zeugen und Spuren. Sätze wie „Leugnen ist zwecklos“, „Machen Sie es nicht schlimmer, als es ist“ und „Sie wollen uns wohl für dumm verkaufen?“ sind durchaus etwas mehr als Versatzstücke aus deutschen Fernsehkrimis.

Ist eine Einstellung des Verfahrens möglich oder möchte man vielleicht mit einem Strafbefehl die öffentliche Verhandlung vermeiden, kann später der Staatsanwalt die richtige Adresse für ein Geständnis sein. Da befindet man sich aber schon in ruhigerem Fahrwasser. Insbesondere hat der Verteidiger dann regelmäßig schon Akteneinsicht erhalten, so dass beide Seiten über die gleichen Informationen verfügen. Ab diesem Punkt kann der Beschuldigte, abgesehen vom Sonderfall der drohenden U-Haft, einen Nutzen für sich erwarten. Ebenso natürlich der Staatsanwalt. Der erspart sich durch den „kleinen Deal“ weitere Ermittlungen und das Brüten über einer Anklageschrift.

Betrachtet man das Geständnis also nicht als Bürgerpflicht gegenüber der Polizei, gibt es dafür gute und schlechte Zeitpunkte. Es ist ganz alleine Sache des Beschuldigten, für welchen Zeitpunkt er sich entscheidet.

Wenn man nun den eingangs erwähnten Doppelmord betrachtet, dürfte das publikumswirksam (wieso eigentlich?) angekündigte Geständnis dem Beschuldigten außer dem Gefühl, sich die Last von der Seele geredet zu haben, extrem wenig bringen. Dass er wegen rührender Ehrlichkeit von der Untersuchungshaft verschont wird, darf der Verdächtige angesichts des Mordvorwurfs und der ihm schon mal per polizeilicher Blitzdiagnose angedichteten Neigung zum Serienkiller ja wohl kaum erwarten.

Aber man kann aus seinem Verhalten lernen. Für den Fall, dass man selbst mal Beschuldigter ist und sich dennoch zu fragen traut: Was bringt es mir?

Schwarze Schafe

„Der Fußgänger hatte keine Ahnung, in welche Richtung er gehen sollte, also überfuhr ich ihn.“

„Außerdem bin ich vor meinem ersten Unfall und nach meinem letzten unfallfrei gefahren.“

Die Bußgeldstelle des Regierungspräsidiums Kassel hat kuriosen Schriftverkehr mit Verkehrssündern, aber auch mit Rechtsanwälten veröffentlicht. Ganz besonders gefällt mir dieses kreative Schuldeingeständnis:

Hier geht es zu den gesammelten Stilblüten.

Karate für Staatsanwälte

Eine Kampfsportgruppe in der Staatsanwaltschaft Wuppertal soll Kollegen vor Gewalttaten schützen. „Wir sind öfters mit dem Tode bedroht worden“, rechtfertigt Oberstaatsanwalt Wolf-Tilmann Baumert die derzeit laufende Schulung.

18 Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft lernen in einem Wuppertaler Instititut, das auf seiner Homepage „moderne und praxisorientierte Fortbildung“ verspricht – allerdings vorrangig für die Bereiche Software, Betriebswirtschaft, Recht und Medien. Nun steht also auch Karate auf dem Lehrplan für Staatsanwälte, Rechtspfleger und Justizwachtmeister. Sie sollen am Ende „eskalierende Begegnungen“ bewältigen können.

Etwa jene, bei der kürzlich ein Mann, der eine Geldstrafe nicht zahlen wollte oder konnte, im Gebäude der Staatsanwaltschaft randaliert hatte. „Wenn sich unser Konzept bewährt“, sagt der Behördensprecher, „geht eine neue Gruppe ins Training.“

Allerdings könnte die Politik noch bremsen. Die Liberalen haben die Kampfsportgruppe auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses im Landtag gesetzt, der morgen tagt. Es gibt Befürchtungen, dass eher für die Schreibtischarbeit ausgebildete Beamte ihre Zusatzqualifikation überschätzen und so sich und andere unnötig in Gefahr bringen können. Eine funktionierende Security oder gar Polizeischutz seien womöglich die bessere Lösung. (pbd)

Wenn man denn will

Meine Mandantin sitzt in Abschiebehaft. Die Haftdauer hatte das Amtsgericht Neuss zunächst auf drei Monate beschränkt. Das ist gesetzlich auch so vorgesehen. Wie zu erwarten, beantragte die Ausländerbehörde, die Haft um weitere drei Monate zu verlängern. Auch das ist möglich.

Vor der Entscheidung muss das Gericht die Betroffene persönlich anhören. Und dazu auch ihren Anwalt laden. So sandte mir das Amtsgericht Neuss gestern, am 22. November, die Ladung zum Anhörungstermin. Das Fax kam um 15.27 Uhr an.

Termin der Anhörung: Heute, 23. November, um 10.30 Uhr.

Ich war gestern nachmittag unterwegs, so dass ich von der Ladung nur telefonisch erfuhr. Wenig überraschend dürfte sein, dass ich für den heutigen Vormittag auch schon andere Gerichtstermine hatte. Die ließen sich auch nicht mehr verschieben. Schon deswegen, weil so „spät“ am Nachmittag normalerweise kein Richter mehr erreichbar ist.

Wie übrigens auch der für die Abschiebungssache zuständige Richter am Amtsgericht in Neuss, dem ich gesten nachmittag gern gesagt hätte, was ich – und auch das Gesetz – von solchen Zeitfenstern halten. Nicht mal heute morgen ging dort jemand ans Telefon.

Aber immerhin fand die Anhörung statt, ungerührt von meiner Abwesenheit. Die Haft wurde um drei Monate verlängert. Woher ich das weiß? Den Verlängerungsbeschluss hat mir das Gericht schon knapp zwei Stunden nach der Anhörung gefaxt. Was ja zeigt, dass es auch schneller geht – wenn man denn will.

Aus dem Posteingang

Hallo Herr Vetter,

ich lese schon lange Ihr Blog und wollte mich einfach mal mit einer Frage an Sie wenden, die vielleicht sogar ggfs. in ihrem Blog zur Diskussion gestellt werden könnte.

In meiner unmittelbaren Nachbarschaft ist der Sexualverbrecher Hans Peter H. aus M. eingezogen, genauer gesagt direkt in der Straße. Neben mehreren Demos die hier jetzt wohl jeden Abend starten werden, suchen wir als Eltern einen Weg ihn hier wieder loszuwerden.

Ich bin Vater von zwei Töchtern und habe ehrlich gesagt keine Lust meinen Kindern und mir das Leben von ihm hier weiter vermiesen zu lassen.

Die Frage ist nun was wir auf rechtlicher Ebene alles machen können.

Meine Idee war es schon das ich die Ladengeschäfte hier in der Gegend anspreche ob sie von ihrem Hausrecht gebrauch machen und diesem Menschen einfach Hausverbot erteilen. Aber ist so was rechtens? Oder fällt das schon in den Bereich der Verleumdung?

Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören

Mit freundlichen Grüßen N.K.

Britische Filesharing-Anwälte unter Druck

Das Geschäft mit den Filesharing-Abmahnungen ist keine rein deutsche Masche. Doch in England ist das Geschäftsmodell nicht nur ein Quell der Freude für die beteiligten Anwälte. Eine britische Kanzlei muss sich jetzt sogar vor der Aufsichtsbehörde verantworten. Der Vorwurf: Die Anwälte hätten Schadensersatz-Zahlungen verlangt, obwohl ihnen der fragliche Wert des „Beweismaterials“ bekannt gewesen sei.

Konkret geht es um die von Providern gelieferten IP-Adressen von Internetanschlüssen, die wegen Filesharings aufgefallen sein sollen. Die bei der Feststellung verwendeten Methoden scheint die Solicitors Regulation Authority (SRA) nicht für sonderlich zuverlässig zu halten, berichtet The Register.

So komme es vor, dass IP-Adressen wegen automatischer Verbindungstrennungen falsch zugeordnet würden. Den britischen Anwälten wird weiter zur Last gelegt, sie hätten darüber hinweggesehen, dass nicht notwendigerweise der Anschlussinhaber selbst die Urheberrechtsverletzung begeht. Dies sei auch über lückenhaft gesicherte WLANs oder durch eigenmächtig handelnde Mitnutzer möglich.

Solche Probleme sollen die britischen Anwälte ignoriert haben. Damit hätten sie wissentlich auch potenziell „Unschuldige“ angeschrieben und Forderungen geltend gemacht, was nach britischem Recht ein Berufsvergehen sein kann.

Sicher werden sich viele solche Schritte auch gegen deutsche Abmahnanwälte wünschen. Das ist aber nicht sehr wahrscheinlich, denn die rechtlichen Voraussetzungen sind anders als in England. Bei uns ist der Anschlussinhaber schneller mit im Boot, selbst wenn er selbst keine Urheberrechte verletzt hat. Die „Störerhaftung“ macht’s möglich. Auch sind in Deutschland die Grenzen höher, bis zu denen ein Anwalt auf die Angaben seines Auftraggebers „vertrauen“ darf.

Was letztlich interessant sein wird, sind die technischen Fehlerquellen. Auch hier scheinen die Briten sensibler zu sein. Die Problematik falsch zugeordneter IP-Adressen oder unsorgfältig abgeglichener Hashwerte wird bei uns gerne verniedlicht. Vielleicht bedarf es da wirklich mal eines wirklich tiefergehenden Gutachtens, um die Behauptungen der Rechteinhaber zu entkräften. Die behaupten nämlich immer gern, ihre Überwachungsfirmen machten keine Fehler. Das dürfte zu einem guten Teil hochgestapelt sein. Dass es zu Ungereimtheiten kommt, ist nämlich mittlerweile sogar schon Gerichten aufgefallen.

Wir haben keine Angst!

Gefährlicher als es ein Terroranschlag für unseren Staat jemals sein könnte, sind überaktive Politiker. Sie wollen im Windschatten einer vermeintlichen oder realen Terrorbedrohung unsere Freiheitsrechte beschneiden, Überwachungsstrukturen schaffen und ganze Bevölkerungsgruppen unter Pauschalverdacht stellen.

Geben wir der Angst nach, haben die Terroristen gesiegt. Das gönnen wir ihnen nicht!

Daher rufen wir allen politischen Entscheidungsträgern zu: Wir haben keine Angst!

Und wir sagen das auch laut – bitte hier.

Bomberman, die 4.

Mit einem Freispruch endete heute die vierte Runde eines Strafverfahrens, in dem es um diese Abbildung ging:

Mit dem Männchen namens Bomberman hatte das Portal bo-alternativ.de einen Artikel illustriert, in dem gegen eine NPD-Demonstration aufgerufen wurde. Die Staatsanwaltschaft sah in dem Bild eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten und klagte den Seitenbetreiber an. Der 60-Jährige wurde zunächst freigesprochen, dann nach Rechtsmitteln verurteilt. Nun hatte das Landgericht Bochum zu entscheiden.

Die Richter sahen es nicht als erwiesen an, dass der Seitenbetreiber vorsätzlich gehandelt habe. Ihm sei nicht nachzuweisen, dass er tatsächlich zu Gewalt aufrufen wollte. Auf die Frage, ob man die auf dem Bild gezeigte Torte in eine Bombe uminterpretieren kann und darf, kam es deshalb gar nicht an.

Das muss nicht das letzte Wort in der Sache gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft kann noch Revision einlegen.

Der Westen berichtet

Links 571

„Wenn wir aber die Anschläge als Unfälle ansehen würden dann stellt sich heraus, dass die Terroristen uns gar nichts anhaben können“

„Over the last three months, despite numerous demands, neither Mr. Assange, nor his legal counsel has received a single word in writing from the Swedish authorities“

Nacktscanner: „Nein, natürlich speichern wir die Bilder nicht.“

Folter- und Misshandlungsvorwürfe gegen Griechenland

„I’ve read enough academic material to know that I’m not the only bullshit artist out there“

Wholetrainbombing / Direkter Youtube-Link

Erheblicher Lästigkeitsfaktor

Der Billigflieger Germanwings darf Kunden nicht mit aufgeblähten Antragsformularen und Gebühren davor abschrecken, eine Erstattung von Steuern und Flughafengebühren zu fordern. Das hat das Landgericht Köln entschieden. Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Die Rechtslage ist eindeutig: Tritt ein Kunde seinen gebuchten Flug nicht an, muss die Fluggesellschaft die im Voraus gezahlten Steuern und Flughafengebühren erstatten. Denn diese Kosten fallen gar nicht an, wenn der Kunde nicht mitfliegt.

Leider erstattet kaum eine Fluggesellschaft Steuern und Gebühren freiwillig. Verbraucher müssen deshalb das Geld zurückfordern. Germanwings machte daraus aus Sicht der Verbraucherzentralen eine Geduldsprobe. „Der Billigflieger schikanierte seine Kunden mit einem besonders umständlichen Erstattungsverfahren und unzumutbaren Formularen“, erklärt vzbv-Rechtsexpertin Kerstin Hoppe.

Den siebenseitigen (!) Erstattungsantrag sollten sich Kunden aus dem Internet herunterladen, ausdrucken, per Hand ausfüllen und ungeknickt mit sämtlichen Original-Reiseunterlagen per Post an die Airline schicken. Germanwings empfahl zu diesem Zweck außerdem ein teures Einschreiben mit Rückschein.

Im Formular verlangte Germanwings detaillierte und größtenteils überflüssige Angaben zu allen mitreisenden Personen: neben Anschrift, Telefon-, Handy- und Fax-Nummer zum Beispiel Sitzplatz, Sitzreihe, die Anzahl der aufgegebenen Gepäckstücke und die Versicherungsnummer einer eventuell abgeschlossenen Reiserücktrittsversicherung.

Insgesamt wollte Germanwings mehr als 50 Angaben pro Person. Das Formular musste vollständig ausgefüllt und zudem noch von allen Mitreisenden unterzeichnet werden.

Nach Auffassung des Landgerichts Köln ist dieses Verhalten wettbewerbswidrig. Die Gestaltung des Formulars stelle einen „erheblichen Lästigkeitsfaktor“ dar. Die Vielzahl der Erfordernisse sei ein belastendes, unverhältnismäßiges Hindernis für den Verbraucher, der seine Rechte gelten machen möchte. Germanwings wollte überdies 5,50 Euro Bearbeitungsgebühr pro Person. Da es oft nur um einen Erstattungsbetrag von 20 Euro oder weniger geht, dürften viele Kunden entnervt auf ihr Geld verzichtet haben.

Damit könnte nach dem Urteil des Landgerichts Köln jetzt Schluss sein. Die Richter untersagten Germanwings, die strittigen Formulare und die Gebührenklausel weiter zu verwenden. Germanwings kann allerdings noch Rechtsmittel einlegen.

Urteil des LG Köln vom 28.10.2010, Aktenzeichen 31 O 76/10

Wird überdacht werden

Der Staatsanwalt ist angepisst. Ich habe es gewagt, gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Einspruch einzulegen. Zu allem Überfluss habe ich den Einspruch auch noch begründet und Schritt für Schritt dargelegt, warum mein Mandant sich nicht strafbar gemacht hat. Oder ihm eine Straftat zumindest nicht nachzuweisen ist.

Die Argumente haben den Richter immerhin veranlasst, eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft einzuholen. Die vorgeschlagene Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld lehnt der Anklagevertreter jedoch brüsk ab. Stattdessen holt er, ohne Argumente in der Sache, zum Gegenschlag aus:

Bei näherer Betrachtung war es zum vorliegenden Fall schon kaum vertretbar, im Strafbefehlsantrag nur die Mindeststrafe zu verhängen. Dies wird mit Sicherheit in der anzuberaumenden Hauptverhandlung überdacht werden.

Was sagt uns das?

Zunächst staune ich über das offene Eingeständnis, dass der Ankläger bislang offenbar nicht so genau in die Akte geschaut oder dabei zumindest nicht genug verstanden hat. Auch wenn ich nicht so ganz sehe, wie eine nähere Betrachtung ausgerechnet dazu führen soll, dass mein Mandant (noch) härter zu bestrafen ist. So schlecht sind meine Argumente nun auch wieder nicht.

Wobei sich das auch daran zeigt, dass offen gedroht wird: Es könnte ja noch schlimmer kommen. Das ist nach dem Buchstaben des Gesetzes zwar richtig; in der Hauptverhandlung ist das Gericht nicht mehr an den Strafbefehl gebunden. Andererseits kommt die Drohung von eben jenem Staatsanwalt, der den Strafbefehl für das Gericht erst vor kurzem vorformuliert hat. Was ja nichts anderes heißt, als dass sein eigener Vorschlag dann „mit Sicherheit“ Schrott gewesen wäre.

Insgesamt also eine inhaltsleere Drohgebärde. Das ist ziemlich unprofessionell. Ich werde mich gerne daran erinnern, wenn mir mal wieder vorgeworfen wird, Verteidiger würden nur tricksen, tarnen und täuschen. Offensichtlich sind wir damit zumindest nicht allein.