Auch für einen Senatspräsidenten gilt die Unschuldsvermutung. Selbst wenn er diverser Verkehrssünden beschuldigt wird, wie das bei dem Richter Lutz B. vom Oberlandesgericht Düsseldorf der Fall ist.
Inzwischen sorgt der 62-Jährige aber auch mit taktischen Manövern für Aufregung. Gestern sollte er um 11.30 Uhr vor dem Amtsgericht Erkelenz erscheinen, damit wegen eines Tempoverstoßes gegen ihn verhandelt werden kann.
Doch B. ließ den Termin platzen. Er legte ein ärztliches Attest vor. Danach war er verhandlungsunfähig krank.
Lutz B. und seine Temposünden waren in Gespräch gekommen, weil er einen Autofahrer vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen hatte. Im Beschluss vertrat er Ansichten, die ihm selbst bei seinen vor Gericht offenen Temposünden hätten helfen können, zumal B. als Rechtsmittelrichter die juristische Marschroute der untergeordneten Amtsgerichte bestimmt.
Fraglich ist nur, ob der Erkelenter Amtsrichter Gregor Kral mitgezogen hätte. Der wollte gestern zunächst prüfen, ob man Lutz B. wegen 17 Stundenkilometern zu viel ein Bußgeld auferlegen kann. Der Kollege war auf der Landstraße bei Wegberg erwischt worden. Dafür soll er 30 Euro zahlen, will das aber nicht. Sein Argument: Das Schild war angeblich verdreht, deshalb gebe es Zweifel an der „rechtswirksam angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung“.
Am selben Tatort wurde der Wagen des Juristen aber auch noch mit einer Geschwindigkeit von 112 km/h gemessen, macht 42 km/h zu schnell. Für diesen Verstoß soll Lutz B. 208 Euro zahlen und einen Monat auf seinen Führerschein verzichten. Auch dagegen hat er Einspruch erhoben. Diesmal bislang ohne Begründung.
Sein Konto im Sündenregister des Kraftfahrtbundesamtes ist auch ohne diese Fälle schon auf 14 Punkte angewachsen. Bei 18 wird die Fahrerlaubnis entzogen. Zu den 18 Punkten hätte es gestern im Erkelenzer Amtsgericht womöglich kommen können.
Auch ohne seinen prominentesten „Angeklagten“ an diesem Tag demonstrierte der zuständige Richter Gregor Kral eine gereifte Resistenz gegen Ausreden. So verurteilte er um 11.35 Uhr einen Autofahrer zu 35 Euro Buße, obwohl der doch an seinem Handy „nur die Freisprecheinrichtung einschalten wollte“.
Ohne Nachsicht ließ Richter Kral vorige Woche auch einen Verfahrensantrag von Lutz B. abblitzen. Lutz B. wollte erreichen, dass der gestrige Termin verlegt wird, „ohne dass jemand davon erfährt“.
Darauf habe B. hat kein Recht, ließ Richter Kral ihn wissen. Worauf sich der Senatspräsident krank meldete. Die ärztlich attestierte Verhandlungunsfähigkeit, für die es normalerweise weit mehr als eines Schnupfens bedarf, könnte allerdings nur partiell gewesen sein. So ist nämlich zu hören, Lutz B. sei zwar gestern nicht vor dem Amtsgericht Erkelenz erschienen, aber mehrfach an seinem Dienstsitz im Oberlandesgerich gesehen worden. Unbekannt ist bislang, ob und wie der Erkelenzer Amtsrichter Kral auf solche Nachrichten reagiert.
Ein neuer Termin dürfte jedenfalls unausweichlich sein, wenn es dem Senatspräsidenten wieder besser geht. Früher oder später wird es also zum Showdown am Amtsgericht kommen. (pbd)