Wenn ich einen Passat Kombi hätte und die Polizei von mir eine Speichelprobe erbäte, würde sich die Zahl der unkooperativen Bürger auf zwei erhöhen. Bislang hat lediglich ein Autobesitzer, der im Rahmen der Fahndung nach dem verschwundenen Mirco aufgesucht wurde, die Abgabe einer Speichelprobe für eine DNA-Untersuchung verweigert. Mehrere hundert angesprochene Halter von Passats sollen die Wünsche der Polizei dagegen erfüllt haben, heißt es in Zeitungsberichten. Die Polizei spricht von einer „sensationellen“ Resonanz.
Welcher Druck auf zögernde Passatbesitzer ausgeübt wurde, weiß ich nicht. Nach außen betont die Polizei, jede Speichelprobe sei freiwillig. Wer sie verweigere, mache sich deswegen noch nicht verdächtig. Die Wirklichkeit dürfte anders aussehen. Die Boulevardpresse zeigt schon mal den Weg und fragt, ob der Verweigerer nur ein Querulant ist. Oder ob er was zu verbergen hat…
Das ist die Dynamik hinter solchen Massentests. Die Unschuldsvermutung wird umgedreht – wenn auch zunächst nur ein wenig. Das Instrument zur faktischen Umkehr der Beweislast sind alle, die auf die Freiwiligkeit pfeifen. Natürlich ist der Entschluss jedes einzelnen zu respektieren, auf seine Bürgerrechte zu verzichten. „Ich habe ja nichts zu verbergen“ – dieser banale Spruch wird hier ausgelebt. Vermutlich noch mit dem guten Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Andererseits würde die Beweislastumkehr nicht klappen, wenn sich mehr Menschen verweigerten.
Wer es dagegen ernst nimmt mit der Freiwilligkeit und – mit mindestens ebensolchem Recht – keinen Grund sieht, in Verkehrung rechtsstaatlicher Grundsätze seine Unschuld zu beweisen, wird durch die Bereitwilligen isoliert – und damit selbstverständlich verdächtig. Der Verweigerer kann jedenfalls sicher sein, dass er nun fieberhaft durchleuchtet wird und unter Erklärungsdruck gerät. Sollte auch nur ein Fitzelchen Unklarheit bleiben, wird sich auch ein Richter finden, der die DNA-Probe anordnet und eine Durchsuchung gleich dazu.
Über den kreuzbraven Spruch von der Freiwilligkeit wird man dann nur noch lachen können. Er ist ein Lippenbekenntnis, mehr nicht. In Wirklichkeit heiligt der Zweck die Mittel. Völlig unabhängig davon, welches Ergebnis am Ende der Untersuchung steht, sollte das ein gewisses Unbehagen hinterlassen. Und Mut machen, auch mal nein zu sagen.