Die Medienrevolution ist im Gange. Selbst in Gerichtssälen tut sich schier ungeheuerliches: „Mir wurde gerade mitgeteilt, dass jemand aus diesem Gerichtssaal live über einen Ticker ins Internet berichtet. Wer ist das?“ fragte gestern der Vorsitzende im Koblenzer Rockerprozess. Für dieses dringende Anliegen fiel der Vorsitzende sogar dem Staatsanwalt ins Wort, der gerade die Anklage verlas.
Redakteur Lars Wienand von der Rhein-Zeitung gab sich zu erkennen und zeigte wohl auch sein Arbeitsgerät: ein iPad. Sehr geschickt gewählt, denn damit fällt das Argument, die Tastenanschläge seien so laut, wohl eher weg. Die Bewährungsprobe des Tablets dauerte allerdings nur kurz. Denn der Richter, so berichtet die Rhein-Zeitung, habe sich die Live-Tickerei unmissverständlich verbeten.
Eine Begründung hat das Gericht nicht gegeben. Möglicherweise könnte sie auch schwerfallen, denn das Gesetz verbietet nur Ton- und Filmaufnahmen aus der Verhandlung. Notizen sind auch im Publikum erlaubt. Selbst wenn manche Richter das Mitschreiben „normalen“ Besuchern immer wieder gern verbieten, hat sich das nach meiner Kenntnis noch keiner gegenüber einem Pressevertreter getraut.
Bleibt also die Frage, was das Live-Tickern gegenüber dem Mitschreiben so störend macht, dass es untersagt werden muss. Die Rhein-Zeitung nennt als mögliches Risiko, eventuell noch nicht vernommene Zeugen könnten sich (zu) schnell darüber informieren, was im Gerichtssaal vor sich geht. Nun ja, am ersten Prozesstag waren noch gar keine Zeugen geladen.
Außerdem müsste Berichterstattern dann ja eigentlich auch verboten werden, in Verhandlungspausen Online-Berichte zu verfassen. Oder nach interessanten Stellen einfach mal den Saal zu verlassen und sich schreibend auf der Bank vor der Türe zu erholen.
Spätestens wenn Reporter – möglichst geschlossen – mit ihren Devices vor dem Vorsitzenden und seinen Häschern aufs stille Örtchen flüchteten, wäre der Kleinkrieg wahrscheinlich zu Gunsten der „Live“-Berichterstatter entschieden. Früher hätte sich Didi Hallervorden die Filmrechte für so was gesichert.
Mit autokratischen Verboten, die sich daraus rechtfertigen, dass nichts sein darf, was es bisher nicht auch schon gab, werden Richter künftig wohl also nicht weiterkommen. Dazu dürfte die Revolution einen Tick zu heftig sein.