Die Sache fiel eigentlich harmlos an. Aber jetzt muss ein junger Mann womöglich unnötig in den Knast.
In einer Anhörung ging es darum, ob die Bewährung des Betroffenen widerrufen wird. Schon diesen Termin hatte die damalige Verteidigerin wohl schlecht vorbereitet. Jedenfalls brachte sie laut Protokoll keines der Argumente, die eigentlich auf der Hand lagen.
Zum Beispiel wies die Anwältin nicht darauf hin, dass der Bewährungsbeschluss selbst unwirksam sein dürfte. Die Auflagen waren nämlich viel zu schwammig formuliert. „Nach besten Kräften“ sollte der Betroffene zahlen, um einen Schaden wiedergutzumachen. Der Beschluss erwähnte aber mit keinem Wort, in welcher Höhe der Betroffene zahlen sollte und wie groß der Schaden überhaupt war. Wenn ein Beschuldigter aber überhaupt nicht weiß, was von ihm verlangt wird, kann man ihn normalerweise auch kaum auf einen Verstoß festnageln.
Überdies hatte der Betroffene sogar Zahlungen geleistet. Doch für die gab es im Termin keinen Beleg, deshalb wollte sie der Richter nicht berücksichtigen. Nun gut, offenbar hat man sich dann ins Schicksal gefügt, den Richter entscheiden lassen und das Heil in der sofortigen Beschwerde gesucht. Die Anwältin legte diese Beschwerde zwar ein. Außerdem sah sie sich die Akte an. Mit Rücksendung der Akte teilte sie aber nur mit, sie werde die Beschwerde noch begründen. Eine Frist nannte sie nicht.
Das Landgericht hat knapp drei Wochen abgewartet. Dann wurden die Richter ungeduldig. Sie kloppten die Beschwerde mit knappen Worten in die Tonne. Das wäre mit ziemlicher Sicherheit nicht passiert, hätte die Verteidigerin in dieser Zeit wenigstens mal die Zahlungsbelege nachgereicht.
Das machte sie erst, nachdem sie den ablehnenden Beschluss des Landgerichts erhielt. Im Rahmen einer „sofortigen Beschwerde“. Dummerweise ist eine derartige Beschwerde, die ja eine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über eine sofortige Beschwerde und somit doppelt gemoppelt wäre, überhaupt nicht möglich. Sie ist schlicht unzulässig.
Ich habe dann noch einiges probiert. Dazu gehörte eine Gehörsrüge. Unter anderem wies ich darauf hin, dass die Anwältin eine Begründung angekündigt hatte. Unter diesen Umständen hätte das Gericht ja auch mal nachfragen oder von sich aus eine Frist setzen können, nach deren Ablauf es zu entscheiden gedenkt.
Daneben Wiedereinsetzungsgesuche und der Appell, doch wenigstens von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Bewährungsbeschluss selbst unwirksam sein dürfte – was Richtern ja auch auffallen könnte, ohne dass sie von einer Verteidigerin darauf gestoßen werden.
Die Gehörsrüge wurde verworfen. Das Landgericht meinte, bereits eine (!) Nachfrage überspanne seine Fürsorgepflicht. Woraus man wohl den Schluss ziehen darf, dass dieses Gericht keine Fürsorgepflicht kennt. Dass letztlich nun ein Verurteilter für den Fehler seiner Verteidigerin ins Gefängnis muss, war der Strafkammer noch nicht mal eine ausdrückliche Überlegung wert.
Gegen die Verwerfung der Gehörsrüge war dann wieder eine Beschwerde möglich. Aber auch das Oberlandesgericht zeigt sich ungerührt. Es reiche aus, wenn das Gericht für einen Zeitraum wartet, „innerhalb dessen eine beabsichtigte Stellungnahme unter normalen Umständen zu erwarten gewesen wäre“.
Diese Aussage ist wiederum so schwammig, dass sich wenigstens, wenn auch eher im kafkaesken Sinne, der Kreis zum Bewährungsbeschluss schließt. Leiden darf jetzt der Verurteilte – sofern nicht noch nach das Bundesverfassungsgericht ein Einsehen hat.
Immerhin kann der Betroffene ja noch seine frühere Verteidigerin auf Schadensersatz verklagen. Die hat es übrigens bis heute noch nicht mal für nötig gehalten, ihm mit einer Erklärung zur Seite zu springen, warum sie die erste Beschwerde nicht begründet hat.