Die Winterreifenpflicht hat bei Einführung große Wellen geschlagen. Auch deswegen, weil sich der Gesetzgeber bei der Formulierung der Regelung nicht sonderlich viel Mühe gegeben hat. Die Vorschrift in der StVO lautet:
Bei Kraftfahrzeugen ist die Ausrüstung an die Wetterverhältnisse anzupassen. Hierzu gehören insbesondere eine geeignete Bereifung und Frostschutzmittel in der Scheibenwaschanlage.
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Winterreifenpflicht nun in einem aktuellen Beschluss für komplett unwirksam erklärt. Die Norm erfülle nicht die (Mindest-)Anforderungen für ein Gebot. Der Betroffene müsse nach Lektüre eines Paragrafen wissen, welches Verhalten von ihm erwartet werde. Das sei hier nicht der Fall:
Anhand des reinen Wortlauts des § 2 Abs. 3 a S. 1 und 2 StVO kann der Fahrer eines Kraftwagens nicht erkennen, was von ihm verlangt wird. … Weder gesetzliche noch technische Vorschriften regeln, welche Eigenschaften Reifen für bestimmte Wetterverhältnisse haben müssen. Dies gilt auch für Winterreifen. … Bisher existieren keine gesicherten Erkenntnisse darüber, dass alle Reifen ohne „M+S“ Kennzeichnung winteruntauglich und damit im Sinne von § 2 Abs. 3 a S. 1 und 2 StVO nicht als für winterliche Wetterverhältnisse geeignete Bereifung angesehen werden könnten. …
Für den Bürger als Normadressat von § 2 Abs. 3 a StVO ist nicht erkennbar, ob und gegebenenfalls welche Reifen bei welchen Wetterverhältnissen als ungeeignet anzusehen sind. Diese Unklarheit wäre vermeidbar gewesen. Der Verordnungsgeber hätte die mit der Neuregelung des § 2 Abs. 3 a S. 1 und 2 StVO verfolgten Ziele auch durch eine eindeutige Norm erreichen können.
Deswegen hob das Oberlandesgericht die Verurteilung eines Autofahrers auf, der im November mit Sommerreifen unterwegs war, obwohl sich auf der Straße eine Eisfläche gebildet hatte. Das Auto schlitterte in ein Schaufenster.