Mitunter kommt auch bei der Justiz etwas abhanden. Sogar Akten. Dass eine Richterin aber plötzlich ohne kriminelle Machenschaften, Feuer oder Wasserschaden alle Akten aus ihrem Büro vermisst, dürfte eher Seltenheitswert haben.
Gestern ist genau das passiert. Für die um 14 Uhr anberaumte Verhandlung stand eine Strafrichterin komplett ohne Akte da. Kurz vorher hatte sie bemerkt, dass der Botendienst des Gerichts wohl alle Ordner aus ihrem Büro mitgenommen hat. Wieso, weshalb, warum – rätselhaft.
Immerhin konnte in der Kürze der Zeit schon mal geklärt werden, dass alle Akten gerade zur örtlichen Staatsanwaltschaft unterwegs waren. Am Ziel sollten die Akten der Richterin dann aussortiert und zurückgebracht werden. Und zwar am nächsten Tag. Das ist, wenn man die Arbeitsabläufe der Justiz kennt, ein raketenmäßiges Tempo.
Der Fall war etwas kompliziert. Also war auch nicht daran zu denken, noch am Nachmittag zu verhandeln. Den größten Nutzen aus dem Malheur zog übrigens der Angeklagte. Wegen Fehlern der Justiz solle er nicht unnötig lange in Untersuchungshaft schmoren, befand die Richterin. Wir improvisierten also einen Haftprüfungstermin. Der Haftbefehl wurde außer Vollzug gesetzt, und mein Mandant durfte als vorerst freier Mann das Gericht verlassen.
Beim Deutschlandspiel jubelt keiner lauter als er. Das hat er mir versprochen.