Berlin: Rechtssicherheit für Freizeitkiffer

Vor 16 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht sich mit dem „Recht auf Rausch“ beschäftigt, und zwar in der Form des Kiffens. Die Karlsruher Richter hielten an der Strafbarkeit von Cannabis- und Marihuanabesitz fest.

Allerdings tatsen sie dies unter der Prämisse, dass

bei Verhaltensweisen, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabsiprodukten vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, … die Strafverfolgungsorgane nach dem Übermaßverbot von … der Verfolgung grundsätzlich abzusehen haben.

Leider haben die Richter nicht in den Beschluss geschrieben, was eine geringe Menge ist. Die Folge war ein Kuddelmuddel, das bis heute andauert. Es ist kaum abzusehen, wie viele Gramm zum Eigenverbrauch straflos bleiben. Die Unsicherheit besteht nicht nur hinsichtlich einzelner Bundesländer. Auch Richter und Staatsanwälte im selben Bezirk handhaben die Vorgabe aus Karlsruhe oft nach Belieben. Wobei vielerorts der Inhalt des Beschlusses den Verantwortlichen gar entfallen zu sein scheint. Bei jüngerem, schneidigen Personal gibt es wohl den Glauben, online nicht abrufbare Beschlüsse des Verfassungsgerichts seien ohnehin nur alte Kamellen.

Für etwas mehr Rechtssicherheit sorgt das Land Berlin. Dort ist eine allgemeine Verfügung in Kraft getreten, die Polizei und Staatsanwälten die geringe Menge erklärt:

Die Staatsanwaltschaft kann nach den Umständen des Einzelfalles von der
Strafverfolgung gemäß § 31a BtMG absehen, wenn sich die Tat auf den Umgang mit Cannabisharz oder Marihuana in einer Bruttomenge von nicht mehr als 15 (fünfzehn) Gramm zum gelegentlichen Eigenverbrauch bezieht, sofern hinsichtlich des Wirkstoffgehalts von einer geringen Menge ausgegangen werden kann und die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind.

Bei Mengen bis 10 Gramm gibt ist sogar eine „vereinfachte Anwendung“ vorgeschrieben. Dann muss „grundsätzlich“ eingestellt werden.

Vorstrafen ändern an dieser Handhabung nichts. So heißt es ausdrücklich in der Verordnung:

Der Anwendung des § 31a BtMG steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die beschuldigte Person bereits mehrfach wegen Straftaten gegen das
Betäubungsmittelgesetz oder aus anderen Gründen verurteilt worden ist, Ermittlungsverfahren nach dieser Vorschrift eingestellt worden sind oder die Tat während einer laufenden Bewährungszeit begangen wurde. Dies gilt insbesondere,
wenn eine Betäubungsmittelabhängigkeit der beschuldigten Person vorliegt
beziehungsweise nicht auszuschließen ist.

Die Unmenge von Bagatelldelikten in diesem Bereich verkam auch immer mehr zu einer Beschäftigungstherapie für Kriminalbeamte. Obwohl eine Einstellung wegen Eigengebrauchs im Raum stand, wurde (und wird) aufwendig ermittelt, eine teure Laboruntersuchung eingeschlossen. Diesen unnützen Aufwand, der letztlich nur Steuergelder kostet, will die Berliner Verordnung offensichtlich eindämmen:

Ergibt sich aus der Vernehmung des Beschuldigten, dass ein Verhalten vorliegt, das ausschließlich auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum ausgerichtet ist, oder kann hiervon trotz des Schweigens des Beschuldigten ausgegangen werden, übersendet die Polizei den Vorgang unverzüglich der Staatsanwaltschaft ohne weitere
Beweiserhebungen (zum Beispiel weitergehende kriminaltechnische Untersuchungen, Zeugenvernehmungen) durchzuführen.

Stattdessen soll sich die Berliner Polizei auf die Beratung der Betroffenen besinnen, sie über Angebote der Drogenhilfe informieren und sogar Kontakt mit den Einrichtungen herstellen. Wenn das nicht mal ein Paradigmenwechsel ist.

Es wäre schön, wenn auch andere Bundesländer sich zu solchen festen Vorgaben durchringen. Es gäbe Rechtssicherheit statt einer Strafmaß-Lotterie. Und auch dem Bundesverfassungsgericht würde der nötige Respekt gezollt.

(via Lichtenrader Notizen)

Gewaltsames Eindringen

Obdachlosigkeit ist ein sehr negativ besetzter Begriff. Es ist sogar gut möglich, dass meine Mandanten, ein Ehepaar, mal „obdachlos“ waren. Oder drohten, es zu werden. Das ist jedoch 30 Jahre her, und sie wissen selbst nur noch, dass es mit Migrationshintergrund und Kindern nicht einfach auf dem Wohnungsmarkt war. Trotz Job. Fakt ist, dass die Stadt Düsseldorf ihnen und ihren beiden Kindern damals eine Wohnung in einer „Obdachlosenunterkunft“ am Kuthsweg zur Verfügung stellte.

30 Jahre lebt die Familie nun dort. Sie zahlt sechs Euro Kalt“miete“ pro Quadratmeter, auch wenn die Zahlung mangels Mietvertrag mit der Stadt Benutzungsgebühr heißt. Ein für die Gegend und den Zustand der Häuser durchaus marktgerechter Preis. Man hat sich bürgerlich eingerichtet, Einbauküche inklusive. Die Wohnung ist innen tadellos in Schuss; die nun erwachsenen Söhne haben regelmäßig renoviert. Die Zeit hat allerdings andere Spuren hinterlassen. Die Mandanten sind gesundheitlich schwer angeschlagen. Die Frau kann wegen einer Arthrose nicht einmal mehr Treppen steigen.

Am 7. Juni 2010 erhielten die Betroffenen nun eine „Ordnungsverfügung“ der Stadt Düsseldorf. Darin heißt es, der Familie werde „zur Beseitigung Ihrer Obdachlosigkeit“ – gemeint sein muss die Obdachlosigkeit von vor 30 Jahren – eine andere Wohnung zugewiesen. Sie müsse das bisherige Objekt am 28. Juni 2010 räumen. Dann werde ein Möbelwagen vorfahren. Die Stadt habe sich „kurzfristig“ im Rahmen eines „Abbauprozesses“ entschlossen, die Unterkünfte aufzugeben.

Die Frist beträgt also genau drei Wochen. Drei Wochen nach 30 Jahren. Das Schreiben ist garniert mit folgenden Sätzen:

Sollten Sie meiner Anordnung, zum Verpacken ihrer persönlichen Gegenstände, bis zu dem genannten Zeitpunkt nicht nachkommen, drohe ich Ihnen … die Anwendung der Ersatzvornahme an. Sollten Sie sich weigern, selbst die Unterkunft zu verlassen, drohe ich Ihnen gleichzeitig die Anwendung von unmittelbarem Zwang … an.

Die Anwendung der Zwangsmittel schließt das gewaltsame Eindringen in Ihre bisherige Unterkunft sowie das gewaltsame Fortschaffen der sich darin befindlichen Gegenstände ein.

Die Ordnungsverfügung ist, auch ganz ohne die martialische Wortwahl, für die Betroffenen ein Schlag vor den Kopf. Niemand hat ihnen die Schließung der Häuser im Vorfeld angekündigt. Was womöglich auch daran liegt, dass die zuständige Sozialarbeiterin bei der Stadt seit längerer Zeit erkrankt sein soll. Offenbar ist auch niemand auf die Idee gekommen, in den „Abbauprozess“ mal die Bewohner selbst einzubeziehen. Meine Mandanten sind jedenfalls durchaus bereit, sich nach einer anderen Wohnung umzusehen. Allerdings gibt es sicher keine mit einem Einzugstermin in drei Wochen…

Die Mandanten und ihre Nachbarn haben jetzt natürlich Angst, aus ihren Wohnungen gekehrt zu werden wie Restmüll. Aber sie sind immerhin nicht so verängstigt, dass sie kampflos aufgeben. Sie werden beim Verwaltungsgericht beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid anzuordnen. Die sofortige Vollziehung begründet die Stadt übrigens lediglich damit, sie müsse mit öffentlichen Mitteln sparsam und wirtschaftlich umgehen. Wieso es überhaupt zu dieser Hauruck-Entscheidung kommen musste, wird dagegen nicht verraten.

Das Verwaltungsgericht wird sicher prüfen, ob eine Räumungsfrist von drei Wochen zu einer Nutzungsfrist von 30 Jahren verhältnismäßig ist. Kleiner Anhaltspunkt: Ein normaler Vermieter müsste eine Kündigungsfrist von neun Monaten gewähren.

Studie beleuchtet Indentitätsdiebstahl im Netz

Das Bundesinnenministerium hat eine 415 Seiten starke Studie zum Identitätsdiebstahl und Identitätsmissbrauch im Internet veröffentlicht. Die Untersuchung beleuchtet die technischen und rechtlichen Aspekte des Problems. Autoren sind Prof. Dr. Georg Borges, Prof. Dr. Jörg Schwenk, Prof. Dr. Carl-Friedrich Stuckenberg und Dr. Christoph Wegener.

Der „Diebstahl“ und der anschließende Missbrauch der „entwendeten“ Identitäten beschreibt ein relativ neues Kriminalitätsphänomen. Bis vor einigen Jahren wurde mittels des sogenannten „Phishing“ vornehmlich das Abfischen von Online-Banking-Zugangsdaten beschrieben. Mittlerweile rückt die komplette digitale Identität des Nutzers in den Fokus der Internetkriminellen, beispielsweise die bei sozialen Netzwerken, E-Mail-Dienstleistern und Handelsplattformen verwendeten Identitäten.

Wesentliche Ergebnisse der Studie:

Angriffe mit dem Ziel eines Identitätsdiebstahls werden heute weit überwiegend über Schadprogramme (sogenannte „trojanische Pferde“) durchgeführt, die in der Lage sind, auch fortgeschrittene aktualisierte technische Abwehrmaßnahmen zu umgehen.

In den Mittelpunkt des Interesses der Internetkriminellen rückt zunehmend die komplette digitale Identität der Internetnutzer. Neben Online-Banking-Zugängen können zum Beispiel auch die bei E-Mail-Dienstleistern, Packstationen, Auktions- und Handelsplattformen sowie bei Social-Network-Plattformen verwendeten Identitäten betroffen sein.

Die Vorgehensweise der Täter hat sich in den letzten Jahren geändert: Schadprogramme gelangen heute vorwiegend durch Schwachstellen im Betriebssystem bzw. in Softwarepaketen auf die Nutzer-PCs. 2009 wurden die meisten Systeme durch den bloßen Besuch von Internetseiten (sog. „drive-by-infection“) und präparierte PDF-Dokumente angegriffen.

Als Gegenmaßnahmen werden Standardsicherheitsmaßnahmen vorgeschlagen (Virenschutzprogramme, Firewall sowie regelmäßige Updates des Betriebssystems und der Anwendungen). Für die Zukunft wird prognostiziert, dass Identitätsdiebstahl und -missbrauch noch nicht absehbare Formen annehmen werden, da neue Techniken und Plattformen immer neue Angriffsszenarien ermöglichen.

Die Studie ist noch bis zum 22. Juni 2010 kostenlos als PDF erhältlich.

Das überwachte Netz

„Das überwachte Netz – Verfolgung von Straftaten im Internet“ – so lautet der Titel eines Vortrags, den ich am nächsten Mittwoch, 23. Juni 2010, im Rahmen der „Netzwoche“ an der Bielefelder Universität halten werde. Los geht es um 18 Uhr im Hörsaal H 9.

Veranstalter sind die AStA der Fachhochschule und der Universität Bielefeld.

Nähere Infos, auch zu den anderen Veranstaltungen, hier.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Update: Zum Video (via)

Polizeiinterne VDS

Als es um die Vorratsdatenspeicherung ging, fühlten sich Ermittler häufig in eine Ecke gestellt. Die falsche. Sie verwahrten sich dagegen, dass jede Datenhalde auch Begehrlichkeiten weckt. Selbstverständlich, so hieß es immer wieder, halte sich die Polizei ans Gesetz. Überdies wurden die Vorschriften zum Datenschutz gern als Zumutung abgetan und der Eindruck erweckt, der sensible Umgang mit Daten gehöre quasi zum Ehrenkodex jedes Beamten.

Wie leer diese Beteuerungen sind, müssen nun ausgerechnet Polizisten in Sachsen-Anhalt erfahren. Auf der Suche nach einem Presseinformanten in den eigenen Reihen hat die damalige Dessauer Polizeipräsidentin heimlich alle Daten auf dem Polizeiserver sichern lassen, berichtet Spiegel online. Die Überwachungsaktion habe im Frühjahr 2007 begonnen und rund zweieinhalb Monate gedauert – also eine Art polizeiinterner Vorratsdatenspeicherung.

Im Visier waren auch die sogenannten Heimserver. Dabei handelt es sich um passwortgeschützte 50 MB Speicherplatz, den jeder Polizist zur Ablage privater Daten nutzen durfte. Die privaten Daten aller Mitarbeiter sollen abgegriffen worden sein, obwohl eigentlich nur drei führende Kräfte des Präsidiums im Verdacht waren. Der Polizeiführung sei bewusst gewesen, dass die Heimserver mit einer „verschlossenen Schreibtischschublade“ vergleichbar seien und es für die Beschlagnahme und gar „Durchsuchung“ der Dateien eines Gerichtsbeschlusses bedürfe.

Immerhin soll das Landeskriminalamt es aus rechtlichen Gründen abgelehnt haben, die Daten aus Dessau zu analysieren.

Interessant für die betroffenen Beamten wird sein, dass die Spiegel ihrer Heimserver aus dem Jahr 2007 bis heute nicht gelöscht sein sollen. Die Daten, heißt es im Bericht, würden nach wie vor im Dessauer Polizeipräsidium unter Verschluss gehalten.

Als Bürger darf man sich so seine Gedanken machen. Wenn nicht mal davor zurückgeschreckt wird, im Bedarfsfall die Rechte der eigenen Leute mit Füßen zu treten – wer will da auf die vielbeschworene Sensibilität gegenüber Tatverdächtigen oder solchen, die es werden sollen, rechnen?

Wenn Menschenrechte nicht gefallen

Artikel 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention klingt vielversprechend:

Die Hohen Vertragschließenden Teile sichern allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Personen die in Abschnitt I dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu.

Allerdings kann man sich hierzulande nicht unbedingt auf diese Garantie verlassen – wenn deutschen Richtern das Ergebnis nicht gefällt. Das ist zweifellos bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über die Sicherungsverwahrung der Fall. Hier haben die deutschen Gerichte eine volle Breitseite aus Straßburg erhalten.

Ein Betroffener hatte in Deutschland bis ganz nach oben geklagt. Er wendete sich gegen die – nachträglich durch Gesetz eingeführte – Verlängerung seiner Sicherungsverwahrung über die bis dahin geltende Höchstgrenze von zehn Jahren hinaus. Alle Gerichte, auch das Bundesverfassungsgericht, bügelten ihn ab. Erst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gab ihm recht. Die Sicherungsverwahrung sei nichts anderes als eine Strafe. Strafen dürften nicht nachträglich verschärft werden.

Gegen die Entscheidung legte die Bundesrepublik Rechtsmittel ein – und verlor. Als das Urteil im Mai 2010 rechtskräftig wurde, kam der Antragsteller sofort frei. Was aber ist mit den anderen Betroffenen, deren Fall genau gleich gelagert ist? Es soll sich um 100 bis 120 handeln.

An sich gibt es da nicht viel zu diskutieren. Siehe den eingangs zitierten Artikel 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Oder auch Artikel 46.

Das Oberlandesgericht Koblenz lehnt nun dennoch die schnelle Entlassung eines Sicherungsverwahrten ab, obwohl sein Fall genau so gelagert ist. Dass die Voraussetzungen des Straßburger Urteils auch hier gelten, wird in der bislang vorliegenden Pressemitteilung ausdrücklich eingeräumt.

Allerdings drücken sich die Koblenzer Richter mit folgenden Argumenten:

Urteile des EGMR hätten jedoch keine Gesetzeskraft. Sie wirkten nicht unmittelbar in die nationale Rechtsordnung hinein und könnten damit eine konventionskonforme innerstaatliche Rechtslage nicht erzeugen. Die Gerichte als Träger der rechtsprechenden Gewalt hätten die Europäische Menschenrechtskonvention in der Auslegung durch den EGMR lediglich im Wege der Gesetzesauslegung zu beachten.

Das ist nur bedingt richtig. Deutsche Gerichte müssen, so das Bundesverfassungsgericht, die Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stets berücksichtigen und in ihren Entscheidungen dafür sorgen, dass die aus Straßburg kommenden Grundsätze umgesetzt werden.

Bei der Sicherungsverwahrung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte klipp und klar die nachträgliche Verlängerung für unwirksam erklärt. Mit der an sich logischen Folge, dass die unwirksame Gesetzesänderung eben nicht mehr Entscheidungsgrundlage sein kann.

Die Richter am Koblenzer Oberlandesgericht finden aber gerade hier einen Ansatzpunkt. Im formal noch gültigen deutschen Gesetz, so argumentieren sie, stehe die Verlängerung ja noch drin. Dann heben sie unschuldig die Hände und verweisen darauf, der Wortlaut des Gesetzes hindere sie daran, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte Menschenrechtsverletzung abzustellen. So eine „Auslegung“ sei nämlich nicht mehr vom Wortlaut des Gesetzes umfasst. Erst müsse der Gesetzgeber tätig werden, dann könne man auch was für den Betroffenen tun.

Als Anwalt weiß ich, wie gut Richter den Wortlaut eines Gesetzes kneten und auch mal ins Gegenteil verkehren können. Ohne dabei rot zu werden. Dass ihnen diese Fähigkeit ausgerechnet abhanden kommt, wenn es darum geht, offensichtliche und andauernde Menschenrechtsverletzungen – wir reden hier über so was wie Freiheitsberaubung – zu beenden, empfinde ich offen gesagt als abstoßend.

Ausführen zu lassen

Vermieter kann der Bundesgerichtshof nicht leiden, im Gegensatz zu Banken. Seit vielen Jahren stampfen die fürs Mietrecht zuständigen Richter in Karlsruhe mit wahrer Wollust Vertragsklauseln in den Boden und hinterlassen eine Schar ratloser Juristen. Denen scheint es mittlerweile schlicht aussichtslos, Mieter etwa zu Schönheitsreparaturen zu verpflichten.

Eine aktuelle Entscheidung dürfte den Frust der Vertragsanwälte in tiefste Verzweiflung wandeln. Der Bundesgerichtshof hatte sich mit folgender, harmlos klingender Klausel zu befassen:

Der Mieter ist verpflichtet, die Schönheitsreparaturen, wie z.B. das Kalken, Anstreichen oder Tapezieren der Wände und Decken, das Streichen und die Behandlung der Fußböden, der Fenster und der Türen, in der Wohnung ausführen zu lassen, (…)

Unwirksam, lautet das Verdikt. Die Klausel könne aufgrund ihres Wortlauts („ausführen zu lassen“) jedenfalls auch dahin verstanden werden, dass der Mieter unter Ausschluss der Möglichkeit einer Selbstvornahme die Arbeiten durch einen Fachhandwerker ausführen lassen muss. Das sei jedenfalls die „kundenfeindlichste“ Auslegung; diese sei nun mal maßgeblich.

Legten andere Senate solche Maßstäbe ans Kleingedruckte der Geldinstitute an, wäre es garantiert nichts mehr mit dem Renditeziel der Deutschen Bank…

Wo das Gericht den Zwang zum Fachhandwerker hernimmt, ist mir jedenfalls rätselhaft. Die Formulierung scheint mir eher schlicht der Neigung geschuldet, jeden Satz zu substantivieren und mit einem Passiv zu garnieren. Gerade Juristen beherrschen beherrschen das ja meisterhaft. Ein sprachliches Eigentor sozusagen, aber das macht die ergebnisorientierte Rabulistik aus Karlsruhe auch nicht erträglicher.

Pressemitteilung zum Urteil

Furrykunde, Teil zwei

Vor kurzem hatte ich berichtet, wie emsig die Polizei gegen einen Liebhaber schlüpfriger Furrys ermittelte. Das Verfahren wurde nun wegen Geringfügigkeit nach § 153 Strafprozessordnung eingestellt.

Wie gehofft, konnte auch die Staatsanwaltschaft nicht erkennen, dass der Besitz von Comics mit kopulierenden Fabelwesen strafbar ist. Eine glatte Einstellung wegen fehlenden Tatverdachts konnte ich aber auch nicht durchsetzen. Es waren nämlich einige der Bilder auf einer Webseite meines Mandanten gelandet, die nicht durch ein wirksames Altersverifikationssystem geschützt war.

Im Raum stand nun auch noch die Verbreitung pornografischer Schriften. Ob die betreffenden Furrys Kunst oder Porno sind, wollte ich dann lieber doch nicht ausfechten.

Die GEZ – eine effektive Behörde

Schöne neue Rundfunkgebührenwelt: Künftig dürfen wir schon dann knapp 18 Euro für ARD und ZDF zahlen, selbst wenn wir nur in vier Wänden wohnen, über eine abschließbare Eingangstür verfügen und uns ob dieses Aufwandes weder Fernseher noch Radio leisten können – oder gar wollen. Die Rundfunkgebührenpflicht soll nämlich an den „Haushalt“ anknüpfen und nicht mehr an ein vorhandenes „Empfangsgerät“. So haben es die Ministerpräsidenten der Länder heute beschlossen.

Selbst wer bewusst auf Radio- und TV-Konsum verzichtet, muss künftig also Rundfunkgebühren entrichten. Damit werden ARD und ZDF endgültig zu einem Staatsfernsehen. Ein Staatsfernsehen, dessen Subventionierung man sich nur noch auf zwei Wegen entziehen kann. Der eine ist die selbst gewählte Obdachlosigkeit. Der andere die Auswanderung.

Für mich rechtfertigt sich so eine Zwangsbeglückung auch nicht durch die Hoffnung, es könne der GEZ und ihrem Schnüffelapparat an den Kragen gehen. Überhaupt scheinen derartige Erwartungen deutlich verfrüht. So preist die SPD ausgerechnet die GEZ als „effektive Behörde“, die auch in Zukunft gegen Schwarzseher vorgehen müsse. Andere regen an, die GEZ-Leute einfach den Finanzämtern anzugliedern, sofern diese den Gebühreneinzug übernehmen.

Kann man wirklich für etwas zur Kasse gebeten werden, was man gar nicht nutzt? Schon die frühere Logik, ein zum Empfang bereitgehaltenes Gerät verpflichte dazu, für ARD und ZDF zu zahlen, war ja seit Zulassung des Privatfunks eine Zumutung für jeden mit einem IQ über dem eines Kirschkerns. Nun aber Menschen für TV und Radio zur Kasse zu bitten, die auf TV und Radio verzichten, ist in meinen Augen eine Attacke auf die Freiheit, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden – und ein raumgreifender Schritt in juristisches Sumpfland.

Von daher wundert es mich nicht, wenn die Verantwortlichen nun eifrigst betonen, einige Gutachter hätten bestätigt, die Haushaltsabgabe sei ganz doll verfassungsgemäß. Wer nur den von ihm selbst bezahlten Experten glaubt, wird allerdings das Risiko eines Schiffbruchs einkalkulieren müssen.

Aber kein Problem. Was soll schon passieren? Die Tanker ARD und ZDF sind längst so groß, dass ein Fangschuss nicht mehr möglich ist.

Nicht gedient

Lese gerade das Urteil aus einem vor kurzem beendeten Prozess. Die Richter haben folgendes aufgeschrieben:

Ferner hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte nur bei einer Strafaussetzung zur Bewährung überhaupt die Chance hat, seine berufliche Tätigkeit fortführen zu können. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Allgemeinheit mit der absehbaren Vernichtung der beruflichen Existenz des Angeklagten nicht gedient ist. Nur wenn der Angeklagte seinen Beruf ausüben kann, besteht die Chance, dass er den entstandenen Schaden in wirtschaftlicher Hinsicht wird vollständig ausgleichen können.

Dagegen ist ja wohl mal gar nichts zu sagen.

Ehrenrunde

Manche Mandanten sind mir ein Rätsel. Wie jene Dame, der wir in einer kleineren Sache geholfen haben. Erfolgreich. Der Dank war, dass sie unsere Kostenberechnung nicht zahlte. Wir klagten die Gebühren ein, erwirkten einen Vollstreckungsbescheid, schickten den Gerichtsvollzieher. Der Gerichtsvollzieher ist nun auch fast mit seinem Programm durch; die eidesstattliche Versicherung fehlt noch.

Als der Gerichtsvollzieher die Schuldnerin mal antrifft, legt sie „Widerspruch“ ein und behauptet, die eidesstattliche Versicherung nicht abgeben zu müssen. Zur Begründung notiert der Gerichtsvollzieher im Protokoll:

Die Rechtsschutzversicherung soll den Anspruch regulieren.

Interessante News. Normalerweise stellen wir uns nicht an, wenn Mandanten Rechtsschutz haben. Auch wenn wir dazu nicht verpflichtet sind, erledigen wir die Anfrage mit. Erst wenn manche Rechtsschutzversicherung dann haarsträubende Diskussionen über ihre Eintrittspflicht anfängt, hat der Mandant die Wahl, ob wir das für ihn erledigen sollen. Die Streiterei mit der Versicherung ist dann aber nicht mehr kostenlos. Alternativ kann sich der Mandant selbst drum kümmern. Übrigens: Sich als langjähriger Kunde mal vor den Sachbearbeiter setzen und Druck ablassen, bewirkt manchmal Wunder.

Die kostenlose Anfrage setzt allerdings voraus, dass wir auch über die Existenz einer Rechtsschutzversicherung informiert werden. Und auch nicht erst dann, wenn aus dem Mandanten schon ein Prozessgegner geworden ist.

Nun, das Amtsgericht wird den Widerspruch mit knappen Worten zurückweisen. Die Forderung als solche wird ja noch nicht mal bestritten. Dann geht die Sache in eine Ehrenrunde. Billiger wird es für die Schuldnerin am Ende aber nicht.