Vor 16 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht sich mit dem „Recht auf Rausch“ beschäftigt, und zwar in der Form des Kiffens. Die Karlsruher Richter hielten an der Strafbarkeit von Cannabis- und Marihuanabesitz fest.
Allerdings tatsen sie dies unter der Prämisse, dass
bei Verhaltensweisen, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabsiprodukten vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, … die Strafverfolgungsorgane nach dem Übermaßverbot von … der Verfolgung grundsätzlich abzusehen haben.
Leider haben die Richter nicht in den Beschluss geschrieben, was eine geringe Menge ist. Die Folge war ein Kuddelmuddel, das bis heute andauert. Es ist kaum abzusehen, wie viele Gramm zum Eigenverbrauch straflos bleiben. Die Unsicherheit besteht nicht nur hinsichtlich einzelner Bundesländer. Auch Richter und Staatsanwälte im selben Bezirk handhaben die Vorgabe aus Karlsruhe oft nach Belieben. Wobei vielerorts der Inhalt des Beschlusses den Verantwortlichen gar entfallen zu sein scheint. Bei jüngerem, schneidigen Personal gibt es wohl den Glauben, online nicht abrufbare Beschlüsse des Verfassungsgerichts seien ohnehin nur alte Kamellen.
Für etwas mehr Rechtssicherheit sorgt das Land Berlin. Dort ist eine allgemeine Verfügung in Kraft getreten, die Polizei und Staatsanwälten die geringe Menge erklärt:
Die Staatsanwaltschaft kann nach den Umständen des Einzelfalles von der
Strafverfolgung gemäß § 31a BtMG absehen, wenn sich die Tat auf den Umgang mit Cannabisharz oder Marihuana in einer Bruttomenge von nicht mehr als 15 (fünfzehn) Gramm zum gelegentlichen Eigenverbrauch bezieht, sofern hinsichtlich des Wirkstoffgehalts von einer geringen Menge ausgegangen werden kann und die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Bei Mengen bis 10 Gramm gibt ist sogar eine „vereinfachte Anwendung“ vorgeschrieben. Dann muss „grundsätzlich“ eingestellt werden.
Vorstrafen ändern an dieser Handhabung nichts. So heißt es ausdrücklich in der Verordnung:
Der Anwendung des § 31a BtMG steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die beschuldigte Person bereits mehrfach wegen Straftaten gegen das
Betäubungsmittelgesetz oder aus anderen Gründen verurteilt worden ist, Ermittlungsverfahren nach dieser Vorschrift eingestellt worden sind oder die Tat während einer laufenden Bewährungszeit begangen wurde. Dies gilt insbesondere,
wenn eine Betäubungsmittelabhängigkeit der beschuldigten Person vorliegt
beziehungsweise nicht auszuschließen ist.
Die Unmenge von Bagatelldelikten in diesem Bereich verkam auch immer mehr zu einer Beschäftigungstherapie für Kriminalbeamte. Obwohl eine Einstellung wegen Eigengebrauchs im Raum stand, wurde (und wird) aufwendig ermittelt, eine teure Laboruntersuchung eingeschlossen. Diesen unnützen Aufwand, der letztlich nur Steuergelder kostet, will die Berliner Verordnung offensichtlich eindämmen:
Ergibt sich aus der Vernehmung des Beschuldigten, dass ein Verhalten vorliegt, das ausschließlich auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum ausgerichtet ist, oder kann hiervon trotz des Schweigens des Beschuldigten ausgegangen werden, übersendet die Polizei den Vorgang unverzüglich der Staatsanwaltschaft ohne weitere
Beweiserhebungen (zum Beispiel weitergehende kriminaltechnische Untersuchungen, Zeugenvernehmungen) durchzuführen.
Stattdessen soll sich die Berliner Polizei auf die Beratung der Betroffenen besinnen, sie über Angebote der Drogenhilfe informieren und sogar Kontakt mit den Einrichtungen herstellen. Wenn das nicht mal ein Paradigmenwechsel ist.
Es wäre schön, wenn auch andere Bundesländer sich zu solchen festen Vorgaben durchringen. Es gäbe Rechtssicherheit statt einer Strafmaß-Lotterie. Und auch dem Bundesverfassungsgericht würde der nötige Respekt gezollt.