Natürlich kann man sich freuen, dass es jetzt ausgerechnet Theo Zwanziger trifft. Jenen Funktionär, der selbst gern vor Gericht zieht, wenn ihm kritische Äußerungen nicht passen. So hat Zwanziger etwa den Journalisten Jens Weinreich verklagt, bloß weil der ihn – durchaus nachvollziehbar – einen unglaublichen Demagogen genannt hatte.
Nun muss also Zwanziger mal leiden. Er hatte zum Fall Amerell folgendes erklärt:
Nur durch den Mut von Herrn Kempter konnten wir die Missstände aufdecken und können nun darauf reagieren. In anderen Bereichen dauert es bis zu 40 Jahre, ehe sich die Leute zu so etwas äußern.
Das darf er jetzt nicht mehr sagen, denn das Landgericht Augsburg hat eine einstweilige Verfügung gegen den DFB-Präsidenten erlassen. Die Äußerung verletze Amerells Persönlichkeitsrecht, weil sie sexuellen Missbrauch von Kindern mit einer „Beziehung zweier Erwachsener“ gleichstelle.
Aber darf man sich auch freuen, dass es Zwanziger trifft? Oder sollte nicht doch lieber das Kopfschütteln darüber überwiegen, wie sehr Gerichte mittlerweile auf der Meinungsfreiheit rumtrampeln – und es womöglich noch nicht mal merken.
Das fängt schon damit an, dass Zwanziger die Kirche gar nicht erwähnt. Auch kirchliche Missbrauchsfälle nicht. Sicher kann man die Worte des DFB-Präsidenten unschwer so interpretieren, dass er die aktuelle Diskussion um Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche meint. Aber mehr als eine Interpretation ist es nicht.
Selbst wenn Zwanziger einen Vergleich Kirche – DFB machen wollte, wo ist dieser falsch? Zwanziger möchte herausstellen, dass im DFB mögliche Straftaten bzw. Sportvergehen eben nicht unter den Teppich gekehrt, sondern, unter regem Anteil der Öffentlichkeit, zügig aufgearbeitet werden. Ob das nun wirklich so ist und ob alles richtig läuft, ist dagegen schlichtweg unwichtig. Zwanziger sagt seine Meinung über die Prozesse „in anderen Bereichen“ und beim DFB. Auch wenn diese Meinung grottenfalsch sein sollte, darf er sie nicht nur haben, sondern auch äußern.
Und das Persönlichkeitsrechts des Oberschiedsrichter Amerell? Nicht mal mit größter Mühe gelingt es mir aus dem Satz herauszulesen, dass Zwanziger Amerell mit einem „Kinderschänder“ gleichsetzt. Zwanziger spricht von „Missständen“ und meint offensichtlich Sexualdelikte, die im Wirkungsbereich großer Organisationen stattfinden. Das ist schon der Aussagerichtung her weit von einer Diffamierung Amerells entfernt. Der sachliche Kern der Äußerung bezieht sich überdies auf die Bereitschaft des Schiedsrichters Kempter zur Aussage.
Gewagt auch die Unterscheidung des Landgerichts Augsburg zum Unterschied zwischen sexuellen Missbrauch von Kindern und der Beziehung zweier Erwachsener. Ob und wie sich Manfred Amerell verhalten hat, ist ja noch längst nicht abschließend geklärt. Gleiches gilt für die Frage einer möglichen Strafbarkeit.
Das Landgericht Augsburg hätte im Zweifel für den „Angeklagten“ entscheiden sollen. Ausnahmsweise bin ich froh, dass der DFB klagefreudig und finanzstark ist. Denn so besteht wenigstens die Chance, dass diese Fehlentscheidung korrigiert wird.