Von Razzien und Osterhasen

Bei einer groß angelegten bundesweiten Aktion haben das Bundeskriminalamt und örtliche Polizeibehörden auch in 12 nordrhein-westfälischen Städten Bordelle und ähnliche Betriebe durchsucht. Ziel des BKA war es, Opfer von Menschenhandel aus Westafrika zu identifizieren und Hinweise auf Menschenhändler zu bekommen.

In Essen wurden unter 100 Frauen eine Nigerianerin des illegalen Aufenthalts verdächtigt, ihre Papiere waren aber in Ordnung. In Aachen wurden 9 Frauen aus Westafrika festgenommen, in Dortmund 5, im Krefelder Eros-Center 3. Nach der Anwerbung im Heimatland, so erklärte BKA-Präsident Jörg Ziercke, werden die Opfer in die Bundesrepublik eingeschleust, mit geeigneten Personaldokumenten versorgt und an Prostitutionsbetriebe vermittelt.

Die bisherigen Ermittlungen, so heißt es, lassen ein bundesweites Netz von westafrikanischen Zuhältern, eingeschleusten Prostituierten, Geldwäschern, Passverleihern, Dokumentenfälschern und Schleusern vermuten, das sich bis in das europäische Ausland erstreckt.

„Menschenhandel ist ein Kriminalitätsphänomen“, erläuterte Ziercke, „bei dem die Täter ein Abhängigkeitsverhältnis ausnutzen und ihre Opfer durch physische und psychische Gewalt gefügig machen. Viele der Opfer scheuen den Kontakt zu den Strafverfolgungsbehörden, so dass zahlreiche Straftaten im Verborgenen bleiben.“ Eine professionelle Opferbetreuung und die enge Zusammenarbeit mit Fachberatungsstellen seien von zentraler Bedeutung. (pbd)

Kommentar

Hurra, wir haben einige schwarze Frauen verhaftet!

Solche Erfolgsmeldungen lassen mich erschaudern.

Sicher, das Problem des Menschenhandels existiert. Es kann keinen Zweifel geben, dass ein guter Teil der bei uns tätigen Prostituierten afrikanischer Herkunft Reise- und Schlepperkosten abzahlen muss. Einher geht meist ein zumindest fragwürdiger ausländerrechtlicher Status.

Aber glaubt das Bundeskriminalamt ernsthaft, dass es mit Riesen-Razzien gegenüber den schwächsten Gliedern in der Kette das Problem auch nur ansatzweise löst? Die verhafteten Frauen wissen nichts Verwertbares über die Hintermänner und, das ist gerade bei afrikanischen Schleuserringen unübersehbar, die mächtigen Hinterfrauen.

Die Prostituierten haben ein, zwei Handynummern. Eine vom Anwalt, der ihnen gegenüber dem Ausländeramt hilft. Aber im übrigen auch nichts weiß. Unter der anderen Telefonnummer melden sich kleine Lichter wie die Frauen selbst, oft Sozialhilfeempfänger, Arbeiter mit Familie, die sich pro Monat 100 Euro dazu verdienen, indem sie sporadisch Nachrichten weitergeben. Oder auch mal Geld mit Western Union nach Afrika senden. Drahtzieher und Absahner, in Mafiakreisen wären das die Capos und Captains, sind noch durch mindestens ein, zwei weitere „Firewalls“ vom eigentlichen Geschehen abgeschottet. Von den großen Bossen wollen wir mal gar nicht reden. Obwohl man vielleicht öfter mit ihnen redet oder sie im Fernsehen sieht, als man sich das vorstellen kann.

Mit der neuen Razzia wird dasselbe Trauerspiel aufgeführt wie bei der Drogenkriminalität. Der kleine Junkie und Gelegenheitsdealer wird von der massierten Ordnungsmacht am Hauptbahnhof drei-, vier Mal im Monat festgenommen, es wird eine Akte angelegt und Manpower ohne Ende investiert – für bequeme Schreibtischarbeit. Am Ende stehen Einstellung, Bewährungsstrafe, die Therapie. Selbst die gelegentlich hochgejubelten großen Drogenfunde beruhen nur auf zufälligen Tipps, weniger auf systematischer Fahndungsarbeit. Aber auch die Kuriere halten nur den Kopf für die da oben hin.

Kann sich jemand an eine Erfolgsmeldung erinnern, dass das BKA oder eine sonstige Polizeibehörde Personen festgenommen hat, die solche kriminellen Strukturen beherrschen und sich die Taschen mit den Profiten vollstopfen? Gibt es nachvollziehbare Hinweise darauf, dass durch echte kriminalistische Arbeit tiefer gegraben wird als bis zur ersten Humusschicht?

Nein, denn richtige Polizeiarbeit ist aufwendig, teuer und sie erfordert einen Einsatz, der über das einmalige um Fünf-Uhr-Aufstehen für Haus- und Wohnungsdurchsuchungen bei den niederen Chargen hinausgeht. Richtige Polizeiarbeit würde insbesondere verdeckte Operationen im großen Stil bedeuten. Leider etwas, worüber sich nicht binnen 24 Stunden in Pressemeldungen strunzen lässt.

Wer dem BKA-Präsidenten glaubt, dass die Festnahme afrikanischer Prostituierter ein nennenswerter Schlag gegen den Menschenhandel ist, freut sich auch auf den Osterhasen.

U.V.