Die Verständigung im Strafverfahren, der Deal, gehört zu meinem beruflichen Alltag. Wurde er lange nur im luftleeren Raum zelebriert, gab vor etlichen Jahren der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung Leitlinien vor. Seit Herbst letzten Jahres hat die Verständigung eine eigene gesetzliche Grundlage. § 257c Strafprozessordnung regelt nun, worüber sich die Parteien einigen können und worüber nicht. Und wie das geht.
Allerdings hat der Gesetzgeber in die Vorschrift nicht alle wichtigen Punkte aufgenommen. Den Rechtsmittelverzicht, früher stets eine „Bedingung“ für die Verständigung, erwähnt § 257c nicht. Gerade in kleineren Prozessen ist es nach wie vor üblich, dass der Angeklagte und sein Verteidiger bei einem offensichtlich guten Deal am Ende der Hauptverhandlung erklären, auf Rechtsmittel zu verzichten.
Ich wäre heute auch der Optik wegen dazu bereit gewesen. In einem Prozess waren drei Ausgangsverfahren gemündet. Weder der Richter noch der Staatsanwalt gaben mir und vor allem meinem Mandanten das Gefühl, ausgerechnet jetzt müsse die Strafjustiz ihre ganze Härte zeigen. In einer längeren, sachlichen Diskussion, wurde dann auch ein durchaus tragfähiger Kompromiss gefunden. Mit der Rechtsfolge konnte der Angeklagte leben. Dem Gericht blieben etliche Verhandlungstage erspart, die für andere Fälle sicher dringender gebraucht werden.
Weil alles so angenehm lief, signalisierten wir unsere Bereitschaft, auf Rechtsmittel zu verzichten. Allerdings hatte ich es heute mit dem ersten Richter zu tun, der das nicht akzeptieren wollte. Er hat nämlich auch die Paragrafen gelesen, die mit der Einführung des Deals geändert wurden. So zum Beispiel die Vorschrift über den Rechtsmittelverzicht, § 302 Strafprozessordnung. Darin heißt es zum Rechtsmittel klipp und klar:
Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen.
Der Richter verwies auf diesen Paragrafen und lehnte es freundlich lächelnd ab, eine nach dem Gesetz ohnehin sinnlose Erklärung von uns entgegen zu nehmen. Wir haben natürlich auch nicht darauf bestanden. Ich werde mich nun doch langsam umgewöhnen und keine der Atmosphäre zuträglichen Verzichte mehr anbieten.
Ein bisschen sah es heute nämlich schon aus, als wären ich und ein der Verteidiger, der eine Mitangeklagte vertrat, in diesem Punkt noch nicht auf dem aktuellen Stand…