Die Zahl der Ausrufezeichen ist ein wichtiges Indiz für die Qualität von Anwaltsschreiben. Viele Ausrufezeichen sind immer gut – für den Gegner, den Empfänger des Schreibens.
In einer eher kurzen Abmahnung, die der Kollege Thomas Stadler nun von einem Frankfurter Abmahnanwalt im Dienste der Branchengröße DigiProtect wegen kritischer Äußerungen erhalten hat, zähle ich auf die Schnelle durchaus anwaltsunübliche vier Ausrufezeichen.
Wobei anzumerken ist, dass der verfassende Kollege die Angewohnheit zu haben scheint, immer zwei Ausrufezeichen hintereinander zu setzen. Ziemlich peinlich, aber gerade deswegen fast ein noch besseres Zeichen!!
Ansonsten markige Worte, aber nicht sonderlich viel dahinter. Da soll dem Kollegen Stadler doch tatsächlich die Äußerung untersagt werden, der Abmahnanwalt fordere für seine Mandantin Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Auf diese Idee könnte man schon deshalb kommen, weil in den Abmahnschreiben, welche der betreffende Anwalt tausendfach verschickt, sogar entsprechende Rechnungen aufgestellt werden. Diese Rechnungen enden mit Beträgen, die fast noch mehr Angst machen als Ansammlungen von Ausrufezeichen.
Falsch, rufen die Anwälte des Abmahnanwaltes. Diese Gebühren würden nicht geltend gemacht, sondern nur für den Fall in Aussicht gstellt, dass es zu einem Prozess komme. Das darf man wohl dann wirklich als „Breaking News“ verstehen: Obwohl in den Schreiben schon mal markige Rechnungen aufgemacht werden, sind diese irrelevant und müssen demgemäß nicht beachtet werden. Gute Nachrichten für alle Abgemahnten…
Dumm nur, dass Anwaltsgebühren entweder angefallen sind. Oder nicht. Auf die Frage, ob diese auch gerichtlich geltend gemacht werden, kommt es nicht an. Jedenfalls entstehen Anwaltsgebühren nicht erst in dem Augenblick, in dem sie eingeklagt werden. Eingeklagt werden können, zumindest wenn man Wert auf einen Prozesserfolg legt, allenfalls schon entstandene Anwaltsgebühren.
Auch ist es die Frage, woraus sich die zu erstattenden Anwaltskosten denn sonst ergeben sollen, wenn nicht aus dem Vergütungsgesetz. Wie in jedem rechtlichen Bereich ist auch der Abgemahnte allenfalls verpflichtet, Anwaltsgebühren nach dem Gesetz zu erstatten. Andere Berechnungsgrundlagen, etwa Gebührenvereinbarungen mit dem Abmahner, sind für ihn jedenfalls unverbindlich.
Bemerkenswert überdies, dass in der Abmahnung das geleakte Fax des Frankfurter Anwalts, welches die Diskussion ins Rollen brachte, nicht als falsch bezeichnet wird. Ebenso wenig wird dem Kollegen Stadler ernsthaft vorgeworfen, dass er das Geschäftsmodell der Abmahnanwälte unzutreffend darstellt. Lediglich die juristische Wertung, mit dem Modell könne versuchter oder vollendeter Betrug einhergehen, soll der Kollege künftig nicht nur unterlassen, sondern auch widerrufen. Wenn das nicht mal ein bisschen zu viel verlangt ist.
Thomas Stadler wird sich nicht von den Drohgebärden einschüchtern lassen:
Ich habe dem von Dr. K. beauftragten Rechtsanwalt mittlerweile geschrieben und … ihn … wissen lassen, dass ich mich gegen die Unterlassungs- und Widerrufsforderung zur Wehr setzen werde, notfalls auch unter Ausschöpfung des Rechtswegs.
Den Streitwert gibt der Anwalt übrigens mit stolzen 250.000,00 Euro an. Er sieht sich nämlich nicht nur ungerecht dargestellt, sondern auch gleich seinen Kredit gefährdet. Wobei ich mich allerdings – aber selbstverständlich nur scherzhaft – frage, ob Filesharing-Abmahnanwälte nicht schon längst ohne fremdes Zutun jeden Kredit verspielt haben.
Früher zum Thema:
– Abmahnanwälte verraten sich selbst
– DigiProtect sagt, wie es ist
Nachtrag: Abmahnanwälte erwirken einstweilige Verfügung gegen Kanzlei Wilde & Beuger