Nichtsurfen kann extrem teuer sein

Dass die Mobilfunkanbieter fragwürdige Preise für WAP und Internet ohne gesonderten Datentarif berechnen, habe ich schon mal erwähnt.

Nun vertreten wir wieder jemanden, der sich die horrenden Datenkosten nicht erklären kann. Weil er nach seiner Erinnerung gar nicht im mobilen Internet war. Es geht um immerhin 735,00 Euro – so viel sollen stolze 35 MB kosten. Anbieter BASE zeigt sich aber weit weniger kulant als die Telekom. Vielmehr besteht die Firma auf dem gesamten Betrag, und zwar unter anderem mit folgender Begründung:

Die Startseite des WAP-Portals aktualisiert sich in regelmäßigen Abständen automatisch. Dadurch entsteht Datenvolumen. Wenn beispielsweise die Startseite des WAP-Portals aufgerufen und nicht weiter gesurft wird, wird das Datenvolumen berechnet.

Das nenne ich mal eine argumentative Steilvorlage. Es mag ja noch angehen, wenn die Startseite beim Aufruf ebenfalls kostenpflichtiges Datenvolumen verursacht. Dass sie sich aber beständig automatisch aktualisiert und somit exorbitante Kosten verursacht, obwohl der Anschlussinhaber gar nichts weiter macht, ist aber schon sehr interessant.

Vor allem vor dem Hintergrund der Frage, ob man als Kunde mit so einer Kostenfalle rechnen muss.

Jetzt ernsthaft

Die Staatsanwaltschaft informiert meinen Mandanten, gegen ihn werde wegen eines Internetdelikts ermittelt. Als Tatzeitpunkt wird Anfang 2008 genannt. Mein Mandant möge innerhalb von zwei Wochen Stellung nehmen. Hierbei soll er insbesondere folgende Frage beantworten:

Befinden sich die Dateien noch auf Ihrem Rechner?

Ich frage mich schon, welche Antwort erwartet wird. Jetzt ernsthaft…

Statt Angaben zu machen, habe ich zunächst die Ermittlungsakte angefordert. Vielleicht erschließt sich ja daraus die Ermittlungstaktik. In positiver Hinsicht wäre denkbar, dass der Staatsanwalt eine Hausdurchsuchung für unverhältnismäßig hält und eine Brücke für die Einstellung des Verfahrens bauen will.

Der Krieg gegen Drogen ist gescheitert

„Der Krieg gegen die Drogen ist eine gescheiterte Strategie“, schreibt John Gray auf Zeit online. Der Autor fasst alle wesentlichen Argumente zusammen, die für eine (kontrollierte) Freigabe auch harter Drogen sprechen:

– Etliche Länder (u.a. Mexiko) versinken nicht in der Drogensucht, sondern im Krieg der Drogenkartelle.

– Die Kosten und Opfer der Drogenprohibition übersteigen bei weitem jedes gesundheitliche Risiko.

– Das Drogenverbot kriminalisiert an sich rechtschaffene Menschen.

– Die künstlich überhöhten Preise sorgen für Beschaffungskriminalität.

– Das größte gesundheitliche Risiko ist nicht der Drogenkonsum, sondern durch die Verfolgung bedingte mangelnde hygienische Verhältnisse, die Gefahr von Überdosen und durch verunreinigte Drogen.

– Drogenkonsum und Produktivität im bürgerlichen Beruf schließen sich nicht unbedingt aus.

– Es gibt keinen moralischen Konsens mehr zur Ächtung von Drogen.

– Die Gewinne aus dem illegalen Drogenhandel finanzieren andere Verbrechen und den internationalen Terror.

Dieser Bestandsaufnahme ist kaum etwas hinzuzufügen.

BKA liefert erst mal keine Sperrlisten

Eigentlich wollte das Bundeskriminalamt in diesen Tagen anfangen, Sperrlisten an Internetprovider auszuliefern. Auf diesen Listen sollten Internetseiten verzeichnet sein, die aus Sicht des Bundeskriminalamtes mit Stoppschildern versehen werden müssen. Grundlage wäre nicht das Zugangserschwerungsgesetz gewesen, sondern die mit den Providern schon früher geschlossenen Verträge.

Gegenüber netzpolitik.org hat das Bundeskriminalamt nun erklärt:

Im Lichte des derzeit vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden anhängigen Verfahrens und des durch eine drohende Negativentscheidung zu befürchtenden Schadens sowohl für die betroffenen Provider als auch für das BKA hat das Bundesministerium des Innern entschieden, nicht in den Wirkbetrieb auf vertraglicher Grundlage zu gehen.

Ein Vodafone-Sprecher soll außerdem bestätigt haben, dass die „Selbstverpflichtung“ nicht umgesetzt wird. Erstens werde das Bundeskriminalamt keine Sperrlisten liefern. Zweitens:

Nach Auskunft des Bundeskriminalamt, wird die Ausführung der Selbstverpflichtung ausgesetzt, bis das Gesetz in Kraft ist bzw. es bleibt zu sehen, ob es ein neues oder kein Gesetz gibt.

Somit dürfte die Möglichkeit, Internetsperren durch die Hintertür über die Selbstverpflichtung umzusetzen, während offiziell das Zugangserschwerungsgesetz auf Eis gelegt wird, vom Tisch sein.

Das Aus für die Robe (in Berlin)

Berlin als Vorreiter: In der Hauptstadt sollen Anwälte bald grundsätzlich ohne Robe vor Gericht auftreten dürfen. Die Rechtsanwaltskammer wird die berufsrechtliche Pflicht aufheben, berichtet die taz.

Die Robe ist nichts, was einen Anwalt zum besseren (oder schlechteren) Juristen macht. Im Gegenteil: Tatsächlich fühlen sich Mandanten, gerade in Strafprozessen, mitunter befremdet, wenn sie ihren Anwalt plötzlich in derselben Kluft erleben wie Staatsanwalt und Richter. Die Ausgrenzung – wir, die erhabene Justiz, du das Subjekt unserer Behandlung – ist dann mitunter schon spürbar.

Richtig ist es, den Anwälten das Tragen einer Robe freizustellen. Gleiches gilt natürlich in Strafprozessen auch für die weiße Krawatte. Die hat sich in den letzten Jahren aber von selbst überholt. Mir jedenfalls ist keine Strafkammer (mehr) bekannt, die bei einer andersfarbigen Krawatte auch nur guckt, womöglich protestiert oder gar Sanktionen androht. (Dann würde ich, im Interesse des Mandanten, auch von vornherein die weiße Krawatte umbinden. Irgendwo im Büro fliegen noch zwei, drei herum.)

Bei den Verteidigern der Robenpflicht auf Justizseite scheint mir auch immer etwas die Angst mitzuschwingen, dass möglicherweise auch mal die Staatsdiener ohne Robe auskommen müssen. Das hätte für einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Betroffenen gravierende Auswirkungen.

Sie müssten sich anständig kleiden.

Internetsperren – plötzlich geht es ohne

Viele Provider dürften sich zu früh gerüstet haben. Ebenso einige Politiker. Auch wenn die Nachrichten noch nicht eindeutig sind, scheinen die Internetsperren zunächst vom Tisch zu sein. RP online meldet jedenfalls, FDP und Union hätten sich darauf geeinigt, dass sich die Polizei um Löschung kinderpornografischer Inhalte bemühen soll. Nach einem Jahr soll überprüft werden, wie das funktioniert.

Die Umsetzung dieses Beschlusses wird interessant sein. Wird das bereits beschlossene Zugangserschwerungsgesetz, das gerade beim Bundespräsidenten zur Unterschrift liegen dürfte, nun zurückgezogen? Das kann eigentlich nur der Bundestag, indem er ein Aufhebungs- oder Änderungsgesetz beschließt.

Wie auch immer: Dass die Zensurinfrastruktur nun doch nicht so reibungslos installiert werden dürfte, ist ein großer Erfolg. Dieser Erfolg ist sicherlich auch dem riesigen Protest, insbesondere durch die Onlinepetition beim Bundestag, geschuldet.

Um den Rest, insbesondere die Vorratsdatenspeicherung, wird sich allerdings wohl das Bundesverfassungsgericht kümmern müssen.

Wiederum ob

Perlen juristischer Sprachschöpfung. Heute § 401 Absatz 4 Strafprozessordnung:

Wird auf ein nur von dem Nebenkläger eingelegtes Rechtsmittel die angefochtene Entscheidung aufgehoben, so liegt der Betrieb der Sache wiederum der Staatsanwaltschaft ob.

Anwälte sehen keinen Sinn im Plädoyer

Die Verteidiger im Berliner Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der (möglicherweise existierenden) „militanten gruppe“ greifen am Ende des Verfahrens zu einem ungewöhnlichen Mittel:

Wir haben die Hoffnung aufgegeben, mit unseren Argumenten vor Gericht Gehör zu finden. Weil wir den Eindruck gewonnen haben, gegen den politischen Druck nichts ausrichten zu können, haben wir uns dazu entschlossen, nicht zu plädieren.

Ich musste in meiner Tätigkeit zum Glück noch nie den Schluss ziehen: Hier kannst du nicht weitermachen, denn du bist nur noch Statist. Deckmäntelchen für den abhanden gekommenen Rechtsstaat. Aber ich war zwei oder drei Mal nahe dran. Zum Glück hat es sich dann doch immer noch eingerenkt, meist nach ziemlichen Gewittern im Gerichtssaal.

Drei Mal ist, wenn ich darüber nachdenke, gemessen an der Zahl der von mir in knapp 15 Jahren geführten Prozesse eine sehr niedrige Quote. Was für mich belegt, dass die Justiz (noch) weit davon entfernt ist, Verteidiger zu Alibifiguren zu machen. Trotzdem ist es bestürzend, dass Anwälte – ob nun wirklich mit guten Gründen, lasse ich mangels Detailkenntnis offen – meinen, zu solch harschem Protest greifen zu müssen.

Erklärung der Verteidiger

„Die Quote der Sofortzahler liegt bei 25 %“

Auf Wikileaks findet sich ein bemerkenswertes Dokument über die „Gewinnverbesserung durch Abmahnverfahren“. Es handelt sich um die Selbstdarstellung eines in der Branche bekannten Unternehmens, das mit der Präsentation bei der Film-und Musikindustrie sowie Verlagen nach Aufträgen zur Ermittlung von „Raubkopierern“ wirbt.

Die Präsentation soll sich zunächst auf der Webseite des Unternehmens befunden haben. Sie wurde aber entfernt, nachdem gulli.com als erster darüber berichtet hat.

Schlagkräftigstes Argument: Mit Massenabmahnungen von Filesharern lässt sich viel mehr Geld verdienen als mit legalen Downloads.

Die Beispielsrechnung:

Schadensersatz gemäß Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung:  € 450,00

Anteil Rechteinhaber 20 % pro erfasstem und abgemahntem Rechtsverletzer, der tatsächlich bezahlt: 90,00 (Quote der Sofortzahler liegt zur Zeit bei ca. 25%)

Technikkosten, Administrationskosten,sonstige infrastrukturelle Kosten,
Anwaltshonorar für Gerichtsanträge, Abmahnschreiben, Massenkorrespondenz
mit Rechtsverletzern, Zahlungsklagen, EV-Anträge in begrenztem Umfang:
360,00

Das Gewinn“versprechen“:

Ca. € 0,60 (netto) pro legal verkauftem Download gegenüber
€ 90,00 pro erfassten illegalen Download bei Rechtsverletzern, die zahlen.

Der Ertrag bei erfassten und bezahlten illegalen Downloads ist das 150 fache! Das bedeutet: Wenn 1.250 Rechtsverletzer erfasst werden, die zahlen, müssten zur Erwirtschaftung des entsprechenden Ertrages 150.000 Downloads legal verkauft werden.

Bei einer Zahlquote von 25 % müssten also pro Monat 5.000 illegale Downloads eines bestimmten Produktes erfasst werden. Dies ist pro Woche eine Erfassungszahl von 1.000, was bei gut laufenden Themen realistisch ist.

Die Zahlquote wird durch Vergleichsschlüsse und Ratenzahler regelmäßig bei einem durchschnittlichen Überwachungs- und Bearbeitungszeitraum von 6 Monaten gesteigert.

Ein sehr schöner Beleg dafür, wie die Branche mittlerweile tickt. Überdies ein wunderbares Dokument, welches Gerichte sicher gerne lesen werden, wenn sie sich mit der Frage nach dem Rechtsmissbrauch durch Massenabmahnungen beschäftigen müssen.

Außerdem eine ziemliche Gefahr für die beteiligten Anwälte. Die behaupten nämlich immer gern, sie würden ihren Mandanten die gesetzlichen Gebühren in Rechnung stellen, so dass diese von den Abgemahnten auch tatsächlich Gebühren in dieser Höhe erstattet verlangen können.

Das Dokument spricht eine andere Sprache: Filesharing-Überwachung als Rundum-Sorglos-Paket ohne jedes Kostenrisiko. Zwar weiß jeder, dass es so ist. Aber schwarz auf weiß bekommt man es doch eher selten.

(Zum Thema auch netzpolitik.org)

Einmalige Gelegenheit

Ich muss morgen vormittag am Amtsgericht Düsseldorf in einer Strafsache erscheinen. In ungewohnter Rolle, als Zeuge. Laut Einladung habe ich die Möglichkeit, vor dem Sitzungssaal zu warten. Ich kann aber auch ins Zeugenbetreuungszimmer gehen und dort warten, bis ich aufgerufen werde.

In den Anlagen ist genau und in verständlichem (!) Deutsch beschrieben, wo das Zimmer liegt und wie man sich anmelden kann. Es gibt sogar die Möglichkeit, den Sitzungsaal vorher zu besichtigen oder eine Kinderbetreuung zu erhalten.

Ist mir jetzt alles nicht so wichtig. Aber ich könnte ja mal testen, ob die Sozialpädagogin, die sich um die Zeugen kümmert, guten Kaffee kocht.

Ganz tief gesunken

Bild.de berichtet heute darüber, gegen „Deutschlands schlimmsten Kinderschänder“ werde nun Anklage erhoben. Der Mann soll den Missbrauch von Kindern gefilmt haben; nach einem Fahndungsaufruf des BKA stellte er sich selbst.

Auf den Fotos zeigt Bild den Mann nicht nur unverfremdet, in einer Bildzeile steht:

Der mutmaßliche Kinderschänder liegt nackt auf dem Bett, schaut direkt in die Kamera: Mit diesem Bild fahndete das BKA nach dem Dreckschwein.

Ich rede seit Jahren nicht mehr mit Journalisten der Bild. Uuups, fast hätte ich statt „Journalisten“ was anderes geschrieben.

Laufleistung optimiert

Mein Mandant war rundum glücklich mit dem gut gepflegten Gebrauchtwagen, den er vor einigen Tagen erstanden hatte. Nur eine Sache nervte ihn – der relativ hohe Kilometerstand. Mehr als 100.000 Kilometer; danach sah die Kiste gar nicht aus.

Wie gut, dass sich so ein Tacho relativ leicht runterdrehen lässt. Wenn man die richtigen Leute kennt. Oder auch die falschen. Kurz nach der Aktion fiel nämlich ausgerechnet der Polizei durch einen fast schon unglaublichen Zufall auf, dass die jetzt angezeigten 70.000 Kilometer nicht ganz richtig sein können.

Was der Mandant nicht wusste: Den Tacho mit passender Software nach unten drehen, ist seit geraumer Zeit strafbar. Auch wenn (momentan) gar kein Weiterverkauf des Wagens geplant ist.

Wieso die Staatsanwaltschaft es hier aber nicht bei einer Einstellung belassen konnte, sondern direkt einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen beantragen musste, erschließt sich mir nicht so ganz.

Ich werde also noch mal mein Glück beim Richter versuchen. Falls auch der kein Einsehen hat, können wir die Geschichte immer noch ans Fernsehen verkaufen. Für einen mittelguten Sketch reichen die Details, die ich momentan leider nicht näher beschreiben kann, allemal.