Bei der Frage, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist es vorrangig der Berurteilung des Tatrichters überlassen, welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst. Darüber sind sich die Juristen weitgehend einig. So lautet auch die Vorgabe des Bundesgerichtshofs, der in solchen Fragen fast immer das letzte Wort hat.
Wenn ein ehrbarer Uhrmachermeister in seinem Laden überfallen und ausgeraubt würde, spräche sicher erst einmal wenig für einen minder schweren Fall. Aber wie sieht es aus, wenn zwei Männer sich mit einem Messer und einer Hantelstange bewaffnen und dann einen stadtbekannten Dealer aufsuchen – um ihm unter Androhung von Gewalt Marihuana wegzunehmen? Angestrebte Beute in diesem Fall: bis zu drei Kilo.
Für den Überfall auf den Dealer hat das Landgericht Essen nach einem Bericht der WAZ genau unterschieden. Minder schwerer Fall – auch weil das Opfer kein unbescholtener Bürger ist. „Milieutat.“ So habe schon die Staatsanwältin den Takt vorgegeben.
Gut möglich, dass die Geständnisfreude der Täter das Gericht vor ein Problem stellte. Bei Raub und Erpressung ist man schnell bei sehr hohen Mindeststrafen, vor allem wenn mehrere die Tat begehen. Oder Waffen im Spiel sind. Der minder schwere Fall ist dann ein geeigneter Ausweg, um offensichtlich nicht passende Sanktionen zu vermeiden.
Ob sich die Justiz aber aufschwingen sollte, die gesellschaftliche und soziale Stellung des Opfers explizit zum Maßstab für die Bestrafung der Täter zu machen? Ein fragwürdiges Signal ist es jedenfalls.