Hier lässt sich nachlesen, was der heftig angefeindete Thilo Sarrazin im Zusammenhang gesagt hat.
Man muss seine Bestandsaufnahme nicht vollständig finden. Man kann seine Meinung für falsch, seine Ausdrucksweise für überzogen halten. Aber Beleidigung? Volksverhetzung gar?
Nein, nein, nein. Eher schon, das, was Don Alphonso in seinem FAZ-Blog herausarbeitet:
Und genau das machen all die von Oben agierenden Klassenkämpfer mit den Argumentationsmustern eines Sarrazin anders. Ihre Strategie lautet „Divide et impera“, weil es das ist, was sie auf lateinisch sagen können, und weil sie – ohne Hintergrundwissen um den Niedergang des Imperiums – gehört haben, dass es bei den Römern funktioniert hatte. Es werden ganze Klassen, Schichten und Weltanschauungen ausgesondert und abgewertet: Die Muslime. Die 68er. Die Arbeitslosen. Die armen Familien. Die Alleinerziehenden.
Man hackt mit ein paar Phrasen unterhalb, seitlich und über der vom Abstieg bedrohten Mittelschicht die nicht genehmen Gruppen weg. Übrig bleibt letztlich der spiessige Kleinbürger voller Angst, man könnte ihm auch seinen kleinen Status wegnehmen und zu solchen Gruppen rechnen. Gruppen des sozialen Prestigeverlustes, Gruppen, vor denen er sich fürchtet, weil sie nicht seiner und der Herrschenden Norm entsprechen. Gruppen, mit denen man den Mittelstand dazu bringt, die Herrschaft der Spalter von Oben zu lieben.
Man sollte Sarrazin also nicht für seine Offenheit tadeln. Man sollte ihn preisen. Weil er den Vorhang aufreißt und den Blick auf das öffnet, was bei uns ziemlich unappetitlich hinter der Political Correctness gärt – in den Leserkommentaren der Onlinezeitungen zum Beispiel.
Dagegen kommen keine Gedankenpolizei und keine Gesinnungsstaatsanwälte an. Höchstens eine vernünftige Politik für die von Sarrazin angesprochenen Menschen, von denen viele Jüngere (weniger die Kopftuchmädchen, mehr die zornigen Jungs) so sind, wie sie sind, von denen aber viele anders wären, wenn man sie nicht seit 15, 20 Jahren ungerührt im Regen stehen ließe.