Essen/Mülheim/Duisburg. Die Mülheimerin Marion W. könnte noch leben – sie wurde am 8. März 2009 erdrosselt in ihrer Wohnung gefunden. Der 38-jährige Thorsten D. hatte die Möglichkeit und die Zeit zu dieser Tat. Obwohl gegen ihn die Essener Kriminalpolizei schon fünf Monate vorher wegen einer anderen Tat gute Gründe für die Untersuchungshaft hatte, lehnte die Staatsanwaltschaft Duisburg den Antrag auf U-Haft dankend ab: „Die Polizei hat die Anregung erwogen“, schob Oberstaatsanwalt Bernd Englisch den Schwarzen Peter von der Behörde, „aber nicht zeitnah weiter verfolgt“. „Das ist eine Lüge“, konterte Polizeisprecher Ulrich Faßbender. Englisch begebe sich mit seiner „falschen Behauptung auf dünnes Eis“.
Fakt ist: Thorsten D. blieb nach dem sexuellen Missbrauch der 13-jährigen Tochter seiner Ex-Frau bis zum Prozess 9 Monate lang auf freiem Fuß. Er wurde erst vor knapp 3 Monaten zu 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Und sitzt wegen Verdacht des Totschlags an seiner ehemaligen Geliebten Marion W. seit 8 Tagen in Untersuchungshaft. „Das alles ist nur noch frustierend“, kommentiert Wilfried Albishausen vom Bund Deutscher Kriminalbeamten den Fall – die Essener Kriminalpolizei habe alles richtig gemacht. Die hatte im September vorigen Jahres durch eine Anzeige vom sexuellen Mißbrauch der 13-jährigen in Mülheim erfahren. Dem Mädchen soll Thorsten D. vorher Schlaftabletten gegeben haben, um sie zu betäuben. Einen Monat später regte die für Mülheim zuständige Kripo in Essen die Untersuchungshaft bei der Staatsanwalt Duisburg an. Wegen der Höhe der für den Täter zu erwartenden Strafe. Und wegen Verdunkelungsgefahr. Diese Gründe hielt die Staatsanwaltschaft für „nicht ausreichend“.
Dem widerspricht Oberstaatsanwalt Bernd Englisch zwar, kann aber keine Tatsachen nennen: „Die Akte ist unterwegs“. Danach ist er nicht mehr erreichbar. Unterdessen untermauert Polizeisprecher Ulrich Faßbender die Aktivitäten der Kripo. Als Thorsten D. ein Geständnis abgelegt hatte, sei der Eildienst der Staatsanwaltschaft Duisburg nicht erreichbar gewesen. Auch deswegen habe die Kripo einen Monat später noch einmal auf Untersuchungshaft gedrängt. Doch den Antrag der Staatsanwaltschaft habe es nicht gegeben. Unterdessen war in Mülheim die Leiche der erdrosselten Marion W. (49) gefunden worden. Die Essener Kripo ging zunächst von einer Selbsttötung aus, sicherte aber DNS-Spuren. Die wiederum führten nach Untersuchungen des Landeskriminalamtes zu Thorsten D. – er wurde am Donnerstag vergangener Woche an seiner Arbeitsstelle in Mülheim festgenommen und in Untersuchungshaft geschickt. Er hatte die Zeit und die Möglichkeit, Marion W. zu töten.