Beleidigung steuerlich nicht abzugsfähig

Der Betriebsprüfer eines baden-württembergischen Finanzamtes war wohl mit dem linken Fuß aufgestanden. Auf dem Weg zur Arbeit bat er einen anderen Autofahrer: „Fahr doch vor, du Arschloch!“ Das brachte ihm eine Strafe wegen Beleidigung ein.

Die Stimmung des Betriebsprüfers hat das nicht verbessert. Vor dem Finanzgericht wollte er seine Anwaltskosten aus dem Strafprozess steuerlich anerkennen lassen. Die Richter am Finanzgericht Baden-Württemberg hatten jedoch wenig Verständnis für das Anliegen des Betriebsprüfers. Sie urteilten, die Äußerungen des Klägers lägen nicht mehr im Rahmen seiner beruflichen Aufgabenerfüllung. Sie beruhten vielmehr auf privaten, den beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen.

Die Beleidigung sei nicht in Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Betriebsprüfer geschehen, sondern nur bei Gelegenheit. Sie beruhe allein auf dem konkreten Verhalten des Klägers im Straßenverkehr und entspringe nicht einem besonderen beruflichen Risiko.

Über die Laune des Betriebsprüfers nach dem Urteil ist nichts bekannt.

(Finanzgerichtshof Baden-Württemberg, 6 K 327/07; via)

543 Seiten zum rechtsfreien Raum

„Die Fülle des Rechtsgebiets „Internetrecht“ droht auch den Verfasser
dieses digitalen Buchs zu überfordern. Es fällt sehr schwer, auf die Hybris zu verfallen, auf
allen Gebieten des Internetrechts zu Hause sein zu wollen.“

Prof. Thomas Hoeren im Vorwort zu seinem Skript Internetrecht (543 Seiten, PDF).

Leider versandt

Nach einem Teilfreispruch im Berufungsverfahren hatte ich die Anwaltskosten festsetzen lassen. Der Beschluss kam. Auf das Geld warte ich nun schon Monate.

Ich frage nach, wann mit der Überweisung zu rechnen ist. Das Gericht antwortet:

… wird Ihnen mitgeteilt, dass die Akte leider versandt und trotz Aufforderung noch nicht zurückgekehrt ist. Es wird um geräumige Fristsetzung gebeten.

Ich bin natürlich gnädig. Nur an meiner Antwort feile ich noch. Favorit derzeit:

Die beantragte Fristverlängerung wird gewährt.

Schöne Städte lassen grüßen

Ich habe gerade dem Hessischen Rundfunk in einem Interview gesagt, die Forderung nach 2.000 zusätzlichen Cybercops, die im Internet auf Streife gehen, erinnere mich an Ostberlin, Teheran und Peking.

Da es nur ein Kurzinterview für eine Nachrichtensendung war, hier die nähere Begründung.

Es gibt bereits heute Internetstreifen. Beim Bundeskriminalamt ist die „anlassunabhängige Internetüberwachung“ aktiv. Wie man hört, ist die Abteilung nicht schlecht besetzt. Ein Tätigkeitsschwerpunkt ist die Überwachung von Tauschbörsen auf kinderpornografisches Material. Ein Fahnder aus der Abteilung sagte mir kürzlich, dank einer speziellen Software werde praktisch jede deutsche IP-Adresse erwischt, über die verbotenes Material zum Upload bereitgehalten werde. Von der Zahl der Akten, die „via BKA“ auf meinem Schreibtisch landen, würde ich das bestätigen.

Da es nun schon eine Liste für die Stoppseiten vor kinderpornografischen Webseiten gibt, kann man wohl auch davon ausgehen, dass die weitaus meisten Angebote dieser Art den Behörden zumindest bekannt sind. Immerhin können sie sich ja auch auf die Listen aus Australien, Schweden und anderen Ländern stützen.

Dass 2.000 zusätzliche Polizisten zum Kampf gegen die Kinderpornografie im Netz erforderlich sein könnten, schließe ich aus. Dem BKA sind selbst nach eigenen Angaben nur etwa 2.000 sperrfähige Seiten bekannt. Sollen sich die Cypbercops auf den betreffenden Seiten Tag für Tag auf die Füße treten?

Überdies wird auch bei einigen Landeskriminalämtern das Internet überwacht. Und zwar gut. Das sieht man unter anderem daran, dass mitunter zwei unterschiedliche Behörden Ermittlungen aufnehmen. Bei Gelegenheit erzähle ich mal die Geschichte des Mandanten, bei dem Anfang des Monats auf Veranlassung des BKA durchsucht wurde. Mitte des Monats standen dann wieder Fahnder vor der Tür, die aus Berlin in Marsch gesetzt wurden. In der gleichen Sache, wie sich nach einigen Telefonaten herausstellte.

Die Berliner fuhren mit langen Gesichtern wieder heim.

Die Frage ist also, wo sollen 2.000 zusätzliche Cybercops eigentlich den ganzen Tag und die ganze Nacht hinusurfen?

Hauptärgernis für den Bürger dürfte die „kleine“ Wirtschaftskriminalität im Internet sein. Bei Ebay ein Notebook bestellt, per Vorkasse gezahlt, aber nichts geliefert bekommen. Das ist der Klassiker, er ist in unzähligen Abwandlungen bekannt.

Solche Fälle setzen aber in aller Regel eine Strafanzeige voraus. Oder sollen unsere Streifenpolizisten auch die Möglichkeit haben, sich schon mal in jeden beliebigen Verkäufer- oder Kundenaccount einzuloggen und „nach dem Rechten“ zu sehen? Sollen Sie den E-Mail-Account des ebay-Anbieters „mohammed34“ überprüfen, bloß weil der Flachbildfernseher anbietet, aber nur magere 96 % positive Bewertungen hat? (Und weil er so heißt, wie er heißt?)

Wenn die Cybercops noch einen Hauch Bürgerrechte zu achten haben, werden sie auch weiter auf Strafanzeigen auf diesem Gebiet angewiesen sein. Diese Strafanzeige erstattet der Betroffene aber auch heute schon – bei seiner Polizeidienststelle oder der Internetwache. Auch wenn ich mich wiederhole: Jeder dieser Anzeigen geht die Polizei mit einer Akribie nach, die manchmal schon beängstigend ist. Bei Gelegenheit erzähle ich die Geschichte einer Familie, wo Vater, Mutter, Sohn und Tochter unisono als Beschuldigte vorgeladen wurden, bloß weil über die IP-Adresse des hauseigenen DSL-Anschlusses eine Tankkarte im Wert von 8,50 Euro unter falschem Namen bestellt worden sein soll. Der Ermittlungsrichter, ein Mann mit Augenmaß, hatte immerhin einen Durchsuchungsbeschluss abgelehnt.

Was bleibt? Das Feld Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung und Stalking. Sollen die 2.000 Polizisten den ganzen Tag Facebook, StudiVZ, Twitter und Weblogs lesen und gucken, ob jemand seinem Mitschüler, seinem Kollegen oder Vereinskameraden verbal auf die Füße tritt? Anders gefragt: Würde sich ein Streifenpolizist mit an den Gartenzaun stellen und vorsorglich das Gespräch zweier Nachbarn mithören, nur wegen der entfernten Möglichkeit, dass der eine den anderen beleidigt?

Nein, gerade Verletzungen der persönlichen Ehre fallen den Betroffenen doch selbst auf. Sie erstatten dann, ebenso wie der bei einer Bestellung geprellte Kunde, Strafanzeige. Wenn sie denn wollen. (Nicht umsonst handelt es sich durchweg um Antragsdelikte. Ohne Antrag des Verletzten ist eine Strafverfolgung in der Regel ausgeschlossen.)

Auch wenn ich drüber nachdenke, fällt mir dann nur noch das Gebiet der politisch und religiös motivierten Propaganda ein. Die sogenannten Hass- und Hetzseiten. Gestern hat ein Kommentator im law blog geschrieben, Meinungsfreiheit sei nutzlos, wenn sie nur genehme Meinungen schützt. Ich stimme dem zu. Wir brauchen keine Gedankenpolizei, die im Internet den Blockwart gibt und per Stoppschild oder Löschknopf entscheidet, was dort zu lesen ist.

Eine Gedankenpolizei macht vielleicht heute nur „anderen“ direkt Angst. Aber sie führt auch bei jedem anderen dazu, dass er sich sorgt, ob er nicht vielleicht auch schon im Visier ist. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde über die Vorratsdatenspeicherung ist dieser Punkt ein wichtiges Thema. Das Gericht fragt nämlich, welche Auswirkungen allein das Wissen um Überwachung hat. Die Antwort findet sich auch schon in früheren Urteilen. Überwachung, selbst wenn sie nicht direkt als bedrohlich empfunden wird, führt zu Selbstreglementierung, Konformität und den vorauseilenden Verzicht auf die Wahrnehmung von Bürgerrechten.

Das Resultat ist der geschmeidige Bürger. Möglicherweise ein Aggregatzustand, der dem neuen Verständnis mancher vom funktionierenden Staat sehr entgegen kommt.

Was wir unzweifelhaft brauchen, sind Beamte, die auch im Internet gegen strafbare Handlungen im Bereich Hetze und Propaganda vorgehen. Das sind überraschend wenige. Strafbare Handlungen. Nicht Polizisten. Volksverhetzung gehört dazu, ebenso das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole und gewisse Nazipropaganda. Allerdings haben wir diese Polizisten schon. Sie sitzen in den Abteilungen für Staatsschutz und drehen auch schon heute nicht nur Däumchen. Bei Gelegenheit erzähle ich die Geschichte vom Mandanten, der eine Vorladung zum Staatsschutz erhielt, kurz nachdem er seinen ersten Kommentar in ein – mutmaßlich – islamistisch ausgerichtetes Internetforum geschrieben hat. Im Beitrag selbst ging es um ein Fußballspiel in der türkischen Oberliga.

Bleibt nur das Killerargument Terrorismus. Dass Vorbereitungen von Terroranschlägen, die Bildung krimineller Organisationen und die Verabredung zu Gruppenreisen in Terrorcamps vor den Augen einer Internetstreife stattfänden, wird nicht mal jemand behaupten, der sich das Internet ausdrucken lässt. Und falls das geschieht, soll er mit den Terrorfahndern im BKA sprechen. Die werden ihm erklären, wie zuträglich es für die Ermittlungen wäre, 2.000 Cybercops mit Generalschlüsseln (die Forderung nach dem Internet-Dietrich ist ja unausweichlich) zu versehen und in deutschen E-Mail-Accounts wühlen zu lassen.

Was ist außerdem mit den anderen Tatorten, denen außerhalb des Internets? Bei Gelegenheit erzähle ich mal die Geschichte des Mandanten, der vorletzte Woche vor seiner Haustür zusammengeschlagen worden ist. Nach vier Minuten war der Rettungswagen da. Die Polizei brauchte 27 Minuten. Als vor einiger Zeit bei einem Mandanten eingebrochen wurde, wartete er nach eigenen Angaben sechs Stunden auf die Spurensicherung.

Aus anderen Städten weiß ich, dass die Bewohner schon seit Monaten, wenn nicht seit Jahren keinen Streifenwagen mehr zu Gesicht bekommen haben – und sie leben nicht in einem Villenviertel. Von einem Bezirksbeamten, der zu Fuß geht und einfach mal präsent ist, wollen diese Leute gar nicht träumen.

Aber wir brauchen 2.000 Internetpolizisten. Wie gesagt, Ostberlin, Teheran und Peking lassen grüßen.

Die linke Hand demonstrativ aus dem Fenster baumeln lassen

Zu den größeren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die Polizei gehört das Handyverbot am Steuer. Erst gestern erhielt ich den Anruf eines wutentbrannten Mandanten. Eine Polizeibeamtin will von einer Fußgängerbrücke aus gesehen haben, wie er während der Fahrt auf einer Ausfallstraße sein Mobiltelefon „aufgenommen“ hat. Natürlich war es nur ein Diktiergerät. Natürlich.

Eher skurril fand ich den Polizisten, der sich eine Zeitlang an einer großen Kreuzung unweit unseres Büros hinter einem Fernmeldekasten versteckt hat. An der Kreuzung gibt es viele Telefonsünder, schon deshalb weil die Rotphase mitunter elendig lang ist und der Rückstau Langeweile aufkommen lässt.

Schon die Art und Weise, wie der Beamte zwischen Büschen und Telefonkasten hervorsprang und die Betroffenen rauswinkte, hatte was von Shock & Awe. Ich gehe allerdings davon aus, dass er es nur in seltensten Fällen bei der Verursachung von Angstzuständen belassen hat (= Verwarnung durch schlüssiges Handeln). Er dürfte auf die 40 Euro und den Punkt in Flensburg bestanden haben.

Wie auch immer, womöglich muss die Knöllchenquote demnächst anderweitig erfüllt werden. Das Amtsgericht Gummersbach will das Handyverbot am Steuer kippen und so bundesweit sicher einige hundert Polizisten mit einem Schlag ihrer Hauptbeschäftigung berauben. In der Rechtsprechungsübersicht des Landes Nordrhein-Westfalen findet sich ein Beschluss vom 8. Juli 2009, der weit über das hinausgeht, was Bußgeldrichter sonst so schreiben.

Kein Wunder, denn die Eingabe ist ans Bundesverfassungsgericht gerichtet. Ziel: Karlsruhe höchstselbst möge den Handyverbot-Paragrafen für verfassungswidrig erklären.

Das Amtsgericht Gummersbach sieht den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Mit dem Handyverbot habe der Gesetzgeber erreichen wollen, dass der Autofahrer beide Hände zum Autofahren frei hat. Allerdings, so ist dem Amtsgericht Gummersbach aufgefallen, gibt es noch viele andere legale Beschäftigungen im Auto, die dazu führen, dass der Autofahrer nur eine Hand, ja manchmal sogar gar keine Hände frei hat. Gleichwohl seien diese Aktivitäten nicht verboten.

(Wer bis hierher gelesen hat, sollte nun auch durchhalten. Gleich wird’s, quasi zur Belohnung, sogar schlüpfrig.)

Hier die Liste der Beispiele, welche dem Amtsrichter eingefallen sind:

Es ist überraschenderweise erlaubt,

* das Headset zur Freisprecheinrichtung erst während des Fahrbetriebs anzulegen,

* freihändig zu fahren,

* mit einer Hand oder sogar mit zwei Händen während des Fahrbetriebs bewegliche Sachen im Fahrzeug umzuräumen,

* ein Autoradio von Hand oder auch per Fernbedienung zu bedienen und dabei Gespräche zu führen und/oder Musik zu hören,

* während eines Gesprächs mit einer einwilligungsfähigen Beifahrerin an dieser – mit ihrem Einverständnis – sexuelle Handlungen von einiger Erheblichkeit über oder unter ihrer Bekleidung vorzunehmen,

* selbstbefriedigende Handlungen vorzunehmen, soweit sie nicht nach den allgemeinen Strafgesetzen unter Strafe gestellt sind,

* die linke Hand demonstrativ aus dem geöffneten Fenster der Fahrertür baumeln zu lassen – und gleichzeitig mit Mitfahrern eine Unterhaltung zu führen,

* als Armamputierter die Fahraufgaben ohne Prothese mit nur einer Hand zu erledigen – und gleichzeitig mit Mitfahrern eine Unterhaltung zu führen,

* ein Diktiergerät aufzunehmen und z.B. einen Bußgeldbescheid, eine Anklage oder ein Urteil zu diktieren,

* ein Navigationsgerät aufzunehmen und zu programmieren – und dabei Gespräche mit Mitfahrern zu führen und den insoweit digital wiedergegebenen Anweisungen des Gerätes zu folgen,

* einen elektrischen Rasierapparat zu benutzen und dabei Gespräche mit Mitfahrern zu führen,

* ein der Größe eines Mobiltelefons entsprechendes Fernsehgerät zu benutzen und dabei Gespräche mit Mitfahrern zu führen.

Ich habe eine leise Ahnung, was dabei rauskommt. Ein Karrieresprung jedenfalls nicht.

(Danke an RA Jörg Jendricke für den Link)

Professionell und hoch angesehen

Gestern hatte ich mit einem Link auf eine neue Einrichtung im Land Sachsen-Anhalt hingewiesen. Dort nimmt eine zentrale Stelle ihre Arbeit auf, die nur für Beschwerden gegen die Polizei zuständig ist. Fünf Mitarbeiter sollen dort tätig sein. Die Beschwerdestelle gehört direkt zum Innenministerium, ist also über dem Polizeiapparat angesiedelt.

Ich hatte schon im Stillen überlegt, wie sich die Polizeigewerkschaften zu dieser einmaligen Einrichtung positionieren. Mein Tipp war: helle Begeisterung. Schließlich ist es doch toll, wenn sich nach einiger Zeit herausstellt, dass die Beschwerdestelle heillos überdimensioniert, ja sogar überflüssig ist.

Dem Bild entsprechend, das die Interessenvertretungen regelmäßig von der Polizeiarbeit zeichnen, dürften die Beschwerdemanager nämlich den ganzen Tag aus dem Fenster schauen. Bekanntlich ist die Polizei hochprofessionell, fair, bürgerorientiert – wer soll sich da überhaupt beschweren wollen? Endlich würde sich, der zentralen Bearbeitung und der daraus resultierenden Statistik sei Dank, einmal die 99,15-prozentige Zufriedenheit mit der Polizei belegen lassen.

Jetzt bin ich doch überrascht. Die Deutsche Polizeigewerkschaft findet die Beschwerdestelle nämlich nicht gut. Per Pressemitteilung nölt sie, so eine Einrichtung gebe es für keine andere Berufsgruppe.

Die Kritik geht aber noch weiter. Die Beschwerdestelle unterwerfe die Polizei sogar einem „Generalverdacht“. Zudem:

Die Polizei in Sachsen-Anhalt arbeitet professionell und genießt in weiten Teilen der Bevölkerung hohes Ansehen. Deshalb brauchen wir keine Sonderaufseher! Die Einrichtung einer Beschwerdestelle würde dem Misstrauen gegenüber der Polizei nur Vorschub leisten.

Das ist eine Argumentation, wie man sie auch häufiger in Ermittlungsakten liest. Klingt flüssig, entbehrt aber innerer Logik.

Selbst wenn die Polizei im Land Sachsen-Anhalt nicht nur leidlich, sondern sogar hoch angesehen sein sollte, was hat das damit zu tun, dass mit der Polizeiarbeit unzufriedene Menschen – und seien es noch so wenige – die Möglichkeit bekommen, sich auf einfachem Wege (sogar per Mail!) zu beschweren? Ist das Ansehen etwa ein Wert für sich, der von der Realität keineswegs gefährdet werden darf?

Wieso werden die Menschen der Polizei gegenüber misstrauisch, bloß weil es eine Beschwerdestelle gibt? Ist es nicht eher umgekehrt so, dass der Bürger es als vertrauensbildende Maßnahme sieht, wenn er seine Kritik an eine Stelle richten kann, die nicht unter demselben Präsidiumsdach sitzt wie die Polizeibeamten, mit denen er unzufrieden ist oder es vielleicht demnächst sein wird?

Ja, und dann das große Wort vom Generalverdacht. Wenn rund um die Uhr festgehalten wird, mit wem ich wann von wo aus telefoniere und wann ich mit welcher IP-Adresse online bin, wenn mein Autokennzeichen erfasst und mit einer Datenbank abgeglichen wird, bloß weil ich eine bestimmte Kreuzung passiere, wenn sich jeder Ordnungsamtsmitarbeiter über meine Bankverbindungen informieren kann – dann ist das aus Sicht der Polizeigewerkschaften notwendig, wg. Terrorismus etc. pp. Von einem Generalverdacht kann da selbstverständlich nicht die Rede sein.

Aber wenn es einem selbst etwas weh tut, weil man plötzlich nicht mehr unter Selbstaufsicht steht und womöglich die eine oder andere Sache nicht mehr so einfach im eigenen Haus unter den Teppich kehren kann, dann begründet das einen Generalverdacht? Nun ja, womöglich begründet die hier unverhohlen geäußerte Empfindlichkeit gegen eine (möglicherweise) funktionierende Kontrollinstanz weit mehr Misstrauen, als es die Beschwerdestelle selbst jemals könnte.

Besonders gefällt mir allerdings der Hinweis, so eine Einrichtung gebe es für keine andere Berufsgruppe. Ich habe schnell im Telefonbuch nachgesehen. Die Rechtsanwalts-, Ärzte-, Apotheker- und Notarkammern stehen noch drin.

Zum Schluss möchte ich allerdings ausrufen: Wer nichts zu verbergen hat, kann sich auch kontrollieren lassen.

Zu wirklich jedem Thema

Zitat aus einem Kommentar:

Je mehr Beiträge ich hier von Anwalt V. lese (der ne Menge Zeit zu haben scheint, sich wirklich zu jedem Thema ellenlange Ergüsse auszudenken, obwohl doch der Tag eines Anwalts ausgefüllt genug sein müsste)…

Ich lüfte, mal gar nicht weit ausholend, das Geheimnis. Keine Familie. Kein ausschweifender Sex. Keine Partys. Putzfrau.

Übersetzte Nazi-Parolen nicht immer strafbar

Verbotene Nazi-Parolen sind unter Umständen dann nicht strafbar, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt worden sind. Der Bundesgerichtshof hob deshalb die Verurteilung eines Mannes auf, der T-Shirts mit dem Slogan „Blood & Honour“ und anderen NS-Sprüchen vertreiben wollte.

Das Gericht meint, der fremdsprachige Gebrauch einer NS-Parole unterfalle nicht dem Straftatbestand des § 86 a StGB. Diese Vorschrift stelle nicht jedes Bekenntnis zu einer NS-Organisation – was hier fraglos vorliege – unter Strafe, sondern nur die Verwendung von Kennzeichen dieser Organisationen, etwa ihrer Parolen, Abzeichen, Fahnen etc.

Gleichermaßen strafbar ist auch der Gebrauch von Symbolen, die den Originalen zum Verwechseln ähnlich sind. Eine Verwechslungsgefahr liege jedoch nur dann vor, wenn die Nachahmung und das Original in wesentlichen Vergleichspunkten übereinstimmen, was bei leichten Abwandlungen des Originalsinnbilds regelmäßig der Fall ist.

Durch die Übersetzung in eine andere Sprache erfahre eine NS-Parole, die nicht nur durch ihren Sinngehalt, sondern ebenso durch die deutsche Sprache ihre charakteristische Prägung erfahren habe, jedoch eine grundlegende Verfremdung, die der Tatbestand des § 86 a StGB nicht erfasse.

Der Angeklagte kann sich, so das Gericht, jedoch gleichwohl wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar gemacht haben, wenn er den Namen der in Deutschland verbotenen Vereinigung „Blood & Honour“ symbolhaft verwendet hat. Erfahre der Name einer verbotenen Organisation eine gestalterische Ausformung, etwa durch eine besondere Schriftgebung, köne ihm die Funktion eines Kennzeichens zukommen.

Ob ein Symbol vorliegt, hat die Vorinstanz jedoch nicht geprüft. Ebenso wenig hat sie untersucht, ob sich der Angeklagte durch das Vorrätighalten der mit einem aggressiv-kämpferischen Text bedruckten T-Shirts wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB) oder wegen Unterstützens des organisatorischen Zusammenhalts der verbotenen Vereinigung „Blood & Honour“ nach § 85 StGB strafbar gemacht hat.

Diese Fragen müssen nun in einer neuen Verhandlung geklärt werden.

Urteil vom 13. August 2009

Fotografin will nicht klagen

Die Fotografin des Schäuble-Wahlplakates wird nicht juristisch gegen netzpolitik.org vorgehen. Hatte sie gestern noch die Löschung der Plakat-Satiren verlangt, erklärte sie heute der taz, sie werde nicht vor Gericht ziehen:

Ich habe Besseres zu tun. Ich bin aber nicht erfreut darüber, dass meine Bilder diffamiert werden. Ich finde es schade, dass meine Urheberrechte nicht akzeptiert werden, dass es keinen Respekt vor meiner Arbeit zu geben scheint.

Gut, man könnte sich seine Statements vorher überlegen. Muss man nicht, dann kommen solch heitere Sentenzen zustande. Welcher der Remixe diffamiert denn die Fotos der werten Menschenabbilderin? Dreh- und Angelpunkt sind doch die auf dem Bild gezeigte Person und die CDU – und insbesondere deren politisches Wirken.

Aber nun ja, damit ist wenigstens ein bisschen Klarheit hergestellt. Und dass die Macher von netzpolitik.org auch vor der ins Spiel gebrachten Phalanx namhafter Medienanwälte nicht eingeknickt sind, sollte ihnen hoch angerechnet werden.

Weiterer Bericht auf Spiegel online.

Offenes Gespräch

Gestern bin ich beim Bundeskriminalamt an einen spröden Polizisten im Dauerdienst, der gehobenen Telefonzentrale, geraten. Heute ein erneuter Versuch der Kontaktaufnahme, diesmal mit der zuständigen Staatsanwältin in Frankfurt.

Freundliche Dame, nach eigenem Bekunden gerade dabei, einige Asservate der gestrigen Razzien zu sichten. Sogar die Frage, ob es gegen meinen Mandanten einen Haftbefehl gibt, haben wir in aller Offenheit erörtert.

So geht es also auch – sicher nicht zum Schaden beider Seiten.

Schnell zurückpfeifen

Innenminister Wolfgang Schäuble, das schicke ich vorweg, ist bestimmt unschuldig am Wirbel um sein Wahlplakat. Er hat in den letzten Jahren viel Kritik abbekommen, aber selbst die drastische Schäublone nicht dazu genutzt, die nicht immer freundlich geführte politische Debatte mit rechtlichen Schritten zu beeinflussen. Ein Beleidigungsverfahren gegen einen Mann, der die Schäublone aufs Auto geklebt hatte, ist eingestellt worden. Wie man hört schon deswegen, weil Schäuble keinen Strafantrag gestellt hat.

Auch Familienministerin Ursula von der Leyen zeigt in ähnlicher Frage durchaus demokratische Qualitäten. Das „Zensursula“-Label hat ihr einen hoffentlich wenig schmeichelhaften Textkasten in jeder digitalen Politik-Unterrichtseinheit künftiger Schülergenerationen gesichert. Doch sie lobt das Ganze als „pfiffige Aktion“ und freut sich auch in der Zukunft auf „spannende Debatten“.

Es spricht also im Moment wenig dafür, dass bei der CDU jemand um den Erfolg der Plakataktion bangte und auf die glorreiche Idee gekommen ist, die Fotografin der Motive als Verfechterin des Urheberrechts vorzuschicken. Wenn ja, war es keine glückliche Entscheidung. Das gilt auch, falls die Fotografin nicht mit der CDU abgesprochen hat, dass sie von netzpolitik.org die Löschung der kreativ verfremdeten Plakate verlangen wird.

Die Fotografin liegt nämlich falsch. Sie kann die Löschung nicht verlangen.

Der erste diskussionsfähige Punkt ist, ob die Remixer überhaupt ein Werk der Fotografin verfremden. Sie nehmen nämlich nicht nur das Foto, sondern das im Auftrag der CDU von einer Werbeagentur erstellte Wahlplakat. Dieses Plakat besteht nicht nur aus dem Bild, sondern auch aus Text und einer grafischen Gestaltung.

Das Plakat dürfte also schon selbst wiederum ein eigenständiges Werk sein. Zum Beispiel ist es nicht verboten, ein Kochbuch zu fotografieren, auf dessen Titelseite eine Tomate prangt, und dieses Foto vom Kochbuch zu veröffentlichen. Auch wenn das Foto des Kochbuchs natürlich auch die Tomate zeigt, ist das Urheberrecht des Tomatenfotografen nicht verletzt.

Lasssen wir das mal offen, denn es gibt eindeutigere Punkte. Zunächst hat die Fotografin in einem Punkt recht. Das Urheberrecht für die Fotos liegt bei ihr. Schon deswegen, weil man das Urheberrecht nicht übertragen kann. Was man als Inhaber des Urheberrechts allerdings übertragen kann, sind die Nutzungsrechte. Wie weit diese im vorliegenden Fall jedenfalls gehen, lässt sich auf der Homepage der CDU nachlesen, wo es auch die Plakate zum Download gibt:

Alle Bilder auf www.bilder.cdu.de können für redaktionelle Zwecke unter Angabe des Bildnachweises (Foto: www.bilder.cdu.de) sowie des Fotografen (soweit genannt) kostenlos verwendet werden.

Die CDU räumt also das Recht ein, sämtliches Material für redaktionelle Zwecke zu verwenden. Wir müssen die Frage nicht beantworten, ob die Einschränkung auf redaktionelle Zwecke zulässig ist. Denn netzpolitik.org ist mittlerweile eine wichtige, viel beachtete und seriös geführte Online-Publikation.

Längst ist auch geklärt, dass derjenige, der Pressematerial zur Verfügung stellt, keine Einschränkungen zur inhaltlichen Verwendung machen kann. Nach dem Motto: Sie dürfen das Material nur nutzen, wenn positiv berichtet wird oder keine Veränderungen vorgenommen werden. Das ist mit der Presse- und Meinungsfreiheit nicht vereinbar.

Insoweit geht das Argument der Fotografin, sie wolle ihre Bilder nicht für Kampagnen oder Diffamierungen verwendet wissen, ins Leere. Jedenfalls so lange, wie die Remixe nicht gegen die allgemeinen Gesetze verstoßen, also zum Beispiel beleidigen. Dann wäre aber wiederum nicht die Fotografin am Zug. Sondern Wolfgang Schäuble. Oder seine Partei.

Nun könnte es so sein, dass die Fotografin schlauer ist als die CDU – und mit der Partei einen Knebelvertrag abgeschlossen hat. Möglicherweise hat sie der CDU gar nicht gestattet, ihre Fotos für Plakate zu verwenden, die dann wiederum als Pressematerial frei im Internet abgerufen werden können. Die CDU würde also Nutzungsrechte einräumen, die sie gar nicht hat.

Man kann sich denken, wie realistisch dieses Szenario ist.

Die Remixe auf netzpolitik.org sind also von den Nutzungsrechten, welche direkt von der CDU eingeräumt werden, gedeckt.

Wir brauchen also nur noch akademisch weiter zu denken. Was wäre, wenn die CDU ihr Pressematerial nicht so freigiebig streute? Die Antwort ergibt sich schon aus § 24 Urheberrechtsgesetz:

Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.

Es ist also keineswegs so, dass sich Dritte nicht an fremden Werken bedienen dürfen. Es ist gestattet, wenn sie ein selbständiges Werk schaffen. Die Remixe sind jeweils ein eigenständiges Werk in Form der Satire. Satire ist gekennzeichnet durch die „antithematische Auseinandersetzung“. Dabei wird der Kritisierte mit den eigenen Mitteln geschlagen. Bei den Schäuble-Remixen entlarvt eine Sprechblase die andere. Der prozesserfahrene Plakat-Pionier Klaus Staeck lässt übrigens grüßen.

Überdies gibt es viele gerichtliche Ansagen durch alle Instanzen, dass gerade die politische Auseinandersetzung besonders frei geführt werden muss, noch dazu in Wahlkampfzeiten. Die Remixe sind also nicht nur von der Kunst-, sondern auch von der Meinungsfreiheit geschützt.

Wenn die CDU klug ist, bleibt sie locker wie Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen und behindert nicht, zumindest indirekt, die politische Diskussion im Land. Dazu gehört, die Fotografin ganz schnell zurückzupfeifen.

schauble20

Unsere neuen Supercops

Ich hatte Gelegenheit, beim Bundeskriminalamt anzurufen. Laufende Ermittlungen. Konkret: Beamte haben bei meinem Mandanten, der nicht zu Hause war und auch nicht vorhat, nach Hause zu gehen, durchsucht. Jetzt sitzen sie im Auto vor seinem Haus. Ich nehme an, sie warten nicht auf den Pizzaservice.

Da sich in der zuständigen Abteilung niemand meldet, werde ich zum Dauerdienst im Bundeskriminalamt durchgestellt. Der dortige Diensthabende möchte zuerst wissen, von wem ich weiß, dass seine Kollegen vor der Haustüre stehen. Das fragt er drei Mal, in einem jovialen Tonfall zwischen Pilawa und Jauch; ich fühle mich aber trotzdem nur marginal in meiner Ehre als Strafverteidiger gekränkt.

Dann kommt der übliche Spruch, er wisse ja nicht, wer ich bin, deshalb könne er mir nichts zu einem laufenden Verfahren sagen. Ich erkläre, dass ich gar nichts von ihm wissen will, sondern ihm nur gern das mir mittlerweile bekannte Aktenzeichen und meine Mobiltelefonnummer durchgeben möchte. Verbunden mit der Bitte, seine im Auto wartenden Kollegen zu kontaktieren und ihnen anzubieten, mich doch mal anzurufen. Wenn sie denn wollen. Was ja sein könnte.

Der Beamte erklärt, dafür bräuchte der Beschuldigte keinen Anwalt. Der Beschuldigte solle sich doch bitte selbst melden. Langsam ringe ich doch um Fassung, schaffe es aber noch freundlich zu fragen, ob er denn nun meine Telefonnummer notieren möchte. Noch mal: unverbindlich, nur für den Fall, dass seine Kollegen vor Ort mit mir sprechen und vielleicht ihre Wartezeit abkürzen wollen.

„Nö.“ Dann legt er auf.

So viel zu unseren neuen Supercops.

Am liebsten ein Leitz-Ordner

Der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss hat kinderpornografisches Material besessen. Das streitet er nicht ab. Aber, sagt Tauss, seine Aktivitäten in einem Tauschring seien nicht strafbar gewesen. Er habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Abgeordneter gehandelt und versucht, sich über die Thematik aus erster Hand zu informieren.

Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften sind in § 184b Strafgesetzbuch geregelt. Absatz 5 der Vorschrift enthält eine Ausnahmeregelung. Diese Klausel ist verständlich formuliert:

Die Absätze 2 und 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.

In der eher dürftigen strafrechtlichen Literatur zu dem knappen Satz wird ausdrücklich erwähnt, dass die Vorschrift nicht nur verdeckte Ermittlungen der Polizei erfasst. Vielmehr sei auch die Tätigkeit von Anwälten, Sachverständigen, Ärzten oder Wissenschaftlern umfasst, bei denen der Umgang mit der Kinderpornografie unerlässlich sei.

Die Aufzählung ist nicht abschließend. Das ist unschwer zu erkennen. Wie steht es also um einen Bundestagsabgeordneten?

Der Abgeordnete ist zunächst Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen (Artikel 38 Grundgesetz). Das ist ein ganzer Tick mehr als bei den gemeinhin als ziemlich frei angesehenen Richtern. Diese sind zwar auch unabhängig, aber immerhin „dem Gesetz unterworfen“ (Artikel 97 Grundgesetz).

Aus der Verpflichtung nur gegenüber dem Volk darf man jetzt nicht schließen, der Abgeordnete müsse keine Gesetze achten. Die Gesetze gelten auch für ihn. Sehr wohl kann man aber daraus schließen, dass er einen „dienstlichen“, nämlich einen verfassungsrechtlichen Auftrag hat, dem Volk im Rahmen des parlamentarischen Systems zu dienen. Wobei der Abgeordnete in erster Linie an der Gesetzgebung mitwirkt, also zum Beispiel auch an der Ausgestaltung des Strafrechts. Also zum Beispiel auch an der Frage, ob und wie Vertrieb, Erwerb und Besitz von Kinderpornografie bestraft werden muss.

Dass einem freien Abgeordneten dann auch zugestanden werden muss, sich über die Themen möglichst lebensnah zu informieren, zu denen er Gesetze erlässt, halte ich für naheliegend. Offensichtlich haben auch die Ermittler in Karlsruhe, die gegen Jörg Tauss vorgehen, nicht (mehr) die Neigung, die Ausnahmevorschrift zu ignorieren. Im an den Spiegel geleakten Abschlussbericht, ob von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft bleibt offen, soll stehen, man habe keine Hinweise gefunden, dass das aufgefundene Material im Zusammenhang mit der Abgeordnetentätigkeit von Tauss stehe.

Da stellt sich die Frage, wie solche Hinweise denn nach den Vorstellungen eines Staatsanwalts auszusehen hätten. Ein ordentlich ins Abgeordnetenbüro eingestellter Leitz-Ordner wäre gut, eine Spannmappe mit der Aufschrift „Kinderporno-Ermittlungen“ sollte es aber zumindest sein?

Anders gefragt: Sind fehlende Bezüge zur Abgeordnetentätigkeit ein Beleg dafür, dass Tauss privat Kinderpornos gesammelt hat? Oder müsste ihm nicht eher eben dies positiv nachgewiesen werden? Was zählt, wenn es eben in die eine oder andere Richtung keine eindeutigen Belege gibt, letztlich das Wort von Tauss? Und welche Rolle spielt ganz am Ende, wenn es eben nur magere Indizien in die eine wie die andere Richtung gibt, der auch für den Abgeordneten gültige Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“?

Kaum tauglich scheint das ebenfalls erwähnte Argument, es gebe keine Belege, dass Tauss die Ergebnisse seiner Tätigkeit veröffentlichen wollte. Natürlich wäre es für Tauss sehr entlastend, wenn sich in seinem Computer der Entwurf eines Berichts an wen und für wen auch immer zu dem Thema gefunden hätte. Aber ist das Fehlen eines solchen Veröffentlichungswillens (Tauss sagt selbst, er wollte nichts veröffentlichen) ein Beleg dafür, dass Tauss nicht „dienstlich“ handelte?

Die Strafverfolger in Karlsruhe bewegen sich offensichtlich auf dünnem Eis. Natürlich kann es halten. Sie können aber auch ganz schnell eine frostige Erfahrung machen. Und am Ende als diejenigen dastehen, die nicht nur durch Ermittlungen, sondern auch durch dreiste, kampagnenartige Öffentlichkeitsarbeit einen Menschen ins Abseits gedrängt haben.

Eine im Spiegel erwähnte Tatsache spricht jedenfalls eher für den Abgeordneten Jörg Tauss. 356 Bilder und 59 Videoclips sind nicht die Menge, die man gemeinhin bei Kinderpornokonsumenten findet. Das ist, im Vergleich zu „normalen“ Fällen, wenig. Darauf weist Tauss‘ Anwalt zu Recht hin.