Gestern hatte ich mit einem Link auf eine neue Einrichtung im Land Sachsen-Anhalt hingewiesen. Dort nimmt eine zentrale Stelle ihre Arbeit auf, die nur für Beschwerden gegen die Polizei zuständig ist. Fünf Mitarbeiter sollen dort tätig sein. Die Beschwerdestelle gehört direkt zum Innenministerium, ist also über dem Polizeiapparat angesiedelt.
Ich hatte schon im Stillen überlegt, wie sich die Polizeigewerkschaften zu dieser einmaligen Einrichtung positionieren. Mein Tipp war: helle Begeisterung. Schließlich ist es doch toll, wenn sich nach einiger Zeit herausstellt, dass die Beschwerdestelle heillos überdimensioniert, ja sogar überflüssig ist.
Dem Bild entsprechend, das die Interessenvertretungen regelmäßig von der Polizeiarbeit zeichnen, dürften die Beschwerdemanager nämlich den ganzen Tag aus dem Fenster schauen. Bekanntlich ist die Polizei hochprofessionell, fair, bürgerorientiert – wer soll sich da überhaupt beschweren wollen? Endlich würde sich, der zentralen Bearbeitung und der daraus resultierenden Statistik sei Dank, einmal die 99,15-prozentige Zufriedenheit mit der Polizei belegen lassen.
Jetzt bin ich doch überrascht. Die Deutsche Polizeigewerkschaft findet die Beschwerdestelle nämlich nicht gut. Per Pressemitteilung nölt sie, so eine Einrichtung gebe es für keine andere Berufsgruppe.
Die Kritik geht aber noch weiter. Die Beschwerdestelle unterwerfe die Polizei sogar einem „Generalverdacht“. Zudem:
Die Polizei in Sachsen-Anhalt arbeitet professionell und genießt in weiten Teilen der Bevölkerung hohes Ansehen. Deshalb brauchen wir keine Sonderaufseher! Die Einrichtung einer Beschwerdestelle würde dem Misstrauen gegenüber der Polizei nur Vorschub leisten.
Das ist eine Argumentation, wie man sie auch häufiger in Ermittlungsakten liest. Klingt flüssig, entbehrt aber innerer Logik.
Selbst wenn die Polizei im Land Sachsen-Anhalt nicht nur leidlich, sondern sogar hoch angesehen sein sollte, was hat das damit zu tun, dass mit der Polizeiarbeit unzufriedene Menschen – und seien es noch so wenige – die Möglichkeit bekommen, sich auf einfachem Wege (sogar per Mail!) zu beschweren? Ist das Ansehen etwa ein Wert für sich, der von der Realität keineswegs gefährdet werden darf?
Wieso werden die Menschen der Polizei gegenüber misstrauisch, bloß weil es eine Beschwerdestelle gibt? Ist es nicht eher umgekehrt so, dass der Bürger es als vertrauensbildende Maßnahme sieht, wenn er seine Kritik an eine Stelle richten kann, die nicht unter demselben Präsidiumsdach sitzt wie die Polizeibeamten, mit denen er unzufrieden ist oder es vielleicht demnächst sein wird?
Ja, und dann das große Wort vom Generalverdacht. Wenn rund um die Uhr festgehalten wird, mit wem ich wann von wo aus telefoniere und wann ich mit welcher IP-Adresse online bin, wenn mein Autokennzeichen erfasst und mit einer Datenbank abgeglichen wird, bloß weil ich eine bestimmte Kreuzung passiere, wenn sich jeder Ordnungsamtsmitarbeiter über meine Bankverbindungen informieren kann – dann ist das aus Sicht der Polizeigewerkschaften notwendig, wg. Terrorismus etc. pp. Von einem Generalverdacht kann da selbstverständlich nicht die Rede sein.
Aber wenn es einem selbst etwas weh tut, weil man plötzlich nicht mehr unter Selbstaufsicht steht und womöglich die eine oder andere Sache nicht mehr so einfach im eigenen Haus unter den Teppich kehren kann, dann begründet das einen Generalverdacht? Nun ja, womöglich begründet die hier unverhohlen geäußerte Empfindlichkeit gegen eine (möglicherweise) funktionierende Kontrollinstanz weit mehr Misstrauen, als es die Beschwerdestelle selbst jemals könnte.
Besonders gefällt mir allerdings der Hinweis, so eine Einrichtung gebe es für keine andere Berufsgruppe. Ich habe schnell im Telefonbuch nachgesehen. Die Rechtsanwalts-, Ärzte-, Apotheker- und Notarkammern stehen noch drin.
Zum Schluss möchte ich allerdings ausrufen: Wer nichts zu verbergen hat, kann sich auch kontrollieren lassen.