Die Inder und die Kinder

Die Bundesfamilienministerin hat ein Radio-Interview zu ihren Internetsperren gegeben und unter anderem folgendes gesagt:

Das oberste Ziel muss sein, die Täter zu stellen. Das ist Polizeiarbeit. Und das zweite entscheidende Ziel muss sein, die Quelle zu löschen auf dem Server, da, wo sie sind. Aber da gerät man an seine Grenzen, wenn der Server z.B in Indien steht. Ein hochkompetentes Land, was Computertechniken angeht, aber ein Land, das keinerlei Form von Ächtung von Kinderpornografie hat. Da können sie nicht mehr löschen.

Gleiches hatte Ursula von der Leyen auch schon Tage zuvor erklärt (Bericht).

Die Ministerin übersieht hierbei, dass in Indien jede Art von Pornografie streng verboten ist und bestraft wird, also auch Kinderpornografie. Überdies braucht man nicht lange zu googeln um festzustellen, dass Indien sogar besonders harte Gesetze zur Internetregulierung hat.

Ich weiß nicht, wer die Ministerin berät und sie mit Fakten versorgt. Es müssen Menschen sein, die noch nicht mitbekommen haben, dass Volksverdummung heute jedenfalls nicht mehr ohne Widerspruch bleibt.

(Weitere Meinung zum Thema)

Nachtrag: Ein Bürger schreibt an den indischen Botschafter

Nachtrag 2: O-Töne aus dem Interview bei netzpolitik.org.

Nachtrag 3: Es gab offenbar zwei Interviews mit der Ministerin. Radio Sputnik hat jetzt auch die Fassung online gestellt, aus der das Zitat stammt. Hier anhören.

Beabsichtigt Familienministerin F.

Der Leipziger Juraprofessor Christoph Degenhart hat für die aktuelle Ferienhausarbeit seiner Studenten einen süffisanten Einstieg gewählt:

Um den sinkenden Umfragewerten der eigenen Partei mit Hilfe eines aufmerksamkeitsträchtigen, konsensfähigen Themas entgegenzuwirken und um „auch mal an die Kinder zu denken“ beabsichtigt Bundesfamilienministerin F, gegen die ihrer Meinung nach extreme Zunahme kinderpornographischer Internet-Inhalte vorzugehen. Auf ihre Initiative hin bringt die Bundesregierung das folgende Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (TMÄG) ein: …

Der Aufgabentext.

If an illegal situation is found…

Die bislang als liberal geltenden Niederlande führen routinemäßige „Hausdurchsuchungen“ ein. Jedenfalls in der Stadt Den Haag besichtigen Mitarbeiter der Stadt seit Mitte April alle Wohnungen in bestimmten Stadtvierteln. Begründung:

In The Hague, we want pleasant and safe neighborhoods.

Wie sich der Homepage der Stadt entnehmen lässt, verfolgt die Stadt damit einen umfassenden Ansatz. Kontrolliert wird nicht nur die Bausicherheit der Häuser, sondern auch, ob Marihuana angepflanzt, zu Unrecht Sozialhilfe bezogen wird oder sonstige „soziale Probleme“ bestehen.

Die Inspektionen laufen offenbar auf eine umfassende Kontrolle hinaus. So heißt es in einem Schreiben an einen Betroffenen:

If an illegal situation is found during the investigation, you will receive notice about further proceedings as soon as possible.

Bürger, welche die Haustür nicht öffnen wollen, werden überdies belehrt, sie seien dazu verpflichtet. Mit einem Hausdurchsuchungsbeschluss könne die Wohnung auch ohne Einverständnis betreten werden.

Näheres im Blog rop.gonggri.jp. Der Autor will seine Haustür übrigens auf keinen Fall öffnen:

The minute I get one of these letters, I will sue. If I loose, I’ll sell my house and move to Berlin.

(Danke an Florian Holzhauer für den Hinweis)

Wie komme ich an den Namen?

Aus dem E-Mail-Eingang:

Ich habe am Sonntagmorgen beobachtet wie ein Unbeteiligter zu Unrecht von Polizeibeamten in die Mangel genommen wurde und würde mich gerne als Entlastungszeuge zu Verfügung stellen. Da ich, als ich die Namen, die Dienstränge und die Dienststelle erfahren wollte (lediglich ein Beamter nannte mir seinen Namen), einen Platzverweis erhielt, konnte ich leider den Beamten die Situation nicht mehr erklären und zur Entlastung des Festgenommenen beitragen.

Das gänzlich überzogene Verhalten der Beamten habe ich als pure Willkür empfunden.
Jetzt meine Frage: Besteht irgendeine Möglichkeit an den Namen des Verhafteten zu kommen, um ihm als Zeuge zur Verfügung zu stehen. Ich denke, dass mindestens eine Anklage wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt erfolgen wird!

Ins offene Messer

Eine Hamburger Werbeagentur hat sich ein besonderes Projekt ausgedacht – und lässt nach meiner Meinung damit unbedarfte Internetnutzer ins Messer laufen. Hilfsbereite User, die ein bestimmtes Fenster auf der Webseite No-kids.org öffnen, sollen unter ihren eigenen IP-Adressen Tauschbörsen mit gefakten Kinderporno-Dateien überschwemmen. Damit soll die Suche nach echten Kinderpornos erschwert werden. Selbstbeschreibung:

No-Kids.org beinhaltet einen integrierten Tauschbörsen-Client (ein Programm, das jeder Tauschbörsennutzer benötigt, um am Dateienaustausch teilzunehmen). Jedes Mal, wenn ein User No-Kids.org aufruft, verbindet sich die Website mit der Tauschbörse. … Jeder Computer, auf dem No-Kids.org gestartet wurde, dockt sich automatisch an eines dieser Netzwerke an. Und täuscht dann vor, exakt die Datei zu haben, nach der Kinderporno-Konsumenten suchen.

Wer also bei der Aktion mitmacht, gibt sich als Tauschbörsennutzer aus, der kinderpornografische Dateien im Angebot hat. Nach Angaben der Betreiber werden bis zu 200 verschiedene Dateinamen mit verschiedenen Endungen und Hash-Werten erstellt. Die Aktion nennt selbst zum Beispiel einen Dateinamen, der zum „Angebot“ zählt:

2yo old girl raped by dad.mpg

Jeder Teilnehmer sollte sich klarmachen, dass er derart betitelte Dateien unter seiner IP-Adresse anbietet – wenn die Angaben der Seitenbetreiber stimmen. Wortreich wird zwar darauf hingewiesen, in den Dateien seien selbstverständlich keine Kinderpornos, sondern ein Hilfsangebot. Die Verwendung bestimmter Dateinamen sei nicht strafbar. Die Verwendung von No-kids.org sei „vollkommen unbedenklich“.

Letztere Aussage ist schlicht falsch. Für keine Ermittlungsbehörde (weltweit!) dürfte erkennbar sein, dass ausgerechnet dieses Angebot über die Seite No-kids.org generiert wurde. Und ich würde mich auch nicht darauf verlassen, dass die Polizei jede Datei tatsächlich überprüft. Tatsächlich checken die verwendeten Scan-Programme, zum Beispiel beim Bundeskriminalamt, regelmäßig nur Hashwerte; auf den tatsächlichen Download wird meist verzichtet.

Es ist überdies nicht auszuschließen, dass schon allein das massenweise Angebot eindeutig benannter Dateien unter einer bestimmten IP-Adresse einen Anfangsverdacht begründet. Wenn man dem Ratschlag der Betreiber folgt, wird das betreffende Fenster ständig geöffnet gehalten. Man kann sich also ausmalen, wie viele Dateien dann in kurzer Zeit über die eigene IP-Adresse in die Tauschbörsen gepumpt werden.

Um es kurz zu sagen: Jeder, der dort mitmacht, riskiert eine Hausdurchsuchung. Natürlich wird er seine Unschuld beweisen können. Wenn nämlich die Überprüfung der beschlagnahmten Computer, den Rechner am Arbeitsplatz möglicherweise eingeschlossen, keine Kinderpornos ergibt. Aber das kann bekanntlich dauern. Für die sozialen und juristischen Folgen eines Ermittlungsverfahrens übernehmen die Betreiber keine Haftung – obwohl sie ihr Projekt als völlig unbedenklich verkaufen.

Man sollte auch nicht denken, dass Polizisten mit einem Hausdurchsuchungsbeschluss wieder umkehren, bloß weil man sich als Unterstützer von No-kids.org ausgibt. Das wird im Zweifel überhaupt nicht interessieren. Schon weil die Beamten nur ausführende Organe sind. Überdies dürfte die Ausrede, man helfe ja nur No-kids.org, auch bei tatsächlichen Kinderporno-Sammlern bald zum Repertoire gehören.

Bielefeld…

Mein Mandant verbrachte im Frühjahr einige Tage im Zimmer 67 des Hotels Heidsieker Heide, Bielefeld. Beim Auszug vergass er im Zimmer eine Krawatte und ein Datenkabel.

Die Sachen wollte er gerne wieder haben. Hieraus entwickelte sich folgende Korrespondenz:

– Mail vom 15. April 2009 – Hotel Heidsieker Heide antwortet nicht

– Mail vom 6. Mai 2009 – Hotel Heidsieker Heide antwortet nicht

– Einschreiben vom 22. Mai 2009 – Hotel Heidsieker Heide antwortet nicht

– Anwaltsschreiben vom 18. Juni 2009 – Hotel Heidsieker Heide antwortet nicht

Ich möchte ja keinen Verschwörungstheorien Auftrieb geben, aber wenn das kein Beweis ist, dann weiß ich auch nicht.

Ich teste jetzt mal, ob es den Hotel- und Gaststättenverband und die Gewerbeaufsicht in Bielefeld gibt.

Pfand nur gegen Namen und Adresse

Aus dem E-Mail-Eingang:

Heute war ich in einem Getränkemarkt und musste für eine Barauszahlung von 19 € meine Adresse + Name angeben. Keine AGB, nichts. Einfach auf die Rückseite des Bons. Es wäre bei jeder Auszahlung von 10 € normal.

Ich will dafür meine Adresse nicht angeben. Das find ich wirklich sehr bedenklich. Bin ich dazu verpflichtet?

Worum es wirklich geht

Herr N. wurde von einer Firma abgemahnt, die für sich beansprucht, die Produkte eines bestimmten Kleiderlabels in Deutschland exklusiv vertreiben zu können. Angeblich hatte Herr N. ein T-Shirt auf dem Flohmarkt verkauft, welches angeblich ein für dieses Label urheberrechtlich geschütztes Motiv trägt.

Weil Herr N. nicht zu Hause war, verbummelte er die Frist. Er gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab.

Hierauf reagierte die Firma aber nicht so, wie man es hätte erwarten können. Indem sie ihre Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche einklagt. Nein, sie schickte nur einen Mahnbescheid über – die Anwaltskosten.

Da sieht man wenigstens mal deutlich, worum es denen wirklich geht.

Paket vier Monate unterwegs

Der Paketbote vom DPD brachte gerade eine Ermittlungsakte, als sei nichts geschehen. Dabei hat das Gericht diese Akte schon am 5. März 2009 an uns verschickt. Die Akte war also vier Monate unterwegs. Das Verfahren, das mit anderen Sachen verbunden war, ist längst abgeschlossen. Selbst im Gerichtstermin konnte nicht geklärt werden, wo die Akte denn nun abgeblieben ist.

Geruch (ekelig) und Farbe der Verpackung (grün-schwarz) sowie die eigenartige Wellenform der Unterlagen lassen darauf schließen, dass die Akte die meiste Zeit in einer ziemlich feuchten Ecke vor sich hin gegammelt ist.

Nachtrag: Wie es aussieht, hat das Paket sehr lange Zeit in Unna verbracht.

090706a

Ich habe einen Verrechnungstopf

Cortal Consors hat mir ein tolles neues Formular ins Online-Archiv gestellt. Mein erster Beleg aus der nachträglichen Verlustverrechnung! Darauf habe ich, nun ja, eher nicht gewartet.

Wie es aussieht, ist mit der Abgeltungssteuer auch eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten eingeführt worden. Das ergibt in meinem Fall ein fünfseitiges Formular mit unglaublich vielen Zahlen. Auch mein „Verrechnungstopf“ ist genannt; er hat die Kennziffer 10027xx779xxx.

Ansonsten verstehe ich nur Bahnhof. Daran wird sich wohl nichts ändern, bis ich die beeindruckende Informationsbroschüre zum System der nachträglichen Verlustverrechnung studiert habe. Was wahrscheinlich nie der Fall sein wird.

Soll sich meine Steuerberaterin damit quälen.

Blockwart im Brauser

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert den Notrufknopf für Internetseiten, berichtet die Welt. Der Alarmknopf namens „Web Patrol“ soll als Plugin in Browser integriert werden und es ermöglichen, verdächtige Webseiten zu melden. Auf Wunsch auch anonym.

Anonym?

Machen wir uns nichts vor. Was passiert, wenn in der geforderten „Clearing-Stelle“ tatsächlich die IP-Adressen von Meldern nicht gespeichert werden? Dann wird es zeitnah zu „Web Patrol“ auch Plugins geben, die jede, vielleicht auch nur jede dritte, zehnte oder fünfzigste im Browser aufgerufene Seite automatisch als verdächtig melden. Vielleicht kann man auch Seiten melden lassen, die bestimmte Stichworte enthalten. Wie Kai Diekmann, Guilia Siegel oder Polizeipräsident. Der Fantasie wären keine Grenzen gesetzt.

Und warum auch nicht, würde die Frage lauten. immerhin obliegt es ja dem noch zu gründenden Internetüberwachungsamt samt seinen aus Steuergeldern bezahlten, rund um die Uhr im Einsatz befindlichen „Juristen, Psychologen, Kriminalisten und Internetexperten“, die laienhafte Wertung besorgter Bürger auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen.

Gut möglich also, dass es schon deswegen nichts wird mit der Anonymität und dann auch schon mal morgens um sechs persönlich beim Anschlussinhaber nachgeschaut wird, wie er denn gerade auf diese und jene Internetseite gekommen ist. Im Gegensatz zur Annahme mancher Polizeifunktionäre ist es nämlich gar nicht so einfach, „rein zufällig“ über kriminelle Inhalte im Netz zu stolpern. Noch dazu solche, die eine URL haben.

Absehbar ist übrigens schon heute die Erkenntnis, dass die ganze Infrastruktur hinter dem Blockwart im Brauser nur Sinn macht, wenn die Experten im Internetüberwachungsamt zeitnah reagieren können.

Zum Beispiel, indem sie vorläufige Stoppschilder aufstellen.