Nur dieses eine Wort war es. Es stand in der Überschrift eines Boulevardblattes. Wegen „Korruptionsverdacht“, behauptete die Zeitung, sei Harald Friedrich (Grüne), der ehemalige Abteilungsleiter des niordrhein-westfälischen Umweltministeriums, gefeuert worden. Der Beweis dazu fehlte. Das merkte auch der Düsseldorfer Staatsanwalt Christoph K. Er notierte tagsdrauf, „dem vorliegenden Pressebericht sind zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein Korruptionsdelikt nicht zu entnehmen“.
Staatsanwalt K. legte die Akte weg. Doch auch Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) hatten den „Bild“-Bericht gesehen. Und fragten am nächsten Tag im Umweltministerium nach. Damit traten sie Ermittlungen los, die Friedrich später als Verbrecher darstellten und für ihn zu einer existenzbedrohenden Lawine wurden. Angehäuft mit Märchen, Spekulationen, Behauptungen und riskanter Logik.
Eines der Märchen stammte aus dem von der CDU geführten Ministerium, das prompt Strafanzeige erstattete. Wegen „freihändiger Vergabe von Forschungsaufträgen“ durch Friedrich, den Vertrauten der Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne). Der habe, so schmückte speziell Ministerialrat Jörg-Michael G. in Dichterart aus, wissenschaftliche Forschungsaufträge im Wert von über 2 Millionen Euro „unter Missachtung der einschlägigen Vergaberichtlinien“ erteilt.
Damit habe, heißt es in der Anzeige des Ministeriums, Friedrich „geldwerte Vorteile in derzeit nicht bekanntem Umfang“ ergattert. Im LKA wurde derlei zunächst skeptisch bewertet. „Es bedarf einer umfänglichen Sichtung, Verdichtung, und kriminalistischen Bewertung der Sachverhalte“, heißt in einem Vermerk. Doch dann folgte überwiegend die Verdichtung der Vorwürfe.
Während die Notiz vom 14. Juli 2006 noch mit dem Verdacht des Betruges und „anderer Delikte“ überschrieben war, erweiterte derselbe LKA-Beamte ihn 10 Tage später auf Vorteilsannahme und Bestechlichkeit. Begründung dazu? Keine. Einfach so. Stattdessen sichteten die Ermittler das leere Büro des geschassten Abteilungsleiters. Und stellten vermeintlich bedeutsames Material sicher. Das achtseitige Protokoll nennt etwa einen Bericht zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und ein Buch mit dem Titel „Klärschlammentsorgung: Eine Bestandsaufnahme“.
An der Inventur des Ministeriums arbeitete Ministerialrat G. tüchtig weiter. In einer E-Mail trug er das Gerücht weiter, Friedrich habe womöglich eine Woche lang Urlaub in Frankreich gemacht. Und dort ein Ehepaar getroffen, das einen Auftrag über 300 000 Euro bekommen hatte. Von wem? Von Friedrich? Keine Fakten, nur Tratsch.
Der allerdings dazu führte, dass ein LKA-Beamter sich urplötzlich dafür interessierte, ob Friedrich Kunde oder Verkäufer beim Internethandel „ebay“ war. Das ging so: „Hallo Christoph“, schrieb der Kriminalbeamte an einen Bekannten im Wuppertaler Finanzamt für Steuerfahndung, „wie besprochen bräuchte ich mal eine Auskunft“.
Tags drauf bekam ebay hochoffizielle Post „per Fax, Anfrage Eilt!“. Das Amt führe „Vorermittlungen“ gegen Friedrich. Der habe, das sei bekannt, „Umsätze bei ebay getätigt“. Eine durch nichts bewiesene Behauptung. Die auch von ebay nicht bestätigt wurde. Allerdings kostenpflichtig, zu Lasten der Steuerzahler.
Auf neue Ideen brachte Ministerialrat G. die LKA-Beamten. Sie hatten durch Minsterialrat G. vom Gerücht erfahren, Friedrich strebe eine Professur an. Als hätte er nun die Erleuchtung, bastelte ein Beamter daraus einen Straftatbestand. Denn angenommen, Friedrich wäre zum Professor berufen worden, eventuell sogar an der Technischen Hochschule Aachen, die Fördergelder von ihm bekommen hatte – dann bedeutete das eine gesellschaftliche „Prestige- und Ansehenssteigerung“. Die wiederum wäre die illegale Annahme eines Vorteils.
Die Krönung dieses Gedankengangs ist eine aus dem Umweltministerium getragene Tuschelei: „Herr Friedrich lebte die Philosophie keine Leistung ohne Gegenleistung.“
So und ähnlich wurde weiter ermittelt. Mit stets neuer Nahrung aus dem Ministerium (Es gebe „mögliche Auffälligkeiten“, „es war ungewöhnlich, dass…“, Friedrich ging „in einem sehr großen Ausmaß im Umfeld von Düsseldorf essen“). Und immer wieder wurde ein „Anfangsverdacht“ gebastelt.
Auch deshalb hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal, die wegen des Verdachts der organisierten Kriminalität eingeschaltet wurde, inzwischen die meisten Vorwürfe wegen Friedrichs erwiesener Unschuld sang- und klanglos eingestellt. Meist mit den entlarvend dürren Worten „Der Anfangsverdacht wurde nicht bestätigt“.
Diesen vermeintlichen Anfangsverdacht übernahm vor einem Jahr jeweils die Wuppertaler Amtsrichterin Carmen S. und erließ weitreichende Beschlüsse: 270 Beamte durchsuchten bundesweit rund 30 Objekte, Friedrich ging für 3 Wochen in Untersuchungshaft, 9 Personen wurden 4 Wochen lang ohne ihr Wissen beobachtet, 2.500 Telefonate wurden abgehört, 2.000 E-Mails von den Fahndern heimlich gelesen.
Diese Aktion rief das Parlament auf den Plan. In einem Untersuchungsausschuss wollen SPD und Grüne geklärt wissen, ob die Landesregierung die Ermittlungen irgendwie beeinflusst hat. Die Staatsanwaltschaft will im kommenden Monat entscheiden, was vom Verfahren mit seinen über 11.000 Seiten überhaupt noch übrig bleibt. Sehr zum Ärger der vorgesetzten Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf. Die murrt seit Monaten und meint, das gesamte Verfahren könne längst eingestellt worden sein. (pbd)