„Durchgeknallt“ muss keine Beleidigung sein

Einen Staatsanwalt als „durchgeknallt“ zu bezeichnen, ist nicht unbedingt eine Beleidigung. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Das Gericht hob die Verurteilung des Zeit-Herausgebers Michael Naumann auf, der in einer Talkshow unter anderem gesagt hatte:

Und ich bin ganz sicher, dass dieser staatsanwaltliche, man muss wirklich sagen: Skandal eines ganz offenkundig, ich sag`s ganz offen, durchgeknallten Staatsanwaltes, der hier in Berlin einen außerordentlich schlechten Ruf hat, der vor einem Jahr vom Dienst suspendiert worden ist, der zum ersten Mal überhaupt wieder tätig wird. Dieser Skandal wird
zweifellos dazu führen, dass sich die hiesige Justizbehörde und die ihr zugeordnete Staatsanwaltschaft fragen muss, ob man auf diese Art und Weise gegen Privatpersonen vorgehen kann.

Wegen dieser Aussage war Naumann wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Zu Unrecht, denn die Äußerung ist nach Auffassung des Verfassungsgerichts von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Der Kontext der Äußerung im Zusammenhang mit der Kritik an der Informationspolitik der zuständigen Staatsanwaltschaft spreche gegen die Annahme, dass der Beschwerdeführer dem Betroffenen pauschal die geistige Gesundheit habe absprechen und ihn damit ungeachtet seines Sachanliegens habe diffamieren wollen. Vielmehr liege es aus Sicht des unvoreingenommenen Publikums nahe, dass er auch durch diese Begriffswahl Kritik an dem Umgang des Generalstaatsanwaltes mit den Persönlichkeitsrechten eines Beschuldigten üben wollte.

Die Herauslösung des Begriffes „durchgeknallt“ aus diesem Kontext verstelle den Blick
darauf, dass die umstrittene Äußerung im Zusammenhang mit einer Sachauseinandersetzung um die Ausübung staatlicher Strafverfolgungsbefugnisse fiel. In diesem Kontext könne der verwendeten Begriffswahl aber nicht jeglicher Sachbezug abgesprochen werden, da sie – wenn auch in polemischer und in herabsetzender Form – durchaus die Sachaussage transportieren kann, dass ein als verantwortlich angesehener Staatsanwalt im Zuge der Strafverfolgungstätigkeit die gebotene
Zurückhaltung und Rücksichtnahme auf das Persönlichkeitsrecht eines
Beschuldigten in unsachgemäßer und übertriebener Weise habe vermissen
lassen.

Teil der von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz umfassten Freiheit, seine Meinung
in selbstbestimmter Form zum Ausdruck zu bringen, ist laut Bundesverfassungsgericht auch, dass der Äußernde von ihm als verantwortlich angesehene Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für die zu kritisierende Art der Machtausübung angreifen kann, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente seiner Äußerung aus diesem Kontext herausgelöst betrachtet werden und als solche die Grundlage für eine einschneidende gerichtliche Sanktion bilden.

Pressemitteilung mit Link zur Entscheidung