Das Internet – nicht nur böse

„Die Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederung bedarf immer der Zustimmung des Arbeitgebers. Die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers ist ausgeschlossen. Der Arbeitgeber kann ohne Benennung von Gründen die Maßnahme ablehnen.“

Früher hätte man sich erst mal in der Bibliothek vergraben, um das rauszufinden.

Danke, Google!

Am einfachsten

Die Verwaltungskraft bei der Staatsanwaltschaft war unwirsch. Um es vorsichtig auszudrücken. Ich erklärte, dass der von ihr verschickte Einstellungsbescheid Fehler enthält:

– falscher Mandantenname
– falsches Delikt
– verdrehtes Aktenzeichen.

„Ich dachte, es ist am einfachsten, wenn Sie das Dokument schnell berichtigen und es mir noch mal zusenden. Deshalb rufe ich Sie an – und nicht den Staatsanwalt.“

Von dem Augenblick war sie dann doch recht freundlich.

Online gegen Zensurpläne

Eine Online-Petition an den Deutschen Bundestag richtet sich gegen Zensurpläne der Bundesregierung, inbesondere gegen die geplante Sperrliste des Bundeskriminalamtes für Internetseiten.

Innerhalb weniger Stunden haben sich schon 21.600 Menschen angeschlossen.

Ausnahmsweise höflich

Aus der Anweisung eines Staatsanwalts:

Zu Schreiben (G 141) an Frau M. W. Bl. 78 <>: – höflich –

Schon bemerkenswert, dass der übliche Korrespondenzstil mancher – nicht aller – Staatsanwaltschaften diesen Anforderungen offensichtlich nicht genügt.

Hochgekrempelte Hosen

Zitat aus einer Ermittlungsakte:

Auffallend ist, dass der Zeuge angibt, dass der Täter eine hochgekrempelte Hose trug. Auf einer dem Zeugen nicht vorgelegten erkennungsdienstlichen Aufnahme aus dem Jahr 2004 trägt der identifizierte Herr. M. ebenfalls eine hochgekrempelte Hose, was den Tatverdacht erhärtet.

Das Gesicht des „identifizierten“ Herrn M. hat der Zeuge am Tattag übrigens gar nicht gesehen. Er will ihn erst am Tag nach dem möglichen Autoaufbruch an einer Straßenbahnhaltestelle am Hauptbahnhof (!) anhand der gleichen Kleidung wiedererkannt haben; erst da habe er das Gesicht gesehen.

Aber wir haben ja die hochgekrempelten Hosen!

Bei dieser erdrückenden Beweislage wird sich der Staatsanwalt wohl auch nicht davon abschrecken lassen, dass mein heute 23-jähriger Mandant heute ganz anders aussieht als vor fünf Jahren und dass bei einer Hausdurchsuchung kein Diebesgut gefunden wurde.

Übrigens auch keine hochgekrempelten Hosen. Hierbei bleibt allerdings unklar, ob die Polizisten danach gesucht haben. Angeboten hätte es sich ja…

Erst ermitteln, dann durchsuchen

Mehr Glück als Frau Lahmar-Schadler-Lüdenscheid (siehe voriger Eintrag) hatte nun einer meiner Mandanten beim Bundesverfassungsgericht. Bei dem Betroffenen, der in Bayern wohnt, war zu früher Morgenstunde die Polizei angerückt: Er soll über sein Internetforum raubkopierte Filme und Spiele verbreitet haben.

Die Verdachtslage war mehr als dünn. Es lag lediglich die Anzeige eines Bürgers vor, der sich darüber beschwerte, in dem Forum fänden sich Links zu Raubkopien. Den Text der betreffenden Beiträge verstanden die Beamten schon mal nicht. Im Forum wird türkisch gesprochen.

Statt erst mal zu ermitteln, was hinter den Links (zu Rapidshare, nicht zu meinem Mandanten) steckte, wurde einfach eine Hausdurchschung angeordnet. So geht es nicht, befand nun das Bundesverfassungsgericht:

Den angegriffenen Entscheidungen lasse sich nicht entnehmen, dass die Verdachtsgründe über bloße Vermutungen und vage Anhaltspunkte hinausreichten. Die Gerichte hätten keine konkreten Anhaltspunkte dafür genannt, dass die Links überhaupt auf urheberrechtliche geschützte Inhalte verwiesen.

Überdies hätten sich weder Staatsanwaltschaft noch Gerichte mit der Frage beschäftigt, wieso ausgerechnet der Forenbetreiber für mögliche Links zu Raubkopien hafte. Der Umstand, dass jemand ein Internetforum betreibt, mache ihn jedenfalls nicht schon deswegen zum Verdächtigen wegen problematischer Links.

So hätte zumindest überprüft werden müssen, ob in dem Forum auffällig viele Links zu Raubkopien zu finden sind. Dies könne möglicherweise zur Annahme führen, der Betreiber billige zumindest derartige Angebote. Als weitere Möglichkeit nennt das Bundesverfassungsgericht bekannt gewordene Abmahnungen durch Rechteinhaber.

Das Gericht hält die Durchsuchung auch für unverhältnismäßig. Zuvor hätte zumindest überprüft werden müssen, ob die vom Anzeigenerstatter beigefügten Ausdrucke authentisch waren und ob hinter den Links tatsächlich urheberrechtlich geschützte Filme oder Spiele abzurufen sind. Außerdem hätte zumindest versucht werden müssen, den Autor der jeweiligen Beiträge zu ermitteln.

Die Entscheidung vom 8. April 2009 (2 BvR 945/08)

Früherer Beitrag im law blog

Niederlage für Frau Lahmar-Schadler-Lüdenscheid

Frau Lahmar-Schadler-Lüdenscheid hat Pech gehabt: Das Bundesverfassungsgericht entschied heute, dass das Verbot von Dreifach-Nachnamen nicht gegen das Grundgesetz verstösst.

Der Erste Senat entschied damit über die Verfassungsbeschwerde eines Münchner Anwalts, der bereits einen Doppelnamen trägt, und dessen Ehefrau, die ihren bisherigen Nachnamen dem Doppelnamen des Ehemanns – dem Ehenamen der beiden – voranstellen wollte.

(Quelle, mehr Informationen..)

Das große Lawblog-Viren-Spezial

Ein neues Virus aus Mexiko schreckt die Welt auf.
Manche jüngere Menschen sind zwar noch gleichgültig und sagen: „Ich hab Kaspersky, was soll mir passieren?“, doch die Weltgesundheitsorganisation sieht das alles viel ernster.

In ihrer Sorge um die Menschheit hat sie sich unter anderem mit dem Namen des Virus beschäftigt. Es heißt jetzt offiziell AH1N1. Vorher verwendeten viele Medien den Begriff Schweine-Grippe, aber darauf reagierte die tierverarbeitende Industrie verschnupft. Mexiko-Grippe wiederum trieb der Tourismus-Wirtschaft den Schweiß auf die Stirn.

Aber kann die „AH1N1“ die Lösung sein? Man stelle sich nur die vielen stammelnden Fernseh-Reporter vor, die live auf dem Wochenmarkt fragen: „Und wie schützen Sie sich gegen AH1N1?“ Ich finde: Es muss ein griffiger Begriff her, der der Industrie nicht wehtut und gut in Schlagzeilen passt.

Machen Sie Vorschläge, stimmen Sie ab, entscheiden Sie mit. Hier einige Vorschläge der Redaktion:

a) Grunz-Grippe
b) Caramba-Krankheit
c) Power-Pandemie
d) Hongkong-Hotel
e) Grippe 2.0

PS: Das Spiel zur Grippe müsste natürlich auch umbenannt werden, http://www.swinefighter.com/

Justiz-Späne

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Ottmar Breidling weiß das, er ist ein Vorsitzender Richter hier am Oberlandesgericht. Er ist nicht zimperlich. Aber er wird es, wenn er nur Späne riecht, die von Verteidigern kommen.

So einer hatte dem Breidling-Senat eine „ergebnisoriente Verhandlung“ unterstellt. Wegen Verleumdung klagte unsere Staatsanwaltschaft den Anwalt an. Geradezu wie ein mit dem Fuß aufstampfender kindischer Trotzbold zog sie das Verfahren durch, wollte den Anwalt verurteilt haben.

Vor knapp einem Jahr habe ich an dieser Stelle zu genau diesem Fall schon gelästert. Dass es von der Staatsanwaltschaft ja heißt, sie sei die Kavallerie der Justiz: Erst handeln, dann denken. Und ich habe gehofft, dass aus Starrsinn noch Vernunft werden könnte. Gestern nun kam die Wende.

Oberstaatsanwalt Stephan Hintzen forderte „unter Abweichung früherer Auffassung“ Freispruch. Der Verteidiger habe berechtigt in Berufsausbübung gehandelt. Och.

Dem, was von vornherein klar war, folgte auch Richterin Ruth Lysko: Der Freispruch auf Kosten der Staatskasse ist sogar rechtskräftig geworden. Sollte die Justiz nochmal, was sie gerne tut, über Last und Mühe stöhnen – dazu fehlte ihr jetzt jedes Recht.
Eberhard Ph. Liliensiek