Laut Familienministerin Ursula von der Leyen verdienen die Betreiber kinderpornografischer Seiten „monatlich Millionenbeträge“.
Ich verteidige viele Betroffene, die des Besitzes von Kinderpornografie beschuldigt werden. Hiervon ist ein nicht unbeträchtlicher Teil unschuldig. Es handelt sich um Menschen, deren IP-Adresse von einem Filterprogramm des Bundeskriminalamtes oder der „anlassunabhängigen Internetüberwachung“ mancher Landeskriminalämter im Zusammenhang mit einer kinderpornografischen Datei protokolliert wurde.
Ob es ein willentlicher Zugriff war, ob möglicherweise ein anderer den Computer des Anschlussinhabers genutzt hat oder gar ein WLAN im Spiel war, interessiert zunächst mal nicht. Die Hausdurchsuchung bekommt der Anschlussinhaber, und oft findet sich bei ihm – schlichtweg nichts.
Lassen wir aber jene beiseite, die unschuldig verdächtigt werden. Nehmen wir nur die Internetnutzer, bei denen tatsächlich Kinderpornos auf Datenträgern gefunden werden. Keiner, ich wiederhole, keiner der in den letzten anderthalb Jahren dazu gekommenen Mandanten hat auch nur einen Cent für das Material bezahlt.
Alle, ich wiederhole, alle haben die Kinderpornos aus Tauschbörsen, Newsgroups, Chaträumen, Gratisbereichen des Usenet oder aus E-Mail-Verteilern. Manche kriegen es auf DVD, ganz normal mit der Post.
Kein einziger jedoch hat seine Tauschpartner bezahlt. Und diese Tauschpartner haben auch nichts verlangt. Selbstverständlich wertet die Polizei in den allermeisten Fällen auch aus, woher die Dateien kamen. Bezahlseiten sind nicht darunter. Auch verdächtige Überweisungen etc. werden nicht festgestellt. Wie auch, möchte man sagen. Spätestens seit der Aktion Mikado ist jedem einschlägig Interessierten klar, dass Zahlungen früher oder später gerastert werden.
Überdies: Niemand zahlt für Dinge, die er auch umsonst haben kann.
Tatsächlich ist auch anhand der im Umlauf befindlichen Dateien unschwer festzustellen, dass es die Kinderpornoindustrie nicht gibt. Es gibt einen Grundbestand an Material, meiner Schätzung nach mindestens 98 %. Hierbei handelt es sich um Bilder und Filme, die schon seit vielen Jahren, ein Großteil davon schon seit Jahrzehnten im Umlauf sind.
Sofern neues Material hinzukommt, sind es Fälle von Missbrauch im privatem Umfeld, der – Fluch der Digitaltechnik – heute halt nun einmal einfacher abzubilden ist. Natürlich gibt es keine näheren Informationen zu den Umständen, wie solche Aufnahmen zustande kommen. Allerdings machen die meisten nicht den Eindruck, als werde ein Kind missbraucht, um einen Film zu drehen. Dass die weitaus meisten Kinderpornos häuslichen, also keinen gewerbsmäßig organisierten Missbrauch wiedergeben, ist auch unschwer daran zu erkennen, dass Opfer und Täter sich in den allermeisten Fällen offensichtlich kennen.
Im Gegensatz dazu gibt es praktisch keine professionell oder zumindest semiprofessionell gemachten Aufnahmen mit einem Setting, Ton und Licht, welche über dem Durchschnitt von Hobbyfilmern liegen. Es gibt auch keine Kulissen, die sich wiederholen. Ebenso wenig gibt es Darsteller ( = Täter), die mit unterschiedlichen Opfern auftauchen.
Gerade all das sollte man aber doch von einer „Industrie“ erwarten, oder nicht?
Vielleicht ist es nur Zufall, dass ich nur Mandanten habe, die nichts für Kinderpornos zahlen und demgemäß auch keine Industrie unterstützen. Ich halte es aber ebenso für möglich, dass Frau von der Leyen einfach falsch informiert ist – zumindest was die angeblichen Millionenumsätze einer angeblichen Kinderpornoindustrie betrifft.
Der Verweis auf die Millionenumsätze ist kein Randaspekt. So wird nämlich der Eindruck erweckt, die Konsumenten von Kinderpornografie pumpten Geld in einen lukrativen Markt mit der Folge, dass sich Kindesmissbrauch finanziell lohnt. Wenn man also den Kinderpornomarkt trockenlege, würden weniger Kinder missbraucht.
Das ist aus meiner Sicht leider ein fataler Trugschluss.