Welche Strafe ist für 0,7 Gramm Marihuana angemessen, die der Beschuldigte selbst rauchen wollte? 100 Tagessätze zu 40 Euro jedenfalls nicht, mutmaßte ich im Beitrag „Wo fängt Willkür an?“
Heute haben wir diesen Fall verhandelt. Die Stimmung im Gerichtssaal war besser, als es die Vorgeschichte erwarten ließ. Richterin und Staatsanwältin interessierten sich erfreulicherweise für die Umstände, die zum Drogenkonsum führten. Und für die allgemeine Lebenssituation meines Mandanten, die nicht einfach ist. Der Wirtschaftskrise sei Dank.
Die 100 Tagessätze, da war man sich dann doch schnell einig, waren überhöht. Zumal sie über der Eintragungsgrenze von 90 Tagessätzen liegen. Was eine „Vorstrafe“ zur Folge hätte, die man auch einem Arbeitgeber nicht verschweigen darf, sofern er danach fragt. Das würde die Suche nach Arbeit nicht vereinfachen.
Die Sache deutlich tiefer hängen, das war aber auch nicht gewünscht. Eine Geldstrafe sei unausweichlich, verlautete von der Richterbank. Schon wegen einiger Vorstrafen meines Mandanten. Auch wenn keine Vorstrafe mit Betäubungsmitteln zu tun habe, müsse berücksichtigt werden, dass der Angeklagte schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist.
Ich dagegen vertrat die Meinung, dass bei einer soooooooo geringen Menge nur einschlägige Vorstrafen gegen eine Einstellung sprechen können. Unstreitig ist das eine Ermessenssache des Gerichts. Wobei es, das habe ich allerdings so nicht gesagt, weil man nicht mit Selbstverständlichkeiten wie Rechtsmitteln droht, auf das Ermessen der letzten Instanz oder gar des Bundesverfassungsgerichts ankommt, sofern sich dieses mit der Problematik beschäftigen möchte.
Stattdessen habe ich für den Fall, dass das Gericht über eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen hinausgeht (unser pragmatisches Ziel), Beweisanträge angekündigt. Einmal, die mutmaßlichen Drogen anzusehen, um sich selbst sein Bild darüber zu machen, wie wenig 0,7 Gramm wirklich sind. Die 0,7 Gramm Marihuana waren natürlich nicht im Gerichtssaal. Ob sie noch hätten besorgt werden können, ohne den Zeitplan des Gerichts zu sprengen? Eher nicht…
Außerdem hätte ich beantragt, den Wirkstoffgehalt festzustellen. Der müsste nach all den Monaten mittlerweile gegen Null gehen, denn Tetrahydrocannabinol verfliegt, wenn es nicht ideal gelagert wird. Was bei der Polizei selten der Fall ist.
Nach einigem Hin und Her waren die 30 Tagessätze möglich. Die Höhe der Tagessätze wurde den Einkommensverhältnissen des Angeklagten angepasst und von 40 auf 5 Euro reduziert. Was eine Geldstrafe von insgesamt 150 Euro ergibt. Schon ein beträchtlicher Unterschied zu den 4.000 Euro, die der Betroffene ursprünglich zahlen sollte.
Ein Präzedenzfall wird aus der Geschichte nun nicht, sofern die Staatsanwaltschaft nicht in Berufung geht. Mein Mandant legt jedenfalls keinen Wert, eine Etage höher vor dem Landgericht anzutreten. Er ist froh, mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein.