Wer mit kritischen Staatsanwälten und Strafverteidigern spricht, weiß, dass das geflügelte Wort von der „objektivsten Behörde“ eine Illusion ist, die allenfalls dazu taugt, naiven Studenten davon zu erzählen.
Die gesetzliche Regel stellt schon lange die Ausnahme dar. Die Mehrzahl der Staatsanwälte verteidigt nicht das Recht, sondern allein die Anklage: rein taktisch wird mehr angeklagt, als die Sache hergibt …, die U-Haft wird zur Aussagegewinnung missbraucht, Belastungszeugen werden geschont und Entlastungszeugen hart attackiert.
Die Unschuldsvermutung und der Verfahrensgrundsatz „in dubio pro reo“ verwandeln sich oft ins Gegenteil (vor allem, wenn Aussage gegen Aussage steht). Eine entschlossen geführte Verteidigung wird als persönlicher Angriff und ein Freispruch als Niederlage empfunden. Kurz: Professionelle Distanz gehört innerhalb der Staatsanwaltschaft kaum noch zum Berufsethos.
Dr. Holm Putzke, Zeitschrift für die Anwaltspraxis (ZAP), Nr. 22/2008.