Heute einen Schriftsatz gelesen, in dem der Verteidiger eines mutmaßlichen Sexualstraftäters vehement darauf drängt, das Opfer auf seine Glaubwürdigkeit zu untersuchen. So was kann man machen. Aber doch nicht, bevor man die Aussage des Opfers zumindest gelesen hat.
Gelesen hat der Anwalt die Aussage noch nicht, denn er hatte bislang keine Akteneinsicht. Wenn er die Aussage gelesen und auf ihre Konsistenz abgeklopft hätte, hätte ihm der Gedanke kommen müssen, dass ein Glaubwürdigkeitsgutachten für seinen Mandanten zum üblen Querschläger werden dürfte. Die Aussage ist nämlich ungewöhnlich stringent. An vielen Stellen ist förmlich zu spüren, dass man sich so etwas kaum aus den Fingern saugen kann. Zumal das Opfer noch nicht mal ein Motiv hätte, den mutmaßlichen Täter zu Unrecht zu beschuldigten – bisher kam es mit dem Mann glänzend klar.
Aber das kommt davon, wenn man sich vom – sicherlich höchst verunsicherten – Auftraggeber breitschlagen lässt, eine Verteidigungsschrift ins Blaue hinein einzureichen. Würde mich nicht wundern, wenn die Staatsanwaltschaft diesem suizidalen Antrag sofort und vollständig entspricht.