Hypothetisch

Aus dem Posteingang:

Hallo Herr Vetter!

Vielleicht finden Sie Zeit und Lust, sich mal etwas zu folgendem – hypothetischen – Szenario zu überlegen. Ich wäre ihnen sehr dankbar.

Dezember ’07 erwarb A online bei Firma B einen Fotoapparat.

(Es folgt eine mittellange Geschichte).

Den – hypothetischen – Mailverkehr lasse ich ihnen auf Anfrage gerne zukommen.

Vielen Dank und Lob für ihr Blog,

S.N.

Beim Shopblogger heißt es in solchen Fällen immer, der wollte nur ins Blog. Bei mir: Für 150 Euro berate ich konkret auch zu Hypothesen.

Wir können auch Schweinebraten

Die Firma Delight-Point GmbH aus Neuenbürg scheint in ihrem eigentlichen Geschäftsfeld „Kommunikation und Netzwerkservice“ derzeit nicht ausgelastet. Jedenfalls hat Geschäftsführer Wolfgang Hartmann Zeit, „Hinweisschreiben“ an Mittelständler zu versenden. In den Briefen moniert Delight-Point ein fehlendes oder unvollständiges Impressum auf der Homepage der Empfänger.

Als „Hinweis-/Bearbeitungsgebühr“ verlangt Delight-Point 620,11 €. Nur so können die Angeschriebenen angeblich einer anwaltlichen Abmahnung oder einem Bußgeld entgehen. Offenbar ist es lukrativer, IT-Fuzzi zu sein als Rechtsanwalt. Die unmittelbar von einem Anwalt ausgesprochene Abmahnung wäre bei einem realistischen Streitwert eher nur halb so teuer.

Woher Delight-Point gegebenenfalls ein Wettbewerbsverhältnis nehmen wollte, wäre überdies noch zu klären. Mein Mandant ist jedenfalls Metzgermeister. Aber wer weiß, vielleicht kennt sich Delight-Point nicht nur mit Netzwerken und juristischen Fragen, sondern auch mit Schweinebraten aus.

Die Angeschriebenen sollten sich den Hinweis zu Herzen nehmen und ihre Seite ändern. Denn ob und in welchem Umfang ein fehlerhaftes Impressum abgemahnt werden kann, war schon öfter Gegenstand von Rechtsstreiten. Von denen sind allerdings auch viele zu Gunsten der Abgemahnten ausgegangen, weil Fehler im Impressum nur als unwesentlicher Wettbewerbsverstoß angesehen werden.

Die Rechnung sollte man dagegen in den Papierkorb werfen. Oder etwas für den Hund eines Kunden drin einpacken. So wird es jedenfalls mein Mandant halten.

Nachtrag: Die Firma Delight-Point GmbH teilt mit, dass sie von „den nicht gerechtfertigten Forderungen“ zurücktritt; sie entschuldigt sich. Sie habe die Briefe nicht selbst autorisiert. Vielmehr habe ein Angehöriger des Geschäftsführers nach einem Streit die Schreiben abgesandt. Er soll bestehende Werbebriefe abgeändert haben, ohne dass der Geschäftsführer dies wusste. Die Unterschrift will der Geschäftsführer geleistet haben, weil er übermüdet war und nicht darauf achtete, was er unterschreibt.

Die Polizei und der verlassene Audi R 8

Geschwindigkeitskontrolle im Düsseldorfer Rheinufertunnel: Um 23.14 Uhr zeigte das Lasermessgerät der Düsseldorfer Polizei bei einem schwarzen Audi R 8 182 Stundenkilometer an. Der Fahrer hatte naturgemäß wenig Lust auf die Anhaltekontrolle. Er bremste unmittelbar hinter der Messstelle ab und bog scharf rechts ins Altstadtparkhaus ein.

Die Beamten überprüften natürlich sofort die Parkdecks. Den Audi R 8 fanden sie dort auch. Das Auto war verschlossen, vom Fahrer fehlte jede Spur. Die Halterfeststellung führte die Polizei zu einer Düsseldorfer Mietwagenfirma. Das Fahrzeug ist derzeit tatsächlich verliehen.

Die Ermittlungen zum Fahrer dauern nach Angaben der Polizei an. Den Schnellfahrer erwarten drei Monate Fahrverbot, 425 Euro Bußgeld und vier Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei – wenn er denn ermittelt werden kann. Denn der Mieter des Autos wird natürlich sagen, dass er den Wagen weitergegeben hat. Oder er wird ganz einfach schweigen. Ebenso wie die Halter- dürfte auch die Mietereigenschaft nicht ausreichen, jemanden einer Fahrt zu überführen.

Vielleicht rächt es sich hier mal, dass die Polizei am Fotobeweis bei der Lasermessung spart.

0,31251543671913 %

Schreiben vom Insolvenzverwalter:

Aufgrund des im Verfahren vorhandenen Bestandes ergibt sich eine Quotenerwartung für alle Gläubiger mit 0,31251543671913 %. Ihre Forderung wurde auf 20.523,80 EUR festgestellt. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Quote steht daher ein Betrag zur Auszahlung an in Höhe von 64,14 EUR.

Der Mandant dürfte die Sache längst verarbeitet haben. Immerhin ist das die erste Nachricht seit rund vier Jahren. So wird das Schreiben nur alte Wunden aufreißen.

Kein Wort zum schwarzen Lack

Der Anwalt der Gegenseite war nicht glücklich. Kann ich verstehen. An sich hatte er einiges in der Hand. Seine Auftraggeberin verlangte, unter anderem, die Rückgabe von Möbeln. Bett, Schrank, Regal, Fernsehtisch. Den halben Ikea-Katalog hatte sie, so ihre Darstellung, der Beklagten „geliehen“, damit diese eine neue Wohnung einrichten kann.

Die Geschichte der Beklagten klang anders. Auf all das kam es jedoch gar nicht an. Der Klägerin gelang es nämlich nicht, dem Gericht klarzumachen, wie viel die Möbel denn nun noch wert waren, als sie die Beklagte nach längerer Nutzung in den Sperrmüll gab. Weil sie mit der Klägerin da schon zerstritten war, kam aus ihrer Sicht eine Rückgabe nicht in Frage. Der Anschaffungspreis kann es nicht sein, denn die Möbel waren schon bei Übergabe unstreitig „gebraucht“ (Sperrmüll, sagt die Beklagte). Außerdem durfte die Beklagte sie ja nutzen. Das führte zu einem weiteren Wertverlust.

Also der Zeitwert. Aber wie hoch ist der? Man muss wohl der Tatsache ins Auge sehen, dass es keinen funktionierenden Markt für Gebrauchtmöbel gibt, zumindest wenn die Einrichtung aus dem Mitnahmemarkt stammt. Dementsprechend ist es auch kaum möglich, einem (mit der Zivilprozessordnung vertrautem) Gericht Zahlen zu präsentieren, die es für schlüssig hält.

Im aktuellen Fall kam noch dazu, dass die Klägerin darauf bestand, den Neupreis der Möbel zu bekommen. So kamen immerhin über dreitausend Euro heraus, wobei ich mir nicht sicher bin, ob Ikea wirklich sooooooo teuer ist. Diese „Gier“ machte es dem Gericht leicht, sich auf eine formale Position zurückzuziehen: Wer einen Schaden hat, muss dessen Höhe darlegen und notfalls beweisen. Märchen erzählen genügt nicht, Luftschlösser bauen ebenso wenig.

Die Sache war am Ende so eindeutig, dass wir nicht mal mehr über das schwarze Lackkleid reden mussten, welches an sich eine tragende Rolle hätte spielen können. Jedenfalls, was den Unterhaltungswert angeht.

Öko-Coke?

Auf den Glasflaschen von Coca-Cola (0,5 l) steht jetzt über dem Markennamen:

Ohne zugesetzte Konservierungsstoffe. Ohne künstliche Aromen. Seit 1886.

Ich habe mich richtig erschrocken. Ein Blick in die Zutatenliste hat mich aber beruhigt. Die Phosphorsäure ist nach wie vor enthalten.

Maulkorb für Regierungspräsidenten

Im Streit um das finanziell stark angeschlagene Klinikum Dortmund hat gestern das Verwaltungsgericht Arnsberg dem dortigen Regierungspräsidenten Helmut Diegel (CDU) einen Maulkorb verpasst. Diegel hatte mehrfach dem Dortmunder Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD) vorgeworfen, der habe sich den aktuellen städtischen Doppelhaushalt – der das Klinikum unterstützen soll – „durch falsche Angaben erschlichen“.

Diese Behauptung, so sagt es die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts, darf Diegel unter Strafandrohung in der Öffentlichkeit weder wörtlich noch sinngemäß wiederholen (AZ: 12 L 597/08). Zur Begründung der einstweiligen Anordnung heißt es, dass OB Langemeyer sich „nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand“ die Zustimmung der Bezirksregierung zur Haushaltssatzung eben „nicht durch vorsätzlich falsche Angaben erschlichen hat“.

Dem Gericht fehlen schlicht hinreichende Anhaltspunkte dafür. Den Argumenten Langemeyer habe Diegel „nichts Durchgreifendes entgegengesetzt“. Außerdem sei die einstweilige Anordnung auch notwendig, um das Persönlichkeitsrecht Langemeyers vor ehrverletzenden Äußerungen zu schützen.

Sollte Diegel gegen den Beschluss verstoßen, müsste er 10.000 Euro zahlen. Eine in der Rechtsprechung sehr niedrige Summe. Die das Gericht dennoch für angemessen und ausreichend hält, weil sie davon ausgeht, dass Diegel die Gesetze kennt und das Verbot einhält.

Das vermutet auch Langemeyer. Er sagte gestern: „Die Angriffe sind im kommunalen Vorwahlkampf politisch motiviert. Ich musste mit meiner Klage Herrn Diegel die rote Karte zeigen“. (pbd)

Go, Yvonne, go

Brief vom Sportstudio:

Leider ist es uns nicht möglich, dieses Attest zu akzeptieren, da das uns vorgelegte Attest nicht die notwendigen Anforderungen erfüllt. Natürlich steht es Ihnen weiterhin frei, uns ein aussagekräftiges Attest seitens des Arztes Ihres Mandanten vorzulegen.

Yvonne S.
Rezeptionskoordinatorin

Der Facharzt für Orthopädie hatte unter anderem geschrieben:

Herr M. steht wegen einer Mittelhandfraktur rechts in meiner Behandlung. Auf Grund der oben genannten Erkrankung ist er nicht in der Lage, am Fitnesstraining teilzunehmen. Ein Zeitpunkt zur Wiederaufnahme des Trainings ist nicht absehbar.

Ich habe das Gefühl, auf ein weiteres Schreiben würde Yvonne O. auch wieder nur Blech verzapfen. Ist ja auch schwierig, zwischen Mitgliederkarten scannen und Schlüssel rausgeben die Studiopost zu bearbeiten. Deshalb lasse ich es lieber. Ich hoffe, die Rezeptionskoordinatorin bleibt mir und meinem Mandanten und mir auch bei einem eventuellen Schriftwechsel über das Gericht erhalten.

Viel Spaß auf der A 2

Der Anwalt auf der Gegenseite bittet um Verlegung des Verhandlungstermins:

An diesem Tag hat der Unterzeichner bereits drei Termine vor dem Arbeitsgericht Minden ab 11.15 Uhr wahrzunehmen. Ab 14.30 Uhr könnte der Unterzeichner eine Terminswahrnehmung ermöglichen.

Der Termin vor dem Landgericht Düsseldorf beginnt jetzt um 15 Uhr. Wenn das mal gut geht. Ich jedenfalls nehme vorsichtshalber mein mobiles Büro mit.

Alles verprasst

Ein ehemaliger Präsident der Düsseldorfer Rechtsanwaltskammer verklagt seine beiden Söhne, ebenfalls Rechtsanwälte. Er will auf seine alten Tage monatlich 1.588 Euro Unterhalt. Die erwidern: Nicht mit uns, denn „er hat immer auf großem Fuß gelebt und alles verprasst“.

Westdeutsche Zeitung, Rheinische Post

Lasermessung: Richter vermisst Foto

Das Amtsgericht Herford bricht mit einem Dogma. Ein Richter hält es für erforderlich, dass bei Lasermessungen im Straßenverkehr ein Beweisfoto gemacht wird. Wie das Mindener Tageblatt berichtet, hat Bußgeldrichter Helmut Knöner einem Autofahrer den Punkt in Flensburg erspart:

Im vorliegenden Fall fuhr der Betroffene versetzt hinter einem anderen Fahrzeug her. Dadurch befand sich vermutlich mehr als ein Auto im Zielerfassungsbereich des Lasergeräts. Während der Polizeibeamte vor Gericht betonte, dass nur das nachfolgende Fahrzeug gemessen wurde, zweifelte der Amtsrichter dies an: „Nur wenn ich einen Fotobeweis gehabt hätte, wäre eine Verurteilung selbstverständlich gewesen.“

Bei anderen Gerichten blitzt man mit dieser Forderung regelmäßig ab. Selbst bei unklarer Verkehrssituation wird grundsätzlich den Polizisten vertraut. Schließlich sind sie alle erfahrene Kräfte, bestens geschult und somit über jeden Fehler erhaben. Schon weil sich viele Beamte mittlerweile offensichtlich darauf verlassen, dass Amtsrichter an ihren Lippen hängen, ist die Entscheidung aus Herford begrüßenswert.

Ein ebenso großes Übel ist, dass Autofahrern nicht mal mehr die Messung gezeigt wird. Früher war es üblich, dass der Betroffene sich den Messwert auf dem Gerät zeigen lassen kann – wenn er denn darauf besteht. Die Geräte sind nicht umsonst so konstruiert, dass nur tatsächliche Messungen angezeigt werden.

Aber selbst auf diese letzte Sicherung wird mittlerweile verzichtet. Denn so lassen sich vom Messposten aus mehr Autofahrer ins Visier nehmen. Man muss nicht mehr darauf warten, dass der Gemessene sich das Ergebnis ansehen konnte. So lange war das Gerät früher blockiert.

Wer schon mal erlebt hat, wie der Messbeamte die Ergebnisse weiter gibt, wird die möglichen Fehlerquellen schnell erkennen. Da wird gefunkt oder gerufen („Der blaue Opel 89, der weiße Daimler 87“), was das Fließband hergibt.

Von der Möglichkeit, mal eben einem unbeliebten Bekannten, der zufällig des Weges kommt, kräftig einen einzuschenken, möchte ich gar nicht sprechen.