Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf macht sich ohne jede Not bereitwilligst zum Büttel der Musikindustrie. Der Musikindustrie liefert die Behörde auf Kosten der Steuerzahler tausende Personalien zumeist Jugendlicher, damit die teuer abgemahnt werden können.
In den Tauschbörsen des Internets lauert eine Tücke. Wer sich dort auch nur ein Liedchen auf seinen heimischen Computer lädt („download“) und dann wieder anderen Teilnehmern zur Verfügung stellt („upload“), gerät in die Fänge von speziellen Fahndern. Es sind Firmen, die ständig diese Tauschbörsen beobachten. Und sofort dokumentieren, auf welchem Computer die digitalisierten Klänge gelandet sind.
Die „IP-Adressen“ werden der Musikbranche gemeldet, die ihre Anwälte einschaltet. Und die behaupten nun, die Melodie sei „eine persönliche geistige Schöpfung“, der „upload“ also eine Verletzung des Urheberrechtsgesetzes. So ist es auch. Aber es ist keine Straftat, die eine Staatsanwaltschaft verfolgen muss.
Es geht um ein Delikt, das im Wege der privaten Klage verfolgt wird und zunächst vor einen Schiedsmann gehört. Der soll versuchen, den Streit zu schlichten. Weil aber die Musikindustrie noch gar nicht weiß, gegen wen sie vorgehen soll und bei den Internet-Anbietern keine Auskunft bekommt, zeigt sie die Tat bei der Staatsanwaltschaft an. Die soll dann ermitteln, wer hinter der IP-Adresse steckt.
Zu solchen Ermittlungen allerdings sind die Staatsanwälte nicht verpflichtet. Dass die in Düsseldorf es dennoch tun, begründet Behördensprecher Arno Neukirchen mit der Ziffer 87 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV). Dort heißt es, wenn der in seinem (Urheber-)Recht Verletzte die Tat „nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten aufklären könnte“, dann „soll der Staatsanwalt die erforderlichen Ermittlungen anstellen“.
Dieses „soll“ deutet Neukirchen als „muss“. Dass die Vorschrift „nicht für unbedeutende Verfehlungen“ gilt – Neukirchen lässt das kalt. Er schätzt lieber: „So unbedeutend ist das nicht!“ Also waren allein im vorigen Jahr ein Staatsanwalt und zwei Mitarbeiter damit beschäftigt, in 4 592 Verfahren 10.386 IP-Adressen für die Musikindustrie zu ermitteln. Die Justiz, den Staat, kostet die Ermittlung nur einer dieser Adressen zwischen 20 und 60 Euro. Neukirchen spricht von insgesamt rund 30.000 Euro, die an die Internet-Anbieter für deren Auskünfte gezahlt worden seien.
Die normale Hochrechnung indes (durchschnittlich 40 Euro pro Ermittlung) kommt auf 415.440 Euro. In jedem Fall ist das weggeworfenes Geld, weil es die Staatsanwaltschaft von den Anwälten weder zurückfordern darf noch kann. Die aber kassieren pro Abmahnung zwischen 200 und 300 Euro.
Und: Die Ermittlungsverfahren werden sang- und klanglos eingestellt. Sie sind letzlich doch „unbedeutend“. Die Akten verstauben in den Kellern. „Ja, ja“, so sinniert Rolf Haferkamp von der benachbarten Staatsanwaltschaft Duisburg über die Düsseldorfer Methode, „man sollte schon wissen, vor wessen Karren man sich spannen lässt!“
Der Behördensprecher an der Ruhr nennt die Anzeigen der Musikindustrie eine „bodenlose Unmoral“, für die der Staat „irrsinnige Beträge“ ausgibt. Dabei wolle die Industrie gar keine Straftaten aufgeklärt haben. Sondern nur zivilrechtliche Ansprüche durchsetzen. Folgerichtig werden die Anzeigen in Duisburg erst gar nicht bearbeitet: „Staatsanwälte haben sich anderen Verfahren zu widmen“.
Zumal, wie das Landgericht Saarbrücken entschieden hat (AZ 5 (3) Qs 349/07), die Personalien hinter den IP-Adressen nicht von Amts wegen herausgegeben werden dürfen. Das „schutzwürdige Interesse“ der beschuldigten Person überwiege. Denn, so wörtlich, „aus dem Umstand, dass eine bestimmte IP-Nummer einer bestimmten Person zugeordnet werden kann, folgt noch nicht, dass diese Person auch zu der angegebenen Tatzeit über den genannten Anschluss die vorgeworfenen Urheberrechtsverletzungen begangen hat, so dass diesbezüglich nicht ohne weiteres ein hinreichender Tatverdacht bejaht werden kann.“
Genauso argumentierte übrigens auch das Landgericht Hamburg (AZ: 308 O 76/07). Über den Widerspruch zwischen den Behörden in Düsseldorf und Duisburg berät derzeit die vorgesetzte Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf. Sie will Anfang Mai ihre Entscheidung verkünden. Und kommt womöglich zu dem Ergebnis, über das sich die Kontrahenten immerhin schon einig sind: Der Gesetzgeber ist es, der Klarheit schaffen muss. (pbd)