Die Stimmung hinter den Gittern stimmt nicht: Gefängniswärter haben Schwierigkeiten mit Kollegen und Vorgesetzten, sind aber nur selten bereit „offen über nicht korrektes Verhalten von Kollegen zu berichten“. So hat denn auch Rolf Söhnchen, der Ombudsmann für den nordrhein-westfälischen Justizvollzugsdienst, in seinem ersten Jahresbericht einen „falsch verstandenen Korpsgeist“ in den Justizvollzugsanstalten ausfindig gemacht.
Deren Bedienstete werden durch das schlechte Betriebsklima zunehmend krank, sie fehlen oft und lange. Und das wiederum hat negative Auswirkungen auf die Gefangenen. Sie bekommen weniger Sport- und Freizeitangebote, haben zuwenig Arbeitsmöglichkeiten, und die Therapieangebote gerade in der Gewalt-Verhütung reichen nicht aus. So kommt denn Söhnchen auch zu dem Schluss: „Der Slogan ‚geht es dem Bediensteten gut, geht es dem Gefangenen gut’, dürfte im Kern zutreffend sein“.
Söhnchen war mit seinem vierköpfigen Team vor gut einem Jahr von Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) ernannt worden. Seitdem hat er 800 Eingaben bekommen und mit über 220 Gefangenen und Bediensteten persönlich gesprochen. Er hat mit Personräten geredet, mit Gewerkschaftlern und den Leitern der Anstalten. Insgesamt, so sagt er jetzt, sei nur wenig über Gewalt geklagt worden: „Das verleitet mich keineswegs zu dem Schluss, sie spiele nur eine sehr geringe Rolle“, warnt er.
Aber auch die von Rechtsanwälten schon mal beklagte „menschenunwürdige Unterbringung“ sind nur am Rande erwähnt worden. Stattdessen gab es in Gefängnissen „überfallartige“ Zuführungen von neuen Gefangenen. Die wurden an jeweils zwei Tagen überraschend gebracht: Mittags wussten die Bediensteten nicht, wie viele es Nachmittag sein könnten. So was führe regelmäßig zu erheblichen Unruhen unter den Gefangen, zu Stress unter den Bediensteten.
Von den Gefangenen wurde zumeist eine mangelnde ärztliche Versorgung kritisiert, auch Probleme mit den Bediensteten wurden oft genannt. Die zeigten sich auch vorwiegend im Jugendvollzug. Zu den meisten Anliegen der Jugendlichen gehörte die Lockerung des Vollzugs und die Verlegung in offene Bereiche.
Die Justizministerin will alle 800 Eingaben sorgfältig überprüfen. Ihr Augenmerk, so sagte Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU), werde sie aber auf den hohen Krankenstand bei den Bediensteten richten: „Hier wird zurzeit den offensichtlich komplexen Ursachen auf den Grund gegangen“. Dabei könnte ihr Söhnchens Erkenntnis helfen: „Der Justizvollzug ist zwar eine geschlossene Gesellschaft – aber ein weites Feld, das noch zu beackern ist“. (pbd)
Info: In Nordrhein-Westfalen gibt es 37 Justizvollzugsanstalten, 11 angeschlossene Zweiganstalten und 22 weitere Außenstellen. Das Justizvollzugskrankenhaus steht in Fröndenberg, die Justizvollzugsschule in Wuppertal. Insgesamt gibt es etwa 18 500 Haftplätze, die von rund 18.000 Gefangenen belegt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ständig rund 700 bis 900 Haftplätze insbesondere wegen Renovierungsarbeiten nicht belegt werden können. In den Justizvollzugsanstalten des Landes sind mehr als 8000 Bedienstete tätig, über 6000 davon im allgemeinen Vollzugsdienst. Der Ombudsmann ist keiner Weisung unterworfen. Alle Eingaben an ihn werden vertraulich behandelt. Der Schriftwechsel aus der Strafhaft wird nicht überwacht. (pbd)