Schriftsteller – von Preisen erschlagen
Anwälte befürchten einen Gängelstaat
Der Vorwurf ist schröcklich: „Parkzeit um 9.27 Uhr abgelaufen!“ Das sind 10 Minuten! Klar, dass die Firma Contipark, welche den Parkraum vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof bewirtschaftet, aus vollen Rohren schießt. Von meiner Mandantin, die Halterin des fraglichen Pkw ist, will Contipark folgende Beträge:
Tagesentgelt bzw. 3-facher Stundensatz 9,00 €
Vertragsstrafe 20,00 €
Halterermittlungskosten 10,20 €
Mahngebühren 7,50 €
Das macht stolze 46,70 €. Beinahe fünf Euro pro angeblich überzogener Minute.
Mir bleibt da nur, Contipark zu bitten, sich doch an den Fahrer des Pkw zu wenden. Die „Halterhaftung“ gilt zunächst mal nur im Rahmen der Straßenverkehrsordnung, wenn Bußgeldbehörden Knöllchen verteilen. Contipark kann sich nur auf einen Vertrag berufen und nur eine Person in Anspruch nehmen: den Vertragspartner. Das ist derjenige, der das Auto abgestellt hat. Meine Mandantin war das nicht.
Auch ansonsten scheinen mir die „Vertrags- und Einstellbedingungen“ fragwürdig, wenn sie solche Entgelte rechtfertigen sollen. Eine Vertragsstrafe für einen alltäglichen Vorgang wie eine geringfügige Parkzeitüberschreitung? Die Klausel ist jedenfalls überraschend und unwirksam.
Einen dreifachen Stundensatz für zehn Minuten? Ist nicht nur überzogen, sondern klingt wie eine zweite Vertragsstrafe. Was die Sache juristisch nicht besser macht…
Meine Mandantin zahlt jedenfalls nicht. Wenn Contipark Wert auf ein Präzedenzurteil legt, stehen wir gern zur Verfügung.
Wie man als Richter die Zeit und das Geld der Prozessbeteiligten verschwendet, zeigte heute ein Richter am Amtsgericht Bochum. Es ging um eine Schadensersatzforderung. Aber nicht nur. Denn der Beklagte hatte mal ein Schriftstück verfasst, in dem er sich bereit erklärt, die Forderung zu bezahlen.
Für den Beklagten haben wir in mehreren Schriftsätzen dargelegt, warum dieses Schreiben kein Anerkenntnis im rechtlichen Sinne ist. Wäre es ein Anerkenntnis, müsste man nicht weiter streiten. Dann hätte die Klage schon aus diesem Grund Erfolg, weil das Anerkenntnis den Beklagten von weiteren Einwendungen abschneidet.
Die Klägerseite sah das naturgemäß anders. Vom Gericht kam monatelang kein Wort. Ganz im Gegenteil: Für den heutigen Verhandlungstermin hatte der Richter sogar einen Zeugen geladen. Den brauchte er aber nur, wenn er unserer Auffassung folgte, dass kein Anerkenntnis vorliegt. Denn der Zeuge war nur für Umstände benannt, die mit der Vorgeschichte zu tun haben. Dass das Gericht die Sache ernsthaft erörtern will, ergab sich auch aus einem weiteren Umstand. Der Vorsitzende hatte das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet.
Ein Kläger, ein Beklagter, zwei Anwälte und ein Zeuge reisten also frohgemut nach Bochum. Um vom Richter im Einleitungssatz zu hören, dass er von einem Anerkenntnis ausgeht. Punkt. Feierabend. Hätte er in den Vormonaten nur einen winzigen Hinweis in diese Richtung gemacht, hätten wir uns das auf Beklagtenseite gut überlegt. Und mit einiger Sicherheit die Konsequenz gezogen, die wir dann heute auch gezogen haben. Wir haben die Forderung akzeptiert. Das wäre auch schriftlich möglich gewesen, und alle Beteiligten hätten sich den zweiminütigen Showdown erspart.
Der Kläger kam übrigens eigens aus Berlin.
Meinem Mandanten wird Unfallflucht vorgeworfen. Der Oberstaatsanwalt, der die Sache bearbeitet, hat Anwälten bereitwillig Akteneinsicht gewährt, die für die beteiligten Haftpflichtversicherungen tätig sind. Mir als Verteidiger dagegen nicht. Er hat meine diversen Schreiben einfach abgeheftet bzw. sie abheften lassen, einiges ermitteln lassen und Anklage erhoben.
Dem Verteidiger ist spätestens nach Abschluss der Ermittlungen, also vor einer eventuellen Anklage, Akteneinsicht zu gewähren. Da fällt es einem schon schwer, an reine Nachlässigkeit zu glauben.
Wenigstens das Amtsgericht schickt mir die Akte anstandslos zu.
Heute hat einer meiner Mandanten erstmals von der „Vollstreckungslösung“ profitiert. Wenn sich Prozesse lange hinziehen und die Justiz hieran schuld ist, wird im Urteil festgelegt, welcher Teil der verhängten Strafe bereits als verbüßt gilt.
In meinem Fall hat das Berufungsverfahren vor dem Landgericht ziemlich genau drei Jahre gedauert. Und zwar allein deswegen, weil bei den beteiligten Strafkammern nicht unbedingt alles rund lief.
Meinem Mandanten hat das zwei Monate gebracht, die als vollstreckt angesehen werden. Ins Gefängnis muss er ohnehin nicht, denn letzten Endes konnte die Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Amtsgericht hatte ihn in erster Instanz noch für zweieinhalb Jahre hinter Gittern sehen wollen.
Die Betreiber der studentischen Bewertungsplattform MeinProf sollen durch einen Bußgeldbescheid vom Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zur Kapitulation gezwungen werden. Die Initiatoren des Portals geben aber nicht auf. Sie sind bereit für Gerichtsvefahren.
Auf MeinProf können Studierende ihre Lehrveranstaltungen bewerten und so nicht nur ihren Kommilitonen bei der Kurswahl helfen, sondern auch ihren Dozenten Feedback für deren Lehrleistung geben. Das Portal existiert seit 2,5 Jahren. Auf der Grundlage von 300.000 Bewertungen wurde 2007 das erste Ranking deutscher Hochschulen veröffentlicht, das allein die Lehrqualität der Dozenten berücksichtigt.
Durch MeinProf kommt Bewegung in die deutsche Hochschullandschaft, und in ersten Fällen konnte schon eine Verbesserung der Lehrqualität von Studenten und Dozenten festgestellt werden. Dennoch wird eine Plattform, die Leistung und Standards öffentlich darstellt und diskutiert, nicht von jedem gern gesehen. So versuchte ein Professor im vergangenen Jahr die Veröffentlichung seines Namens und der Bewertungen seiner Lehrveranstaltungen gerichtlich zu unterbinden. Er scheiterte mit diesem Versuch vor dem Landgericht Berlin.
Trotz dieser und anderer Gerichtsurteile hat es sich der Berliner Datenschutzbeauftragte zur Aufgabe gemacht, den studentischen Initiatoren des Projektes das Leben schwer zu machen. Die Behörde will zwei Ordnungswidrigkeiten entdeckt haben, welche jeweils mit bis zu 25.000 € Geldbuße geahndet werden könne.
So vergleicht der Datenschutzbeauftragte das Portal mit der SCHUFA und besteht auf
eine Schließung für die Öffentlichkeit. Bewertungen dürften nur
eingesehen werden, wenn die Studierenden nachweisen können, dass sie die Veranstaltung tatsächlich besucht hätten. Lehrevaluationen sind aber nur dann sinnvoll, wenn sie von zukünftigen und aktuellen Studenten sowie Hochschulvertretern eingesehen werden können.
Des Weiteren verlangt die Behörde, Dozenten bei neuen Bewertungen postalisch zu benachrichtigen sowie nachträglich alle bisher bewerteten Personen schriftlich zu informieren. Die Forderung ist praktisch nicht umsetzbar, jedoch wurden sämtliche Gegenvorschläge der Betreiber – wie beispielsweise die regelmäßige Benachrichtigung der jeweiligen Hochschulen – von der Datenschutzbehörde abgelehnt.
Der Anwalt von MeinProf, Dr. Lambert Grosskopf, selbst Dozent an der Hochschule Bremen, hält die Rechtsauffassung des Datenschutzes für falsch: „Jeder hat das Recht seine Meinung frei zu äußern und kann nicht nur den Inhalt, sondern auch den Ort und damit die Verbreitung seiner Äußerung frei bestimmen.“
MeinProf wird gegen den Bußgeldbescheid
vorgehen: „Wir stellen uns darauf ein, das vor Gericht auszutragen“, sagt Mitbetreiber Thomas Metschke. „Es geht um Transparenz und Qualitätsverbesserung der Lehre. Wir werden uns durch den Bußgeldbescheid nicht aus der Bahn werfen lassen, sondern weiter die Interessen der Studenten vertreten.“
Wie grausam ist das denn? Ich will die Verhandlungspause am Gericht nutzen, um meine E-Mails zu lesen. Doch das Betriebssystem startet nicht, stattdessen nur ein blauer Bildschirm, wonach der Computer zum Schutz des Systems abgeschaltet wird.
Etliche Neustarts, abgesicherter Modus, Systemwiederherstellung und im Hinterkopf schon der Gedanke, was es denn für schicke neue 12-Zoll-Notebooks gibt, aber nur mit kurzer Lieferzeit. Kurz vor Ende der Pause haut es dann doch wieder hin. „Windows wird nach einem schwerwiegenden Fehler wieder ausgeführt.“
Halleluja. Für die E-Mails hat es noch ganz knapp gereicht. Und für diesen Blogeintrag.
Und jetzt zur Urteilsverkündung.
Vergleichsvorschläge finde ich grundsätzlich gut. Manchmal sind sie auch interessant formuliert:
… sind wir der Ansicht, dass aufgrund des tief greifenden Zerwürfnisses zwischen den Parteien auch ein Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruch Ihres Mandanten … ausgeschlossen werden sollte. Ihr Mandant soll darüber nachdenken, da auf diese Art und Weise der tatsächliche Zustand zwischen Mutter und Sohn dokumentiert wird.
Es sollte eine vollständige Trennung sämtlicher emotionaler und rechtlicher Verbindungen, soweit möglich, erfolgen.
Die Aufforderung im letzten Satz ist witzig. Angesichts dessen, was unmittelbar davor steht.
Der Flughafenbahnhof Düsseldorf ist in einer Hinsicht besonders. Es gibt keinerlei Sitzgelegenheiten auf den Bahnsteigen.
Nächstes Mal nehme ich wieder den Bus.
Ich mache den Job jetzt schon 13 Jahre, bin vor völligen Fehleinschätzungen aber nicht gefeit. Eigentlich hatte ich ein gutes Gefühl, als sich der Strafrichter am Amtsgericht Berlin-Tiergarten heute zurückzog, um sein Urteil zu überlegen. Die Staatsanwältin war im Lauf der Beweisaufnahme ausdrücklich von einigen wichtigen Punkten abgerückt und hatte lediglich eine Geldstrafe beantragt.
Mein Gefühl sagte mir, dass der an sich sachliche und sehr freundliche Richter irgendwwas in der Mitte wählen wird. Wohl nicht den von mir beantragten Freispruch oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt. Aber auch nicht die vollen 100 Tagessätze, welche die Staatsanwältin gefordert hatte.
Die Urteilsverkündung war dann ein Schlag in die Magengrube. Selbst die Anklagevertreterin blinzelte erstaunt, als neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung rauskamen. Und außerdem noch mal 80 Tagessätze Geldstrafe.
Vor dem Mandanten stand ich etwas blöd da. Hatte ich doch in der Pause darauf getippt, dass am Ende 50 bis 60 Tagessätze rauskommen werden.
Mit wohlfeilen Prognosen zu einem Zeitpunkt, an dem sowieso nichts mehr zu machen ist, halte ich mich künftig wohl besser zurück.
Wer hat in diesem Mammut-Prozeß das Recht auf seiner Seite? Im Streit der Stadt Hagen gegen die Deutsche Bank AG um rund 50 Millionen Schadensersatz ist es gestern vor dem Landgericht Wuppertal zu keiner gütlichen Einigung gekommen. Die Zivilkammer vertagte die Verhandlung – sie will am kommenden Montag mit der Beweisaufnahme beginnen: „Das Gericht sieht weiteren Aufklärungsbedarf“, sagte Behördensprecher Michael Börsch. Tatsächlich ist die Lage verworren.
Es geht um riskante Geschäfte mit dem Geld der Steuerzahler. Die Stadt Hagen behauptet, sie sei vor drei Jahren beim Verkauf sogenannter Zinsswapgeschäfte von der Deutschen Bank nicht ausreichend über das hohe Risiko aufgeklärt worden. Kurz: Die Stadt hatte eine Wette um die Höhe von Zinssätzen verloren. Damit steht sie nicht allein. Remscheid machte mindestens 12,7 Millionen Euro Verluste, Neuss mehr als 10 Millionen, in Dortmund sind es 6 Millionen und in Solingen rund 1,5 Millionen Euro.
Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler (BDSt) kritisiert denn auch: „Gegen solche Finanzmanöver der öffentlichen Hand sind schwerwiegende Bedenken anzumelden“. Denn Kaminski bezweifelt, ob sich wirklich alle Politiker, gerade die ehrenamtlich tätigen kommunalen Mandatsträger, mit den komplizierten Finanz-Erfindungen des Marktes auskennen.
Tun sie nicht, meint der Deutsche Städtetag in Berlin: „Solche Geschäfte sind so komplex, dass sie professionell begleitet werden müssen.“ Es gebe einen hohen Bedarf an Informationsaustausch. Denn im Gegensatz zur Aufnahme von Krediten gebe es weder gesetzliche, geschweige denn einheitliche Regeln.
Abgesehen davon ruft der BDSt nach einer „grundsätzlichen Kommunalaufsicht“. Allerdings sind den Kommunen Spekulationsgeschäfte schon seit 1994 im § 90 der Gemeindeordnung verboten worden. „Spekulation ist verboten!“, so heisst nochmal in einer Rede von Innenminister Ingo Wolf (FDP), die der Landtag vor einer Woche zu hören bekam. Weitere warnende Schlagworte: „Das Vorsichtsprinzip ist zu beachten“, „Es besteht die Pflicht zur Risikovorsorge“, „Es gilt der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“.
Das Ministerium habe „schon vor Jahren“ empfohlen, dass fachkundige Beratung unerlässlich ist. In diese Kerbe hieb auch gestern das Landgericht Wuppertal. Die Stadt Hagen sei keine alte Frau, die zum ersten Mal ein Aktiengeschäft macht. Andererseits ist wohl die Bank in einer deutlich besseren Position: „Die Risiken waren ungleich verteilt“, argwöhnen die Richter.
Bleibt also die Frage: Was eigentlich ist eine Spekulation? Die Antwort darauf sucht derzeit auch die Staatsanwaltschaft Hagen. Sie ermittelt wegen Verdachts der Untreue gegen die ehemalige Kämmerin und den Oberbürgermeister. Aber wenn es zur Anklage käme, wäre das ein anderer Prozeß. Dann ginge es nicht um Millionen, sondern um Strafen. (pbd)