Das ist nichts wert

Vorhin mit dem Sachbearbeiter einer Haftpflichtversicherung telefoniert. Grund war, dass es erst hieß, ein Kostenvoranschlag reiche aus. Jetzt soll plötzlich ein Gutachten erstellt werden. Natürlich will die Versicherung den Gutachter beauftragen.

Ich habe dem Herrn gesagt, in diesem Fall mache mein Mandant von seinem Recht Gebrauch, selbst ein Gutachten einzuholen. Mein Mandant werde also den Gutachter beauftragen. Worauf der Sachbearbeiter erwiderte:

Das ist nichts wert. Das wäre doch ein Parteigutachten.

Die Frage, ob das umgekehrt nicht eher der Fall ist, hab ich gar nicht gestellt. Keine Lust, auf so einem Niveau zu diskutieren.

Interne Laufzeiten

Die Staatsanwaltschaft Schwerin gibt immer zwei Daten auf ihren Schreiben an. Einmal den Tag, an dem das Schreiben gefertigt wurde. Daneben gibt es die Rubrik „abgesandt“. Hier wird offensichtlich der Tag eingestempelt, an dem der Brief zur Post ging.

Auf einem Brief, der heute einging, sieht das so aus:

Schwerin, den 09.02.2008

abgesandt: 11. März 2008

So kann man sich jedenfalls Irritationen beim Empfänger sparen. Und vielleicht auch tagtäglich dokumentieren, dass die internen Abläufe weit vom Idealzustand entfernt zu sein scheinen.

Dienstwege

Für meinen Mandanten begann der Abend nicht vielversprechend. Vor seiner Haustür stand vorhin die Polizei und nahm ihn fest. Aufgrund eines Haftbefehls vom 25. August 2007.

Den Haftbefehl gibt es wirklich. Nur das Amtsgericht hat ihn kurz nach Erlass außer Vollzug gesetzt. Seitdem ist mein Mandant auf freiem Fuß. Er muss sich regelmäßig bei der Polizei melden.

Pech, dass er keine Kopie des Beschlusses vorzeigen konnte, mit dem ihn der Ermittlungsrichter rausgelassen hat. Glück aber schon mal, dass der zuständige Polizeibeamte kein Betonkopf ist. Er wunderte sich, so sagte er mir am Telefon, selbst ein wenig, dass er diesen Haftbefehl heute bei Antritt der Nachtschicht einfach so auf seinem Schreibtisch fand. Ohne weiteres Anschreiben scheint das Papier auf die Wache gefaxt und dann in seinem Eingangskörbchen deponiert worden zu sein. Vermutet jedenfalls der Polizist.

Pflichtbewusst wie er ist, wertete er das als Auftrag. Wenigstens hatte er kein Problem damit, dass mein Mandant nach der Festnahme seinen Vater anruft. Der wiederum alarmierte mich. Ich war um kurz vor neun schon zu Hause, konnte aber meine Kollegin noch erreichen. Sie wohnt ein paar Schritte vom Büro entfernt, ging für mich rüber, kramte in der Akte und faxte unsere Kopie des Außervollzugsetzungsbeschlusses an die Polizei.

Wenige Minuten später durfte mein Mandant dann wieder gehen. Mit ein bisschen weniger Glück hätte er die Nacht auf dem Revier verbracht.

Ein kleines Schwarzes

Von der gedruckten Tageszeitung lese ich meist nur die Prospekte. So erfuhr ich gestern, dass bei Karstadt eins dieser Internetradios, mit denen ich schon länger geliebäugelt habe, für beeindruckend günstige 89 Euro zu kriegen war…

Das IPdio mini kommt mit einer außerordentlich schlanken Bedienungsanleitung. Und selbst die muss man nicht lesen. Gerät anschalten, WLAN suchen lassen, WPA-Code eingeben, schon dudelt das Gerät in bester Kofferradio-Manier los.

Man kann die unzähligen Stationen nach Genre oder Standort wählen. Oder sich mit der im Gerät gespeicherten Zugangsnummer auf Reciva.com anmelden und Favoritenlisten erstellen. Diese Listen aktualisiert das IPdio mini 1 x täglich. (Und, falls es mal schnell gehen soll, wenn es von der der Stromversorgung getrennt und wieder angeschlossen wird.)

Podcasts lassen sich ebenfalls abonnieren. So wie ich es verstanden habe, taugt das Radio sogar als Abspielgerät für andere im Netzwerk hängende Geräte, wie den PC oder das Notebook.

Insgesamt also ein Teil, bei dem ich mich wohl bald frage, wie ich jemals ohne ausgekommen bin.

Provider liefert falsche Daten ans BKA

Beim Bundeskriminalamt ging dieser Tage ein bemerkenswertes Schreiben ein. Ein großer Internetprovider zog mit dem Ausdruck des Bedauerns eine Auskunft zurück. In dieser Auskunft hatte der Provider dem Bundeskriminalamt mitgeteilt, welcher Kunde am 29. August 2007 mit einer bestimmten IP-Adresse im Netz unterwegs war.

Das Bundeskriminalamt hatte die Auskunft verlangt, weil bei „anlassunabhängiger Recherche“ die IP-Adresse in einer Tauschbörse aufgefallen war. Über den zugeordneten Rechner standen eine Menge Kinderpornos zum Download bereit.

Für den benannten Kunden hatte die Auskunft dramatische Folgen. Hausdurchsuchung, Beschlagnahme des Heim-PCs und des Firmennotebooks, Vernehmung und sicherlich auch einige nicht sehr lustige Gespräche im Familienkreis. Das volle Programm eben, mit all seinen mitunter katastrophalen Folgen.

Stutzig machte den Betroffenen und mich die merkwürdig formlose Auskunft an das Bundeskriminalamt. Das Anfragefax schickte der Provider einfach zurück. Darauf waren mit der Hand Name und Adresse des Kunden notiert sowie „Gruß (unleserliche Unterschrift)“, Firmenstempel. Das war’s.

Der Datenschutzbeauftragte des Providers legte unsere Nachfragen nicht einfach in die Ablage P, sondern kümmerte sich um die Sache. Und stellte Besorgniserregendes fest. In seiner Sprache: „Die Prozesse bei der Überprüfung von IP-Adressen liefen nicht optimal. Die operative Einheit hat sich vertan.“ Mit anderen Worten: Irgendwo beim Blick ins Firmennetz (es handelte sich um eine Echtzeit-Abfrage), der Dokumentation der Daten oder der Zuordnung zu den Kundenstammdaten ist geschlampt worden.

Immerhin konnte das nachträglich noch festgestellt werden und die Firma ist so ehrenhaft, ihre Fehler nicht unter den Teppich zu kehren. Deshalb die Richtigstellung ans Bundeskriminalamt und die prompte Reaktion der zuständigen Staatsanwaltschaft: Der Betroffene darf seine Rechner abholen; die Einstellung des Verfahrens dürfte nur noch Formsache sein.

Mir gegenüber hat der Provider angedeutet, dass die zuständigen Mitarbeiter ab sofort durch „Controller“ verstärkt werden, die alle Arbeitsschritte in der Abteilung überprüfen. Außerdem soll jeder Abfragepunkt durch Screenshots dokumentiert werden, was bislang nicht der Fall gewesen ist.

Angesichts der sich daraus ergebenden bisherigen Zustände kann man wohl nur spekulieren, wie viele Kunden der Firma schon zu Unrecht morgens von der Polizei aufgesucht wurden.

Streng bewacht

Um 11.35 Uhr ist das kleine Amtsgericht Mettmann ein Hochsicherheitstrakt. Jedenfalls gibt sich der Mitarbeiter am Eingang alle Mühe, diesem Anspruch gerecht zu werden. Besucher ohne Dienst- oder Anwaltsausweis müssen alle Taschen leeren und den Inhalt überprüfen lassen. Mobiltelefone sind auszuschalten und zwar dauerhaft, wird man belehrt.

Knappe 20 Minuten später, als ich aus meinem Termin komme und in anderen Sälen noch fleißig verhandelt wird, ist die Eingangskontrolle verwaist. Jeder, der will, kann rein und raus marschieren. So lange ich mit meinem Mandanten am Eingang stehe und mit ihm noch ein wenig plaudere, bleibt der Eingang unbewacht.

Ich stelle das nur mal fest. Als Steuerzahler und so.

Perfekt

„Ich würde schon sagen“, erklärt der Polizist als Zeuge vor dem Amtsgericht, „dass wir im Bereich der Lasermessung perfekt arbeiten. Zu 100 Prozent, wir machen keine Fehler.“

Ich weiß nicht, ob ich bei solchen Sprüchen als Richter andächtig nicken würde. Es gibt aber solche Richter, wie ich seit heute weiß.

Nummernschild-Scanning geht nicht so einfach

Das Bundesverfassungsgericht hat heute die automatische Erfassung von Autokennzeichen in Hessen und Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt. Der massenhafte Abgleich von Nummerschildern mit Fahndungsdatenbanken sei nicht zulässig, entschieden die Richter. Nach ihrer Auffassung verletzt das Verfahren das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Näheres zum Beispiel bei Spiegel online.

Geschickt formuliert

Der gegnerische Anwalt schreibt einen Tag vor dem Verhandlungstermin:

… bedarf der erst jetzt vorgelegte Klageabweisungsantrag folgender Erwiderung.

Ja, es gibt einen Unterschied zwischen vorgelegt und eingegangen.

Aufschlüsseln, beifügen, benennen

Die Staatsanwaltschaft teilt mit, dass mein freigesprochener Mandant jetzt grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung für die zu Unrecht erfolgte Freiheitsentziehung hat. Elf Euro kriegt er für jeden Tag Knast. Aber nur, wenn er innerhalb von sechs Monaten (keinen Tag später!) einen formgerechten Antrag stellt, seine Forderungen in Einzelposten aufschlüsselt, Belege beifügt und sonstige Beweismittel benennt.

Wirklich eine unnachahmliche Art, dem Bürger auch in so einer Situation noch das Gefühl zu geben, ein Bittsteller zu sein. Unabhängig davon machte mich im vorliegenden Fall der Zeitraum stutzig, für den man bezahlen will:

20.08.07 bis 28.10.07 sowie 08.12.07 bis 19.12.07

Das hat dann aber doch seine Richtigkeit. Vom 29.10. bis 07.12.2007 hat mein Mandant nicht etwa ohne mein Wissen „Urlaub“ gehabt, sondern eine nicht bezahlte Geldstrafe abgesessen.

Hans Wurst ermittelt

Es war ja schon schlimm. Aber es ist noch viel schlimmer. Was am Ende zu einer völlig unverständlichen Hausdurchsuchung führte, hatte folgende Vorgeschichte:

Über das Online-Formular der Polizei meldet ein besorgter Bürger, im Internetforum D. gebe es einige Beiträge mit Links zu Rapidshare. Da seien wohl Filme dahinter. Screenshots der Links fügt er bei.

Die Polizei sieht sich außerstande, das Forum selbst zu überprüfen. Denn die Polizei ist kein registrierter Nutzer. Eine Registrierung unter „Hans Wurst“ schlägt fehl, weil der zuständige Beamte nicht begreift, dass er den Link in der Bestätigungsmail anklicken muss.

Auf die Idee, den ausgedruckten Links zu Rapidshare zu folgen, kommt niemand. (Heute sind sie alle tot. Wie praktisch für die Verteidigung.)

Stattdessen macht Hans Wurst der ermittelnde Polizeibeamte einen altklugen Vermerk. Ausweislich der Daten seien die drei Beiträge mit Links schon mehrere Monate alt. Somit habe sich der Betreiber des Forums diese Links jedenfalls zu eigen gemacht. Denn er hätte ja die Möglichkeit gehabt, die Links zu löschen. Man muss nur mal in § 7 und insbesondere § 10 Telemediengesetz gucken, um zu erkennen, die Welt ist kein Kinderteller.

Weder dem Staatsanwalt noch dem Richter fiel irgendwas auf. Oder ein. Man hätte sich doch zumindest fragen können, ob Links zu rapidshare.com wirklich auf den Rechner / Server eines Forenbetreibers führen. Der Satz: „Im Zeitraum … stellte der Beschuldigte über seinen Rechner am XY-Platz in K. das Computerspiel “…” für eine Vielzahl von Internetnutzern über sein Internetforum www. … .net zum Herunterladen zur Verfügung“ hat schon was. In Richtung Juniortüte.

Ohne jemals selbst in das Forum (mit ein paar hundert Beiträgen täglich) geguckt bzw. die Links geprüft zu haben, wird also der Verdacht auf gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzung gestrickt, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht und fröhlich durchsucht. Meine Beschwerde möchte der Staatsanwalt übrigens verworfen haben. Er meint, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Hausdurchsuchung hätten vorgelegen. Zu meinen Argumenten verliert er kein Wort.

Think global, act local

„Bei den Fahrtkosten“, sagt der Handwerker, „drücke ich Ihnen nur 15 Euro auf. Sonst ist die Pauschale 30 Euro. Aber wir hatten es ja nicht so weit von der Werkstatt.“

Kann man so sagen. 200 Meter laut Google Maps.

Gereizte Polizei

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) macht Krach. Von einem „Sicherheitsrisiko“ gar spricht der NRW-Landesvorsitzende Frank Richter und von einer „Spaltung“ der Polizei. Denn die Spezialisten der Kriminalpolizei bieten seit Jahren zwei wieder eigenständig der Kriminalität die Stirn. In den Städten und Landkreisen gibt es jeweils eine Kripo-Direktion, die den Staatsanwaltschaften anklagereife Ermittlungen vorlegen soll. Das war von 1994 bis 2006 anders: Auch nicht speziell geschulte Schutzleute sollten etwa Diebstähle und Einbrüche aufklären.

Bis Innenminister Ingo Wolf (FDP) nach der Ablösung seines Vorgängers Fritz Behrens (SPD) erkannte: Wir brauchen wieder eine fachliche Bündelung. Die aber ist dem GdP-Chef ein Dorn im Auge. „Wir können uns keine Spaltung der Polizei leisten“, schimpft Frank Richter, der wohl auch die Position der GdP zwei Monate vor den Personalratswahlen gegen andere Berufsverbände stärken will.

Mehr Eigenständigkeit der Kripo-Direktion führe zu „Funkstörungen“ innerhalb der Behörden. „Dass die Kripo wieder selbständig ist, begrüßen wir“, hält Oberstaatsanwalt Johannes Schüler vom Deutschen Richterbund (DRB) dagegen. Alleskönner gebe es nicht: „Entweder kann ich einen Unfall aufnehmen oder einen Betrug ermitteln“. Die Qualität der Ermittlungen habe in den vergangen Jahren „gelitten“. Kriminalbeamte seien nun mal Fachleute.

Wilfried Albishausen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) pflichtet bei: „Kriminalität ist eben nicht durch die „Polizei auf der Straße“ zu bekämpfen, sondern durch hochmotivierte und hochqualifizierte Kriminalistinnen und Kriminalisten“. Allerdings: Etwa 7.000 Beamte, kritisiert der BDK-Landesvorsitzende, seien zu wenig. Außerdem liege das Durchschnittsalter jenseits der 50.

Für Albishausen ist es kein Trost, dass der meiste für die Kripo erforderliche Nachwuchses aus jungen Beamtinnen und Beamten der Schutzpolizei bestehen soll: „Dass ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, reicht aber dauerhaft nicht aus!“ (pbd)

Abseitsfalle

Die FDP löst ihre Verlobung mit der CDU. Das scheint mir die gute Nachricht des Tages. Wenn auf dieses Signal hin die Liberalen in Hessen endlich Roland Koch fallen lassen, gibt’s auch Bewegung in Berlin.

Dann fehlt noch Steinmeier als Kanzlerkandidat der SPD. Und es gibt ruckzuck eine tragfähige Mehrheit jenseits der Union, ohne die Linke.

Rot-gelb-grün müsste sich schon sehr dumm anstellen, damit es noch grausamer wird.