Es gibt Anwälte, die halten sich für abgöttisch gut. Wie jener Kollege aus einer anderen Großstadt am Rhein. Er meinte vor einigen Monaten, das Gericht erster Instanz mit einem Hinweis beeindrucken zu müssen. „Ich schreibe nicht gern Revisionen“, sagte er in der Hauptverhandlung. „Nicht, dass Sie glauben, ich kann das nicht. Ich kann es – sogar sehr gut. Und wehe, wenn ich loslege…“
Mit seinen Sprüchen verband er die Ansage: „Alles, was über zwei Jahre mit Bewährung hinausgeht, wird nicht rechtskräftig.“ Das Gericht hatte, wie bei den sonstigen Wortschwällen des Kollegen auch, die Ohren längst auf Durchzug gestellt. Das geht problemlos als Notwehr durch. Am Ende kriegte der Angeklagte deutlich mehr als das, was seinem Verteidiger vorschwebte.
Vor diesem Hintergrund habe ich die Revisionsbegründung mit Spannung erwartet. Sie liegt jetzt vor und hat folgenden Wortlaut:
Ich rüge die Verletzung des materiellen Rechts.
Erst vermutete ich, der Kollege sammelt seine Kräfte und lässt zum Ablauf der Frist seine todbringenden Argumente prasseln. Doch wie ich nunmehr erfahre, ist es bei diesem Alibisatz, auch allgemeine Sachrüge genannt, geblieben. Dementsprechend beantragt der Generalbundesanwalt auch nur bündig, die Revision des Angeklagten zu verwerfen.
Jetzt tut mir der Mandant des Kollegen fast ein wenig leid. Drei, vier Punkte aus dem Urteil hätte man wirklich aufgreifen können. Das Ergebnis wäre wahrscheinlich gleich geblieben. Aber immerhin hätte es nicht so peinlich gewirkt. Wobei das ja wiederum nur den Anwalt trifft, den aber so was von.