Freiwillig hinterlassen

Eine Polizeibeamtin schildert in ihrem Ermittlungsbericht, sie habe dem Beschuldigten „aus Höflichkeit“ ein Glas Wasser angeboten. Der Beschuldigte haben von diesem Angebot Gebrauch gemacht.

Da fragst du dich natürlich, seit wann wird so was protokolliert, weil freundliche Polizei ist doch selbstverständlich. Aber dann kommt schon die Erklärung:

Der Beschuldigte habe sich mitten in der Vernehmung allen weiteren Maßnahmen widersetzt und nach einem Anwalt verlangt. Deshalb sei seine „freiwillig hinterlassene“ DNA in Form eines „deutlich erkennbaren Lippenabdrucks“ gesichert worden.

Kleiner Beitrag

Ein Mandant war bei einem Verkehrsunfall verletzt worden. Die gegnerische Versicherung hat zügig für das kaputte Auto gezahlt und ein akzeptables Schmerzensgeld überwiesen. Vorhin bat mich der Mandant, den Strafantrag gegen den Unfallverursacher zurückzunehmen.

Ein kleiner Beitrag zur Entlastung der Justiz.

Far Far Away

Datensicherung im Büro. Eine lange Geschichte. Früher habe ich ab und zu eine CD gebrannt. Dann DVDs. Später kam eine externe Festplatte zu Hause dazu. Die nahm ich gelegentlich mit in die Kanzlei und überspielte alles, was mir wichtig schien.

Allerdings hilft die Festplatte in der Wohnung nicht viel weiter, wenn mal alles einkassiert wird. Was heutzutage – schöne Grüße an (meiner Meinung nach unschuldig) betroffene Verteidigerkollegen – durchaus schon mal vorkommt. Sozusagen Berufsrisiko.

Jetzt läuft alles über verschlüsseltes Online-Backup. Der Server steht in Far Far Away.

Kein Kabel angeschlossen

Heute mal wieder das Vergnügen gehabt, einer erkennungsdienstlichen Behandlung beizuwohnen. Die Szenerie im Polizeipräsidium Düsseldorf ist eigentlich wie für einen Horrofilm gemacht. Ein muffiger Vorraum, ohne Licht, nur eine Bank.

Dann durch ein normales Beamtenbüro. Die hintere Wand des ED-Raums macht zur Hälfte eine offene Zelle aus, mit richtig dicken Eisenstäben. Bis auf die Digicam und den Computer ist alles antiquiert. Die Balkenwaage. Das verschiebbare Metalldreieck für die Größenmessung. Der Tisch mit den Stempelkissen für die Fingerabdrücke. Aber vor allem der Stuhl. Uralt, klobig, mit einem fies rötlichen, übel zernarbten Leder bezogen. „Keine Sorge, ist kein Kabel angeschlossen“, witzeln die Beamten routinemäßig, wenn der Beschuldigte käsig wird.

Wie alt der Stuhl ist, in dem der Beschuldigte für die Fotos posieren muss, kann keiner sagen. Wahrscheinlich stammt er noch aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, meint einer der Beamten. „Wir sagen immer, das Präsidium wurde um diesen Stuhl erbaut.“ Jetzt ist mir auch wieder klar, warum viele Beschuldigte ohne Anwalt spätestens nach der ED-Behandlung redselig werden. Bloß raus hier, dafür tut man (fast) alles.

Staatshandwerk tricksen und täuschen

Das Innenministerium plant möglicherweise, den Bundestrojaner unter dem Namen anderer Behörden auf den Computer des Verdächtigen einzuschleusen. Tagesschau.de zitiert aus einem internen Vermerk des Bundesinnenministeriums, „das Versenden von E-Mails unter dem Namen einer anderen Behörde“ könne in begründeten Ausnahmefällen zum Einsatz kommen.

Dass der Vermerk echt ist, steht noch nicht fest. Wenn die Pläne allerdings so weit gehen, dass der Bürger künftig jeder Mail und jedem Onlineangebot einer Behörde mit doppelter Skepsis begegnen, die Mail im Zweifel zurückgehen und das Onlineangebot ungenutzt lassen wird, ist der Schaden für die E-Republik Deutschland schon eingetreten – bevor der erste neue Bundestrojaner überhaupt geschnüffelt hat. Will man wirklich eine Fronstellung Behörden – Bürger, ein Klima des permanenten Misstrauens im Umgang mit den Behörden?

Wenn ja, passt das kaum zu den popeligen fünf bis zehn Online-Überwachungen, die BKA-Chef Ziercke laut heise online angeblich pro Jahr für realistisch hält. Solche Versprechungen mögen vielleicht sogar ernst gemeint sein. Heute. Die Erfahrung lehrt aber, dass alle technischen Überwachungsmöglichkeiten früher oder später immer mehr Anwendungsfälle finden. Das weiß natürlich auch der BKA-Chef. Aber tricksen und täuschen gehört heute offenbar zum Staatshandwerk. Siehe oben.

Spiegel online: Viele Fragen, schwammige Antworten

Anwälte gegen Sicherheitswahn

Heimliche Überwachungsmaßnahmen müssen in einem Rechtsstaat die Ausnahme bilden und bedürfen einer besonderen Legitimation. Dies bekräftigt der Deutsche Anwaltverein (DAV) in einer Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung.

„Mit diesem Grundsatz ist es nicht vereinbar, dass es nach dem Gesetzentwurf in einem weiten Umfang möglich sein soll, die Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant heimlich zu überwachen, obwohl die Beziehung zwischen dem ratsuchenden Bürger und seinem Rechtsanwalt eines besonderen Vertrauensschutzes bedarf“, so Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Vorsitzender des DAV-Strafrechtsausschusses. Der absolute Schutz der mandatsinternen Kommunikation dürfe nicht nur für Strafverteidiger gewährleistet werden.

Der DAV spricht sich mit Nachdruck gegen die vorgesehenen Regelungen zur sog. „Vorratsdatenspeicherung“ aus, denn es bestehe kein Handlungszwang, die Richtlinie des Europäischen Parlaments vom 15. März 2006 in innerstaatliches Recht umzusetzen, zumal vor dem EuGH ein Nichtigkeitsverfahren anhängig sei, dessen Ausgang man abwarten solle. Der DAV appelliert an die Politik, trotz des momentan vorherrschenden, populistischen „Sicherheitswahns“ eine sachliche Debatte über die geplanten Neuregelungen zu führen.

Komplette Stellungnahme des DAV

Prämie

„Wenn Sie ihn da rausholen, zahle ich 15.000 Euro Erfolgsprämie.“

„Mir wäre es lieber, Sie bezahlen vorab unsere normalen Anwaltsgebühren.“

Habe nie wieder was von dem Anrufer gehört.

Im Auto gelassen

Heute morgen in einer Justizvollzugsanstalt:

Wenn Sie mir anwaltlich versichern, dass Sie Drogen, Feuerwaffen und Handgranaten im Auto gelassen haben, können wir uns die Knutscherei sparen.

Auch der Mandant fühlt sich o.k. behandelt. Da scheint das Betriebsklima ausnahmsweise mal zu stimmen.

Wirtschaftsspione im Staatsauftrag

Fremde Staaten steuern hierzulande ihre Wirtschaftsspione, davor warnte gestern NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP): „Gerade die Volksrepublik China stützt sich stark auf die Arbeit ihrer Nachrichtendienste, wenn es um den Transfer von Technologie und Know-how aus dem Ausland geht“.

Aktuelle Studien bestätigen, dass rund 40 Prozent aller deutschen Unternehmen bereits durch kriminelle Angriffe im Wirtschaftsbereich geschädigt worden sind. „Manche Staaten gründen dafür sogar Scheinfirmen, hinter denen sich tatsächlich jedoch ihre Nachrichtendienste verbergen“, sagte Wolf.

Ausländische Wirtschaftsspione tarnen sich demnach als Praktikanten und schmuggeln Daten, Formeln, Rezepte oder Konstruktionszeichnungen außer Landes. Gefährdet seien besonders kleine und mittelständische Unternehmen. (pbd)

Neue Preise

Eine Bäckerei an der Nordstraße in Düsseldorf.

„10 Brötchen, das macht zwei Euro und neunzig Cent.“

Die Kundin vor mir hat die Tüte entsetzt wieder ausleeren lassen. Die Verkäuferin agierte gleichmütig. Kommt wahrscheinlich öfter vor, in diesen Tagen.

Fairer Vorschlag

Die Staatsanwaltschaft ist bereit, das Verfahren gegen meinen Mandanten einzustellen. Einzige Bedingungen: Er stimmt der Einziehung seines beschlagnahmten Rechners und eines Monitors zu.

Bei 400 GB urheberrechtlichen geschützten Materials aus Tauschbörsen liegt es auf der Hand, wozu ich dem Auftraggeber rate. Zumal der Computer ohnehin schon seine besten Tage hinter sich haben soll.

Nebenverdienste: Verordnung ohne Grundlage

Irgendwer muss das ja machen, und mit Gefühlen hat es nichts tun. Sagt Peter Söhnchen, der 1. Beigeordnete der Stadt Neuss. Er tritt im Namen der Stadt Neuss vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gegen seinen Freund und Chef an. Gegen den Neusser Bürgermeister Herbert Napp. Denn Napp hat gegen die Stadt Neuss geklagt, die ihm per Bescheide bislang 13.116,22 Euro abgeknöpft hatte. Das Geld bekam Napp für seine Arbeit im Regionalbeirat der RWE Energy AG.

Da wurde dann schon mal über die Effizienz von Straßenbeleuchtung diskutiert, über die Liberalisierung der Märkte. Weil das eine Nebentätigkeit ist, die angeblich „einer im öffentlichen Dienst gleichgestellt ist“, sollte er das Geld an die Stadt abführen, bekam einen entsprechenden Forderungsbescheid. Er hat „unter Vorbehalt“ gezahlt, soll es aber nun doch zurückbekommen.

Der Hintergrund des Streits hat mit den Bemühungen der Landesregierung zu tun, Korruption durch Transparenz zu bekämpfen. Deshalb wurde vor zwei Jahren die Nebentätigkeitsverordnung für den öffentlichen Dienst verschärft. Allerdings so kompliziert, dass Meinungen schnell auseiander gingen: Das Innenministerium und die Stadt Neuss sagen, Napp sei im RWE-Beirat, weil er als Bürgermeister dort hin berufen wurde.

Nein, sagt, Napp, aufgrund meiner beruflichen Erfahrung und meiner besonderen Erkenntnisse. Danach fragt aber Norbert Chumchal erst gar nicht. Der Vorsitzende der 26. Kammer hat sich mit den beiden anderen Berufsrichtern die entsprechende Vorschrift der Verordnung angesehen und sinniert jetzt darüber, dass jede Verordnung eine Ermächtigungsgrundlage im dazugehörigen Gesetz haben muss. Hat sie nicht, heißt schließlich das Urteil.

Das Landesbeamtengesetz decke die Nebentätigkeitsverordnung nur gefühlt ab. Damit ist der Bescheid nicht auf eine gültige Rechtsgrundlage gestützt, also rechtswidrig. Das Innenministerium weiß noch nicht, ob es in die Berufung geht oder das Gesetz ändern lassen will: „Wir müssen das schriftliche Urteil abwarten“, sagt Ministeriumssprecherin Dagmar Pelzer. Und Norbert Napp wollte eh nur, sagt er, eine Rechtslage klären: „Ich werde in kein Indianergeheul der Freude ausbrechen“. Aber das Gefühl sei prima. (pbd)