Kommt alles zusammen

Der Zivilprozess gegen meinen Mandanten hat etliche Monate gedauert. Leider hat der Gute verloren. Aber der Gegner kriegt trotzdem nichts. Kann er sich bei dem Richter bedanken, der meinen Mandanten in einer anderen Sache zweieinhalb Monate in Untersuchungshaft gesteckt hat.

Das hat meinen Auftraggeber nicht nur Frau und Kind, sondern auch den Arbeitsplatz gekostet. Jetzt ist er wieder draußen, ohne Wohnung und Geld. Das werde ich dem gegnerischen Rechtsanwalt schreiben. Mal sehen, ob er die Vollstreckung erst mal ruhen lässt.

Nicht entfernbar

Mir wurde heute in einem Haftprüfungstermin das Protokoll vorgelegt. Darin folgender Textbaustein:

Der Beschuldigte wurde darüber belehrt, dass ihm auf Antrag für die Dauer der Untersuchungshaft ein Verteidiger beigeordnet wird.

Darauf gehe ich gern ein, sagte ich dem Ermittlungsrichter. Und erneuerte meinen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger. Den Antrag hatte ich, wie üblich, bereits schriftlich vorher gestellt. Der Richter sah zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht die Voraussetzungen für eine Beiordnung. Das ist durchaus vertretbar.

Meine Bitte, die Belehrung / Zusage dann wenigstens aus dem Protokoll zu streichen, stieß auf ein kleines Hindernis. Der Textbaustein, so die Protokollführerin, kann aus den neuen Formularen nicht entfernt werden.

Auch gut, dann komme ich bei Gelegenheit darauf zurück.

Persönliches Erscheinen

Hinweis auf einer Ladung, gerichtet an die „sehr geehrten Rechtsanwälte“:

Das Gericht hat Ihr persönliches Erscheinen angeordnet.

Bei der netten Richterin ist es mir ein Vergnügen, über eine verborgene Botschaft zu spekulieren. Aber machen wir uns nichts vor, das ist nur ein verwuselter Textbaustein.

Eingetauscht

Ich wusste gar nicht, dass wir für unsere Telefonrechnung Happy Digits sammeln. Über einen nicht näher bekannten Zeitraum kamen mehr als 3000 Punkte zusammen. Die habe ich gleich mal in einen Rasierer von Braun eingetauscht.

Danke, lieber Staat

Die aufstrebenden Sozialdemokraten machen uns zu Chinesen, meint der Politikwissenchaftler Franz Walter:

Der technokratisch unterfütterte vorsorgende Sozialstaat begreift Menschen als Material, als Produktionsfaktoren, in die man rentabilitätsorientiert investieren muss. Die Chancen, die der vorsorgende Sozialstaat den Menschen anbietet, sind keineswegs ein Angebot, das man ablehnen darf. Es herrscht nachgerade ein Zwang zur lebenslang fleißigen Eigenoptimierung durch die Bildungsinvestitionen des Staates.

Kultur, Autonomie, Eigensinn, die Freiheit zum Nein – all dies kommt bei den Ideologen des vorsorgenden Sozialstaats in der Sozialdemokratie auf der „Höhe der Zeit“ substanziell nicht mehr vor.

Zur CDU ist der einzige Unterschied, dass die christliche Chinesen will.

Keinen Gedanken

Okay, wie es scheint, ist mein Mandant ausgeflippt. Hat in einem Lokal Inventar zerschlagen (Wert 200 €) und sich anschließend mit einem Polizisten angelegt. Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Aber mein Mandant ist schwer krank. Er leidet an der extremen Form eines Aufmerksamkeitsdefekts, ist seit Jahren in Behandlung und muss täglich 13 (!) verschiedene Medikamente schlucken. Obwohl das in der Ermittlungsakte mehrfach erwähnt und sogar von Ärzten bestätigt wird, verschwendet der zuständige Staatsanwalt keinen Gedanken daran, ob mein Mandant schuldunfähig sein könnte. Oder ob seine Schuldfähigkeit zumindest eingeschränkt ist.

Na ja, man kann eben selbst die offenkundigsten Fragen zurückstellen, bis sie dann in der Hauptverhandlung geklärt werden. Das ist eine nette Veranstaltung, die der Steuerzahler finanziert, sofern der unvermeidliche Gutachter das Naheliegende bestätigt.

Gute Tat

„Junger Mann, helfen Sie mir doch mal bitte.“ Sagt die ältere Dame an der Ecke Mauerstraße/Rolandstraße. Sie versucht was mit einer Plastiktüte. „Wissen Sie, ich kann mich nicht doch nicht mehr recht bücken.“

Das war dann aber meine gute Tat für heute. Um die Frau und ihren Hund mache ich künftig einen großen Bogen.

Kontakt- und Begleitperson

In unzähligen Interviews haben Bundesinnenminister Schäuble und BKA-Chef Ziercke die Online-Durchsuchung verharmlost. Immer vorne mit dabei das Argument, alles werde selbstverständlich von einem Richter genehmigt und überwacht.

Möglicherweise war auch dies wieder nur eine kalkulierte Täuschung. Denn der Entwurf des BKA-Gesetzes soll Online-Überwachungen auch ohne richterliche Genehmigungen vorsehen, wie zum Beispiel die Welt berichtet. Außerdem soll im Entwurf vorgesehen sein, dass auch Daten unverdächtiger Personen durchsucht werden können, sofern sie einen Computer mitbenutzen oder in einem Netzwerk zusammenhängen.

Überdies soll das BKA auch gegen an sich unverdächtige Personen schnüffeln dürfen, und zwar schon dann, wenn sie als „Kontakt- und Begleitpersonen“, derer sich potenzielle Täter „zur Begehung der Straftat bedienen könnten“, eingestuft werden. Man muss sich klarmachen, dass schon gegen „potenzielle Täter“ an sich nichts Verwertbares vorliegt. Das sind Leute, die bislang weder eine Straftat verabredet noch eine kriminelle Vereinigung gegründet haben. Ansonsten könnten sie nämlich schon strafrechtlich verfolgt werden.

Da kann man sich ausmalen, wie viel vorliegen muss, um von emsigen Ermittlern künftig als Kontakt- oder Begleitperson eingestuft und mit dem vollen Programm behandelt werden zu können.

Nichts.

Tatsachen und Beweismittel

Vorgestern habe ich per Fax in einem Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht beantragt. Am Dienstag ist schon Haftprüfung. Deshalb machte ich es etwas eilig:

Ich bitte darum, mir die Akteneinsicht so rechtzeitig zu gewähren, dass ich im Haftprüfungstermin über alle Tatsachen und Beweismittel informiert bin, auf die der Haftbefehl gestützt wird. Es ist nicht zulässig, den Haftbefehl auf Umstände zu stützen, von denen der Beschuldigte keine Kenntnis und demgemäß keine Möglichkeit hat, diesen entgegen zu treten. Eine mündliche Information unmittelbar im Haftprüfungstermin reicht nur in einfach gelagerten Fällen. Ein solcher liegt hier aber nicht vor.

Zu meiner Überraschung war die Akte heute schon in der Post. Ich habe einen neuen Textbaustein.

Talent

Heute war ein Gerichtstermin. Wer ist nicht gekommen? Der Auftraggeber. Seine telefonische Erklärung:

Sie haben gesagt, Sie kümmern sich um alles.

Das habe ich tatsächlich gesagt:

Bei einer Bußgeldsache müssen wir die Verhandlung am 30. August zusammen wahrnehmen. Sie müssen also zum Gericht kommen. Am besten, Sie melden sich ein, zwei Wochen vor dem Termin noch einmal oder wir machen einen Termin. Dann besprechen wir die Einzelheiten.

Eigentlich braucht mich der Betreffende gar nicht. Seine Auslegung meiner Worte zeigt, er ist ein juristisches Naturtalent.