Handystreit – jetzt mit Gutachter

Der Streit um ein beim Sportunterricht verschwundenes Schüler-Handy geht weiter: Das Landgericht Wuppertal will in 14 Tagen zwei Zeugen vernehmen.

Dabei geht es um die strittigen Fragen, ob der Schüler sein Handy bei sich hatte, ob seine ehemalige Lehrerin es vor dem Unterricht in Verwahrung genommen und in eine offene Kiste gelegt hat.

Das beklagte Land NRW bestreitet bislang, wie berichtet, eine Amtshaftung. Das Gericht will nun auch ermitteln, ob der Schüler der Eigentümer des Handys war. Dazu soll seine Schwester gehört werden. Zum Wert des Telefons wird ein Sachverständiger sein Gutachten vorlegen. (pbd)

Früherer Bericht im law blog

Unterrichtsthema

Wir hatten damals in der Oberstufe im Leistungskurs Geschichte eine Lehrerin, die hätte solche Ideen wie jene von Herrn Bosbach, ein Konvertitenregister einzuführen, als Steilvorlage empfunden.

Das hätte nahtlos zu Diskussionen über die Frage geführt, ob die Menschen aus der Geschichte nichts gelernt haben. Gleich, ob das aktuelle Thema im Unterricht Nationalsozialismus, Kreuzzüge oder sonstwie gelautet hätte. Da wäre es sicher hoch her gegangen. Auch wir hatten damals im Kurs schon kleine Bosbachs sitzen, die nicht begriffen, wieso es gefährlich ist, Menschen nach allgemeinen Kriterien zu katalogisieren, abzustempeln und sonderzubehandeln.

Unser Weltbild blieb aber einigermaßen heil, denn so gingen deutsche Politiker Ende der Achtziger nicht mit der Freiheit, der Gleichheit und dem Rechtsstaat um. Ich weiß nicht, ob mir das heute auch noch so ginge, wenn ich 25 Jahre jünger wäre.

Allerdings weiß ich auch nicht, ob man solche Dinge heute überhaupt noch in der Schule offen bespricht. Wo doch „Prävention“ immer wichtiger wird. Und die nächsten Register somit nicht weit sein dürften.

Nachtrag: Die angeblichen Äußerungen hat Wolfgang Bosbach so nicht gemacht.

Haftstrafe für Münchner Anwalt

Ein bekannter Münchner Rechtsanwalt ist vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Ohne Bewährung.

Über die Hintergründe berichten die taz und heise online.

In einem Kommentar zu den gestrigen Links hat Leser Dirk geschrieben:

Ich glaube nicht, dass das Urteil des AG Berlin-Tiergarten in dieser Form Bestand haben wird. Eine Strafaussetzung zur Bewährung ist bei einer Freiheitsstrafe bis 1 Jahr der praktische Regelfall. Alles andere bedarf besonderer Begründung. Warum eine Verurteilung aus 2000 dem entgegenstehen sollte, ist nicht ersichtlich, da der zeitliche Abstand zu groß ist.

Überdies wäre die Vorstrafe bei der Länge der Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, wird sie aber nochmal wegen der Frage der Aussetzung zur Bewährung verwendet, liegt eine Doppelverwendung vor. Zu guter letzt kommt dann wohl auch noch eine Gesamtstrafenbildung in Betracht, wenn die andere Verurteilung rechtskräftig wird.

Das waren auch meine Gedanken.

Schlüsselfragen

Die Kündigung kam auf Zuruf – an der Supermarktkasse. Dort waren sich mein Mandant und der Mieter seines Tiefgaragenplatzes zufällig begegnet. Mein Mandant war in Eile, akzeptierte die Kündigung aber schon mal zum Monatsende.

Der Monat war dann auch zu Ende. Aber den Schlüssel für die Tiefgarage hatte der Mandant immer noch nicht. Anruf beim Mieter. Dessen Frau klingt gleich schnippisch. Man habe den Schlüssel doch in den Briefkasten geworfen. „Vor Zeugen.“ Ja, ist klar.

Gegen glaubwürdige Zeugen kann man in der Regel wenig machen. Aber reicht es überhaupt aus, einen Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters zu werfen? Noch dazu, wenn der Schlüssel zu einer Schließanlage gehört? Und ohne zumindest den Vermieter zu informieren?

Ich halte das nicht für ausgemacht.

Kein Sonderopfer für Beamte

Die Kostendämpfungspauschale, die das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen seiner Kranken-Beihilfe den Beamten und Richtern abverlangt, ist für die Zeit von 2003 bis 2006 verfassungswidrig. Das urteilte gestern der 1. Senat des Oberwaltungsgerichts Münster (AZ: 1 A 4955/05 u.a.).

Vor 2 Monaten hatte schon der 6. Senat genauso entschieden. Das aktuelle Urteil kritisiert, das Land verletzte seine Pflicht zur verfassungsrechtlich geschuldeten Fürsorge. Und verlange von den Beamten und Richtern „gezielt ein Sonderopfer zur Einsparung von Personalkosten“. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. (pbd)

Meine Wanze, mein Trojaner

Wegen Hehlerei möchte die Berliner Polizei jetzt zwei Globalisierungsgegner dranbekommen. Diese haben, so berichtet Gulli, an ihrem Auto eine Wanze des Bundeskriminalamtes entdeckt, diese entfernt und später öffentlich – für einen „guten Zweck“ – verkauft. Das Bundeskriminalamt hatte wohl die Rückgabe der Abhöranlage gefordert.

Jedenfalls tun sich hier interessante Rechtsfragen auf, die Gulli so formuliert:

Macht sich, wer eine heimlich angebrachte Überwachungskamera in seiner Wohnung zerstört, womöglich der Zerstörung von Bundeseigentum schuldig? Und sollte es je doch zum Einsatz des sogenannten Bundestrojaners kommen – käme seine Entfernung vom heimischen System dann der Computersabotage gleich?

(Quelle des Links)

Harte Bandagen

Das Amtsgericht Neumünster hat einen „Gebührenbeauftragten“ des NDR zu einer Geldstrafe wegen versuchter Nötigung verurteilt. Der Mann soll, so berichtet die Welt, im Herbst 2006 ein Paar besucht und Zusatzauskünfte über Empfangsgeräte im Haus, im Auto und in einem Ladenlokal verlangt haben. Das Paar habe sich zweimal geweigert, Unterschriften zu leisten. Darauf habe der Gebührenbeauftragte mit der Polizei und einem Detektiv gedroht.

(Quelle des Links)

Unaufgefordert

Ich finde es ja löblich, wenn Strafrichter Hinweise geben. Oder mitteilen, was die Staatsanwaltschaft sich hat einfallen lassen. Wir haben einen, der schickt allerdings immer die gesamte Akte. Im Begleitschreiben steht dann:

… siehe Vermerk Bl. XYZ.

Dort findet sich dann handschriftlich die Nachricht des Richters. Alles grundsätzlich kein Problem, wenn die Justizkasse hierfür nicht jedes Mal zwölf Euro Aktenversendungspauschale geltend machen würde. Diese Gebühr fällt allerdings nur an, wenn ich als Verteidiger Akteneinsicht beantragt habe. Nicht, wenn mir die Akte so zugesandt wird.

In einer Sache sollen wir mittlerweile 24 Euro berappen. Für zweimalige Akteneinsicht, die wir nie angefordert haben. Auf mein, wie ich hoffe, nachvollziehbar begründetes Rechtsmittel reagierte das Gericht jetzt wie zu erwarten: mit einer Mahnung.

Mit Verwunderung

Sehr geehrter Herr Vetter,

mit Verwunderung nehmen wir Ihre Tätigkeit … zur Kenntnis.

Solche Formulierungen sind eine Garantie dafür, dass auch im Rest des Briefes nichts Gescheites steht.

Die Bibel

In der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf ist die Bibel frei erhältlich. In Köln muss man dafür einen Antrag stellen. Das berichtete ein Sachverständiger über das Gespräch mit seinem Probanden. Auch wenn der Inhaftierte aus der Lektüre der Bibel „seelische Erleichterung“ gefunden habe, sei ihm der Antrag in Köln zu aufwendig gewesen.

Dort hat der Betreffende dann aber auch einen Fernseher gekriegt.

Kündigungsvertrag

Wo lässt die Firma Arcor ihre Kundenbetreuer juristisch schulen? Die Frage stellt sich, wenn man die Antwort auf eine Kundenbeschwerde liest, die mir ein Leser gesandt hat. Der Leser hatte einen Zusatzdienst zu seinem Mobilfunkvertrag fristgerecht gekündigt. Arcor buchte aber auch nach Ablauf der Kündigungsfrist munter weiter ab.

Auf seine Nachfrage erhielt er folgende Antwort:

… Sie haben kein Bestätigungsschreiben für die Kündigung erhalten. Somit wurde der Vertrag zwischen den Parteien nicht abgeschlossen. Unsere Verträge benötigen stets die Willenserklärung beider Seiten. Von der Erteilung einer Gutschrift sehen wir daher ab. …

Ihr Arcor-Team

Die Kündigung ist gerade der klassische Fall der einseitigen Willenserklärung. Das heißt, sie muss den Empfänger nur erreichen. Ob er ihr zustimmt, spielt keine Rolle.

A.A., soweit bekannt, nur Arcor.

Geständnis

Die WDR 5 Nachrichten berichten gerade, Hintermänner des 11. September hätten in Duisburg agiert. Über einen heißt es:

Er ist inzwischen im US-Gefangenenlager Guantanamo inhaftiert und soll gestanden haben.

Na, dann ist ja alles klar.

Offene Kiste

Ein verschwundenes Handy bereitet dem Land Nordrhein-Westfalen große Sorgen. Ein ehemaliger Hauptschüler aus Haan hatte es vor dem Sportunterricht seiner Lehrerin gegeben. Die packte es, zusammen mit anderen Sachen, in eine offene Kiste. Weil das Handy seit Ende des Unterrichts im Jahre 2004 nicht mehr zu finden ist, muss sich die 16. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal mit diesem Verlust befassen. Er soll ein Präzedenzfall werden.

400 Euro verlangte Kai Sturm, der Solinger Anwalt des Ex-Schülers, in seiner Amtshaftungsklage vom öffentlichen Schulträger, dem Land. Immerhin sei das Handy von der Lehrerin ja „in Verwahrung“ genommen worden. Doch das Land bestreite fast alles. Die drei Richter der Kammer, um Schlichtung bemüht, machten einen Vorschlag. Sie errechneten den Wert des Handy zur Zeit des Verlustes, halbierten den Betrag und boten Rechtsanwalt Sturm und seinem Mandanten 150 Euro an.

Diesen Vergleich akzeptierte Sturm schon aus „verfahrensökonomischen Gründen“. Doch das Land blieb stur beim Nein. Sturm wundert sich: „Wir haben reichlich Beweismittel angeboten“, wenigstens zwei Zeugen könnten zugunsten seines Mandanten aussagen. Jetzt seien fünf Juristen mit der Sache befasst, die Akte ist auf 5 Zentimeter gewachsen, dicker also als das Handy: „Das ist ja lächerlich“. Ist es nicht, sagt der fünfte Jurist, er ist der Anwalt des Landes.

Guido Wacker zweifelt erstmal grundsätzlich: „Hatte der Schüler denn ein Handy dabei?“ Falls ja, habe er selbst Schuld. Er habe vom Sportunterricht gewusst und dennoch sein Handy mitgebracht. Und habe es eigenhändig weggegeben. Es sei auch kein Verwahrungsvertrag zustande gekommen – die Lehrerin habe eher einen Freundschaftsdienst geleistet.

Und überhaupt: Der Verlust solcher Sachen in Schulen sei „ein beliebtes Spiel“. Demnächst fehle womöglich Bargeld. „Stellen Sie sich vor, wir hätten den Vergleichsvorschlag angenommen“, skizziert Anwalt Wacker ein landesweites Szenario, „das wäre doch ganz schnell übers Internet verbreitet worden!“

Genau so sieht es Hans-Peter Schröder für die Schulaufsicht der Düsseldorfer Bezirksregierung. Er hat keine konkreten Zahlen, weiß aber: „Die Fälle mehren sich, deshalb wollen wir eine grundsätzliche Klärung durch das Gericht!“ Die 16. Kammer in Wuppertal will bald eine Entscheidung treffen. Sollte sie zugunsten des Schülers urteilen, ist schon jetzt klar: Das Land ruft die nächste Instanz an. Dann wird ein Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf berufen sein, ein richtungsweisendes Urteil zu sprechen. Bis dahin sind die Prozeßkosten auf das 2-fache des ursprünglichen Handywerts gestiegen. Auf genau 856,12 Euro. (pbd)